Die Helden von Muddelerde

  • Rowohlt
  • Erschienen: Januar 2004
  • 0
Die Helden von Muddelerde
Die Helden von Muddelerde
Wertung wird geladen
Peter Kümmel
74°1001

Phantastik-Couch Rezension vonJul 2006

Ein wunderschönes Vorlesebuch für Kinder und Kind gebliebene

";Die Helden von Muddelerde"; – ";Randalf, der Weise, bester Zauberer von Muddelerde"; – lässt das nicht eindeutig eine Parodie auf Tolkiens ";Herr der Ringe"; erwarten? Nun, es mag sein, daß der englische Autor Paul Stewart genau diese Erwartungen bezweckte, wer jedoch darauf spekulierte, wird enttäuscht.

Die Welt von Muddelerde hat mit Tolkiens Mittelerde etwa soviel zu tun wie ein Fisch mit Fahrradfahren. Doch auch diese absolut verrückte Fantasy-Welt mit ihrem verzauberten See wird von seltsamen Wesen besiedelt: mächtige dreiäugige Oger, Kobolde, die am liebsten Miesweckenbrei und Rotzbrot mögen, Trolle, emsige Schrate sowie eine faszinierende Tierwelt – Fledervögel, Stelzmäuse, Faulspechte, Knallgasfrösche oder rosa Stinkschweine. Stewart hat sich schon einiges einfallen lassen, um seine kleinen und größeren Leser zu unterhalten und zu amüsieren. Und Randalf, der Weise – ein Zauberer, der gar nicht zaubern kann – ist eher Pratchetts Rincewind entlehnt als Tolkiens Gandalf.

Herrliche Illustrationen als Highlights

Doch eines sollte man vorausschicken: ";Die Helden von Muddelerde"; ist eindeutig ein Kinderbuch, was natürlich Erwachsene nicht zwangsläufig vom Lesen abhalten sollte. Zusammen mit dem Illustrator Paul Riddell, dessen großartige und immer zum Text passenden Zeichnungen die eigentlichen Highlights des Buches sind, hat Stewart ein wunderschönes Vorlesebuch geschaffen, das nach meiner Einschätzung für Kinder ab sechs Jahren zu empfehlen ist, denn er verzichtet angenehmerweise auf jegliche Brutalität. Selbst der ";böse"; Dr. Knuddel, der die Macht über Muddelerde an sich reißen will, ist in Wirklichkeit… aber alles will ich nun auch nicht verraten.

Nicht die globale, doch überaus einfach gestrickte und kindgerecht weichgespülte Handlung, sondern die kleinen Dinge sind es, die auch die Älteren unter uns noch in Begeisterung versetzen können. Sei es ein liebevoll konstruiertes Geschäftshaus – natürlich ist auch eine Zeichnung desselben vorhanden – mit aufeinandergesetzten kleinen Häuschen, dessen Geschäfte nach oben hin zwar immer billiger und schäbiger, der Weg hinauf aber auch immer beschwerlicher wird oder sei es ein Plapperbach, der ständig unzusammenhängende Worte von sich gibt und diese Eigenschaft auch auf denjenigen überträgt, der davon trinkt und dessen Wirkung solange anhält, bis… halt, ich verrate schon wieder zu viel.

Ein abgeschlosser Sammelband

Das Buch ist zwar nicht als Sammelband gekennzeichnet, doch beim Lesen eindeutig als solcher erkennbar. Es enthält drei in sich abgeschlossene Teile:

  • Unkelbert der Ungeheure – Muddle Earth
  • Hier gibt's Drachen – Here Be Dragons
  • Dr. Knuddel von Kicherode – Dr. Cuddles Of Giggle Glade

Klar erkennbar daran, daß jedem Teil ein eigener Prolog vorangestellt ist und die Charaktere zu Beginn jedes Teiles erneut eingeführt werden. Aufgrund des Schlusses kann man davon ausgehen, daß die Muddelerde-Reihe mit diesen drei Bänden abgeschlossen ist.

Joe Jefferson ist ein ganz normaler Junge mit ganz normalen Problemen wie Hausaufgaben oder nervenden Eltern und Geschwistern. Bis er eines Tages beim Spaziergang mit seinem Hund Henry von diesem in ein Gebüsch gezerrt wird und durch einen Tunnel in die Tiefe fällt… und in einem seltsamen Raum aufwacht: in der Wohnung des Zauberers Randalf auf einem Hausboot, der dort zusammen mit dem riesigen Oger Norbert-der-Nicht-so-Große sowie dem vorwitzigen Wellensittich Veronika haust. Es stellt sich heraus, daß Joe von Randalf absichtlich herbeigezaubert wurde, weil dieser einen Heldenkrieger braucht. Doch um aus Joe Jefferson den Heldenkrieger ";Joe, der Barbar"; zu machen, bedarf es zunächst noch einiger Anstrengungen.

Auch wenn Randalf – selber nur mit Worten mutig – von seinem Heldenkrieger nicht gerade begeistert ist, bleibt ihm nichts anderes übrig, als diesen mit seinem ersten Auftrag zu betreuen, denn dem Gehörnten Baron gegenüber hat er schonn allzu große Versprechungen gemacht. Unkelbert der Ungeheure, ein wild gewordener Oger, treibt sein Unwesen. Der Gehörnte Baron, der Herrscher von Muddelerde, der jedoch unter seiner dominanten Frau Ingrid zu leiden hat, wird nicht mehr fertig mit den Klagen seines Volkes. Denn Unkelbert deckt Strohdächer ab, zertrampelt Felder und knautscht ganze Herden von Schafen. Eine große Aufgabe für Joe, den Barbar, die dieser jedoch mit Bravour zu meistern vermag.

Aber nun will er eigentlich nur noch zurück zu seiner Familie. Doch das erweist sich nicht als so einfach wie gedacht, und so stehen zunächst noch ein paar Abenteuer an vor der Rückkehr in die Menschenwelt.

Zum Schluß fallen alle Masken

";Die Helden von Muddelerde"; ist in erster Linie ein witziges Buch, das mit originellen Einfällen und Dialogen mit trockenem Humor einfach Spaß machen soll. Erst in zweiter Linie ist der erhobene Zeigefinger zu sehen, der zeigt, daß Gewalt nicht immer eine Lösung ist, sondern daß man oft durch Nachdenken weiter kommt.

Dies alles erreicht Stewart mit nur wenigen völlig unterschiedlichen und sich deshalb so gut ergänzenden Charakteren, die zu Beginn des Buches in Wort und Bild vorgestellt werden sowie einer Vielzahl von Statisten, die oftmals für die nötigen Pointen sorgen. Er betreibt auch nicht die für Märchen oft kennzeichnende Schwarz-Weiß-Malerei. Ein Drache muß nicht zwangsläufig ein Ungeheuer sein und schließlich bekommen wir zum Schluß sogar den geheimnisvollen Dr. Knuddel sowie den Gehörnten Baron ohne ihre schützenden Masken zu Gesicht. Auch die Atmosphäre von Muddelerde selbst mit dem in der Luft schwebenden See und den Böllerbergen (Landkarte selbstverständlich vorhanden) bietet so einiges zum Staunen.

Als Vorleser ist man bei den originellen Charakteren schon ziemlich gefordert, bekommt aber auch Gelegenheit, seine Kreativität zu beweisen.

Nicht kindgerecht sind lediglich einige Anspielungen oder Sprüche im Text (";Mach's noch einmal, Slam";), die Kinder nicht verstehen können. Und gar ärgerlich sind wie so oft zu viele Druckfehler. Auch die Übersetzerin scheint manchmal übersetzt zu haben ohne dabei nachzudenken: ";Quer über einer öden, schattenlosen Landschaft standen in Schnörkelschrift drei Worte geschrieben: Hier gibt es Drachen."; – Doch was im Englischen drei Worte sind, muß im Deutschen nicht unbedingt auch in drei Worten gesagt sein.

Die Helden von Muddelerde

Paul Stewart, Rowohlt

Die Helden von Muddelerde

Ähnliche Bücher:

Deine Meinung zu »Die Helden von Muddelerde«

Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!

Letzte Kommentare:
Loading
Loading
Letzte Kommentare:
Loading
Loading

Sci-Fi & Mystery
(MUSIC.FOR.BOOKS)

Du hast das Buch. Wir haben den Soundtrack. Jetzt kannst Du beim Lesen noch mehr eintauchen in die Geschichte. Thematisch abgestimmte Kompositionen bieten Dir die passende Klangkulisse für noch mehr Atmosphäre auf jeder Seite.

Sci-Fi & Mystery