Song of Kali

  • Heyne
  • Erschienen: Januar 1991
  • 6
Song of Kali
Song of Kali
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Elmar Huber
100°1001

Phantastik-Couch Rezension vonJul 2006

Ein düsteres, kraftvolles Erstlingswerk zwischen Suggestion und Realität

";Gütiger Himmel, Bobby, dafür soll ich die Frühjahrsausgabe freihalten? Das handelt von einer Dame, die sich von hinten vögeln lässt, während sie das Blut eines geköpften Mannes trinkt. Oder habe ich etwas übersehen?".

Robert Luczak, amerikanischer Herausgeber fernöstlicher Dichtung, begibt sich in Kalkutta auf die Spuren des vor Jahren verschwundenen und für tot erklärten Dichters N. Das. Von diesem ist angeblich ein neues Manuskript aufgetaucht, das Luczaks amerikanische Auftraggeber erwerben wollen. In der fremdartigen Metropole gestaltet sich die Suche nach dem Manuskript als Albtraum, in den letztlich auch Luczaks Familie hineingezogen wird.

Der Roman beginnt in den rational und zynisch geprägten Vereinigten Staaten von America. Bevor Robert Luczak in die albtraumhafte Metropole von Kalkutta geschleudert wird, erfährt der Leser noch etwas über seine idealistische Motivation. Bereits hier werden erste Ratschläge und Warnungen bzgl. Kakutta gegeben. Spontan fällt das Wort Miasma, wenn eine Beschreibung der Stadt gefordert ist.

Und tatsächlich bewegt sich Luczak schon direkt nach der Ankunft durch die fremde und bedrohliche Metropole wie durch einen zähflüssigen Albtraum, stets auf den vagen Spuren des verschwundenen indischen Dichters. Besser gesagt - er wird bewegt, geschehen doch die meisten seiner Schritte fremdbestimmt durch die Kontaktleute seiner Auftraggeber. Zusammen mit Luczak folgt der Leser den Einheimischen in das traumartige Zwielicht Kalkuttas und hört Geschichten über wiedererweckte Tote, die nun in den Diensten der Göttin Kali stehen, um deren Anhängerschaft zu vergrößern. Einer dieser Wiedererweckten soll der verschwundene indische Dichter sein. Die Spurensuche geht weiter, bis die Bedrohung für Luczak und seine Familie schließlich äußerst real und lebensbedrohlich wird. Stets scheint Kali riesenhaft im Hintergrund zu stehen und die Geschicke der Figuren zu lenken. Dabei bleibt über weite Strecken unklar, ob es sich tatsächlich um übernatürliche Ereignisse handelt oder ob sich Luczak, überfordert durch die extreme Fremdartigkeit Kalkuttas, alle scheinbaren Zusammenhänge nur einbildet. Schließlich ist es seine subjektive Sicht der Dinge, die dem Leser vermittelt wird.

Den heftigsten Schock spart sich Dan Simmons für das nahe Ende auf. Die Enthüllung, was tatsächlich mit seiner entführten Tochter geschehen ist, wirkt stärker nach als alle zuvor erlebten surrealen Begegnungen mit Kalkuttas Schattenwelt. Trotz dieses äußerst realen Horrors und dem nachfolgenden Absturz Luczaks, schafft es der Autor, ein versöhnliches und dennoch stimmiges Ende zu ersinnen, in den Robert Luczak aus der andauernen Nacht seiner eigenen Seele wieder ans Licht gelangt.

Die Handlung des Romans ist nicht klar zu fassen. Es handelt sich eher um episodenhafte Erlebnisse, die zwar durch die andauernde Suche nach dem indischen Autor verbunden sind, aber trotzdem nicht durchgängig erscheinen. Oft handelt Luczak nicht selbst, sondern folgt seinen Führern scheinbar wahllos in das Zwielicht von Kalkutta. Auch Kali hat in Persona keinen Auftritt und doch ist ihr Wirken und ihr Einfluß (auch wenn dieser lediglich in den Köpfen der Beteiligten stattfindet) stets präsent.

Dan Simmons´ klare Sprache steht im Gegensatz zur teilweise surrealen Handlung. Dies trägt dazu bei, dass die Geschehnisse noch fremdartiger und bedrohlicher wirken. Obwohl ich persönlich immer eine fehlende Motivation des Bösen bemängele, halte ich diesen Umstand in "Göttin des Todes" nicht für einen Schwachpunkt. Kali beherrscht Kalkutta wie eine gigantische Spinne und Robert Luczak gelangt auf seiner Suche in die Fäden ihres Netzes. Kali gab es vor Luczak und wird es auch nach ihm noch geben. Dass das Böse nicht durch den Helden vernichtet wird ist vielleicht die Besonderheit des Romans.

Der Name von Luczaks Tocher Victoria Regina erinnert in Verbindung mit Kalkutta unweigerlich an die britische Kolonialherrschaft in Indien. Dies jedoch ohne den zunächst zu erwartenden negativen Beigeschmack, ist doch die Popularität von Königin Victoria in Kalkutta nach wie vor ungebrochen.

";Göttin des Todes" wurde als bester Roman des Jahres 1985 mit dem ";World Fantasy Award" ausgezeichnet. Die deutsche Übersetzung wurde angefertigt von Joachim Körber, dem ehemaligen Stammübersetzer von Stephen King. Nach dem Erscheinen im Heyne-Verlag wurde ";Song of Kali" unter seinem Originaltitel in überarbeiteter Form auch nochmals in Joachim Körbers Liebhaber-Reihe ";Edition Phantasia" als Paperback veröffentlicht.

Song of Kali

Dan Simmons, Heyne

Song of Kali

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