Der Krake

  • Bastei-Lübbe
  • Erschienen: Januar 2011
  • 2
Der Krake
Der Krake
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Elmar Huber
20°1001

Phantastik-Couch Rezension vonDez 2010

Kunstvoll aber substanzlos

"Deswegen waren sie gekommen, wegen dieses rostigen gigantischen Dings. Trotz seiner Bewegungslosigkeit; trotz der Wunden seines zeitlupenhaften Verfalls, trotz der Schorfflocken, die die Lösung trübten, in der es schwamm; trotz der verschrumpelten und nicht mehr vorhanden Augen; trotz seiner abstoßenden Farbe; trotz des verdrehten Gewimmels seiner Gliedmaßen, als würde es von einer gigantischen Hand ausgewrungen. Trotz all dem war es dieses Ding, weshalb sie hier waren."

Der präparierte Riesenkalmar Archie ist in seinem Formalintank die Attraktion des Londoner Darwin Instituts. Eines Tages muss der Kurator Billy feststellen, dass der gewaltige Körper des Oktopoden spurlos verschwunden ist. Ein Ding der Unmöglichkeit, bedenkt man die Größe und das Gewicht des Tieres. Als in den Kellern des Instituts ein menschlicher Leichnam gefunden wird - auf ebenso unmögliche Art in ein Glas gepresst - treten die Ermittler des "Dezernats für fundamentalistische und sektenbezogene Verbrechen" auf den Plan. Schließlich wird der Kalmar von einer Sekte als Gottheit verehrt. Auch Billy sieht sich bald zwischen den Fronten der paranormalen Ermittler, Kalmargläubigen und den Schergen eines lebenden Tatoos, das den achtarmigen Gott ebenfalls in seinen Besitz bringen will.

"Dieser Tage trugen sich in der Stadt alle möglichen verschiedenen Dramen zu: Intrigen, Verrat, Unterstellungen und Missverständnisse zwischen Gruppen, die individuelle, einander überlappende Interessen verfolgten. In den Büros, Werkstätten, Laboratorien und Büchereien zorniger Wissenschaftler und freischaffender Theoretiker-Manipulatoren kam es zu lautstarken Streitereien untereinander und auch mit jenen nichtmenschlichen Genossen; die immer noch da waren. "Wie kannst du mir das antun?", lautete der am häufigsten geäußerte Satz. Gefolgt von: "Ach, fick dich.""

Ein Riesenkalmar als Gottheit? Cthulhu, ick hör´ dir trapsen. Was nicht nur für Lovecraft-Fans durchaus brauchbar beginnt, entwickelt sich allerdings schon bald zu einem überladenen Urban-Fantasy-Abenteuer, in dem sich der Autor sichtlich mehr bemüht, möglichst viele schräge Ideen unterzubringen als seine Charaktere zu entwickeln. Dass der Erzählfluss damit gehörig gebremst wird und man als Leser nur noch schwer den Überblick behält, scheint zweitrangig. Der passive Billy wird von einem bizarren Höhepunkt zum nächsten gehetzt und dreht sich doch nur im Kreis, ohne dass es mit der Geschichte merklich vorangeht. Obwohl Miéville unbestreitbar über eine kunstvolle und ausdrucksstarke Schreibe verfügt, verliert man aufgrund der ständigen Wiederholungen mehr und mehr das Interesse am Geschehen.

Dabei bringt sein Ideenreichtum Miéville zu Recht regelmäßig Vergleiche mit Neil Gaiman ein. Doch wo Gaiman auch seine skurrilsten Charaktere ernst nimmt, hat man hier stets das Gefühl, dass die Protagonisten nur aus Sensationslust vorgeführt werden.

China Miéville gehört zu einer losen Gruppe Autoren, die mit der Stilrichtung "Weird Fiction" der Fantasy neues Leben einhauchen wollen. Den größten Schritt in dieses Richtung machte sein wohl bekanntestes Werk Perdido Street Station", von dessen Erfolg Miéveille immer noch zehrt. Gemessen an "Der Krake" ist es nicht zu nachzuvollziehen, warum der Autor in seiner englischen Heimat nahezu kultisch verehrt wird.

"Der Krake" will irgendwie etwas Besonderes sein und ist doch nur die x-te Urban-Fantasy-Variante, die noch dazu gut 200 Seiten kürzer hätte ausfallen dürfen. Für Fantasy-Anhänger stellenweise ziemlich brutal, für Horrorfans zu überladen.

(Elmar Huber, Februar 2012)

Der Krake

China Miéville, Bastei-Lübbe

Der Krake

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