Der Flug zur Hölle
Film-Kritik von Michael Drewniok

Im Reich der Billig-Saurier

Den kurzen Sommer des Jahres 1957 wollen die USA für eine großangelegte Erkundung der Antarktis nutzen. 800 Männer schiffen sich gen Südpol ein - und eine Frau: Reporterin Margaret „Maggie“ Hathaway hat weder Angst vor dem Eis noch vor besagten Männern, zumal sich Commander Harold „Hal“ Roberts baumlang und eng an ihrer Seite hält.

Auf einer ähnlichen, 1947 von Admiral Byrd in die Antarktis geführten Expedition hatte man eine Zone mit unnormal hoher Durchschnittstemperatur registriert. Diesem Rätsel soll Roberts auf den Grund gehen. Begleitet von Maggie sitzt er mit Lieutenant Carmen, Captain Burnham und dem Mechaniker Harvey in einem Hubschrauber. Man findet die Anomalie, aber ein Unwetter zwingt zur Rückkehr. Die misslingt, als eine seltsame Kreatur den Helikopter rammt und beschädigt. Der notlandungsähnliche Abstieg endet nicht auf kalter Erde, sondern tief darunter im Krater eines recht friedlich blubbernden Vulkans, dessen Hitze nicht nur für ein tropisches Klima sorgt: Hier unten hat sich ein Stück Urzeit erhalten - ein sumpfiger Dschungel, in dem Dinosaurier ihr Unwesen treiben!

Rettung könnte nur von außen kommen, aber eine Funkverbindung kommt nicht zustande. Wohl oder übel muss sich das Quintett mit den Gefahren vor Ort arrangieren. Dazu addiert sich zu aller Überraschung ein anderer Mann: Dr. Hunter strandete vor zehn Jahren in der Unterwelt. Seine Kameraden hat er ebenso verloren wie seinen Verstand, weshalb er sich nicht mit den Neuankömmlingen zusammentut, sondern Maggie entführt und in seine Höhle schleppt.

Roberts und seine Begleiter können sie befreien, aber helfen will ihnen Hunter nicht, obwohl das Wrack des Helikopters, mit dem er einst abstürzte, womöglich jenes Teil enthält, mit dem Mechaniker Harvey das eigene Luftgefährt reparieren könnte. Die Zeit drängt, denn bald wird der antarktische Winter die Expedition und damit die Retter zum Rückzug zwingen. Außerdem hat ein hungriger Tyrannosaurus Rex das Lager der Menschen entdeckt und taucht hartnäckig immer wieder dort auf. Soll sich Maggie also ‚opfern‘, bei Hunter bleiben und so wenigstens ihren männlichen Begleitern die Flucht ermöglichen …?

Das auch von den Zuschauern weitgehend vergessene Land

US-Marines lassen keinen Mann zurück - lebendig oder tot! Deshalb steht fest, dass der amourös selbst angefixte Roberts dem unmoralischen Angebot des nicht nur übergeschnappten, sondern auch weibstollen Hunter eine Absage erteilen wird. Die Disziplin ist ebenso zu wahren wie die Form, weshalb der Erotik-Faktor im Urwelt-Krater verhalten bleibt. Im Vordergrund steht der Konflikt mit den Bewohnern dieses „unbekannten Landes“, das der Originaltitel dieses Films wesentlich dezenter zur Sprache bringt als die auf strohköpfige Zuschauer zielende Übertreibung bzw. Übersetzung: Höllisch ist höchstens die Hitze vor Ort, weshalb die Kleidung der unfreiwilligen Gäste im Laufe des Geschehens stetig an Arm- und Beinlänge verliert.

Eigentlich sollte „The Land Unknown“ ein ‚großer‘ Film werden - mit üppigem Budget, hochwertigen Spezialeffekten und inszeniert von Jack Arnold, der u. a. mit „It Came from Outer Space“ (1953; „Gefahr aus dem Weltall“), „Creature from the Black Lagoon“ (1954; „Der Schrecken vom Amazonas“) und „Tarantula“ (1955) sein Händchen für ebenso spannendes wie einträgliches SF-Kino bewiesen hatte. Doch nachdem der hochpreisig realisierte „Forbidden Planet“ („Alarm im Weltall“) 1956 für MGM mehr Kosten verursacht als Gewinn eingefahren hatte, zogen die Federfuchser der Universal Pictures die Notbremse: Offenbar war Phantastik doch keine sichere Kino-Bank.

Der Film blieb in der Produktionsplanung, aber das Budget wurde zusammengestrichen, bis es quasi kaum mehr existierte. Jack Arnold verlor verständlicherweise das Interesse. An seine Stelle rückte Virgil William Vogel (1919-1996), ein Mann für das filmisch Grobe, der das Handwerk von der Pike auf gelernt hatte und dessen Laufbahn - von einer Karriere will man nicht sprechen - von 1940 bis 1995 währte. Vogel drehte möglichst kostengünstige B-Movies am Stück; später arbeitete er für das Fernsehen. Zu seinen typischen Werken gehört der Trash-Heuler „The Mole People“ (1956; „In den Klauen der Tiefe“).

Wollen und Können im Dauerkonflikt

Offensichtlich schon vor dem Sturz in den Sparstrumpf entstanden waren diverse „matte paintings“ - auf Glas gemalte Landschaften, die vor die Kamera gesetzt werden und die Realität ‚ergänzen‘, wobei in den ausgesparten Bereichen sogar Bewegung möglich ist. Das Verfahren sorgt bei gewissenhafter Arbeit für überzeugende Effekte und war schon 1957 ausgereift. Deshalb überraschen überraschend gelungene Aufnahmen einer weitläufigen Urwelt, die ansonsten auf engen Bühnen mit Tropenpflanzen und Pappmaché eher angedeutet wird.

Für den Vorstoß in die Antarktis griff man auf Aufnahmen zurück, die Admiral Byrd auf der erwähnten Expedition von 1947 hatte drehen lassen. Sie unterschieden sich in der Ausleuchtung oder im Filmkorn jederzeit von den Bildern, die Kameramann Ellis W. Carter auf den Sets von1957 auf Zelluloid bannte. Dies reihte sich freilich nahtlos in eine ganze Salve quasi unvermeidlicher Bockschüsse.

So wurden Darsteller u. a. separat in Szenen eingespiegelt (Schüfftan-Verfahren), die attackierende Ungetüme zeigten. Hier wurde schlampig gearbeitet, weshalb die beiden Bildebenen mit garantiert illusionstödlicher Wirkung nicht zusammenpassen. Limitierte Handwerkskunst verraten auch die Szenen des ‚fliegenden‘ Hubschraubers, der tatsächlich als deutlich erkennbares Modell vor Luftaufnahmen bewegt wurde - und zwar ruckartig.

Das Grauen naht gänzlich kontraproduktiv

In einem von der Zeit vergessenen Land gehen gemeinhin Dinosaurier um. Diese Erwartung wurde auch im Vorfeld dieses Films von der Werbung (wider besseres Wissen) geweckt. Für das Artwork zeigte engagierte man einen echten Künstler, der rosstäuscherisch furchterregende (sowie farbige) Untiere in grandioser Action malte. Die Abwesenheit des Internets gestattete solche plumpen Tricks, die erst als solche erkannt und empört kommuniziert wurden, wenn hoffentlich genug zahlende Zuschauer darauf hereingefallen waren.

„Flug zur Hölle“ genießt aufgrund seiner Saurier zwar einen Ruf, was man lieber nicht mit einer Qualitätsempfehlung gleichsetzen sollte. Leidlich erträglich sind jene Szenen, für die man lebendige Warane in Miniaturkulissen setzte (bzw. sie tierquälerisch aufeinanderhetzte), wo sie - die Hoffnung stirbt zuletzt - wie gewaltige Panzerechsen wirken sollten. Generell setzte man jedoch auf eigens angefertigte Monster-Modelle, die direkt in den Kinotrash-Himmel eingingen. Es war einfach kein Geld für gute Ware vorhanden, sodass man kreativ (bzw. verzweifelt und auf jeden Fall stümperhaft) muppet-ähnliche Kreaturen bastelte, die selbst bei tiefster Dunkelheit nicht den leisesten Hauch von Lebensechtheit zeigen. Hinzu kam ihre absolute Bewegungslosigkeit, die lautstark eingespieltes Brüllen und Fauchen noch unterstrich.

Besonders unrühmlich in Erinnerung bleiben ein ‚Elasmosaurer‘, der schlapp wie ein Sack Kartoffeln auf Schienen durch einen Kulissentümpel gezerrt wird, oder eine ‚fleischfressende Pflanze‘, in deren Tentakeln sich die Hauptdarstellerin buchstäblich selbst einwickeln muss. Doch über allem thront unerreichbar ein ‚Tyrannosaurus‘, in dessen Plastikhaut ein unglücklicher Statist steckt: Er sieht aus wie ein Marabu in Gummistiefel - und so bewegt er sich auch: in kurzen Trippelschritten und stocksteif, weil das Kostüm nicht nachgibt. Aus unerfindlichen Gründen wurden dem Kopfteil Augen ohne Pupille eingesetzt, was dem Eindruck einer unter Grauem Star leidenden Bestie erweckt. (Wurde übrigens jemals überprüft, ob dieser Kopf wiederverwendet wurde - für den legendären Gorn, mit dem es Captain Kirk in der klassischen Star-Trek-Episode „Arena“, dt. „Ganz neue Dimensionen“ zu tun bekommt?)

Das Beste geben, so schwer es fällt

Selbst wenn es als Schauspieler gelungen ist, zum „Star“ aufzusteigen, ist eines gewiss: Der Ruhm wird nicht ewig währen. Was bleibt, sind die Rechnungen, die zuverlässig ins Haus flattern. Dann heißt es die Zähne zusammenbeißen und Rollen annehmen, über die man lieber nicht nachdenkt. „The Land Unknown“ wurde zum Sammelpunkt für Darsteller, die sich nur mühsam im Rampenlicht halten konnten. Über ihr Talent sagt dies nicht zwangsläufig Negatives aus. Jene, die es in diesen Film verschlug, leisten angesichts eines Drehbuchs, das episodisch Schreckensszenen aneinanderreiht, gute Arbeit. Jock Mahoney (1919-1989) war ein ehemaliger Stuntman, der vor allem wegen seines Körperbaus engagiert wurde. (1962 und 1963 spielte er in zwei Spielfilmen Tarzan, den Affenmenschen.) Er steht souverän über dem Unfug, in den er hier geraten ist, und gibt routiniert den männlichen Helden, der final die Hauptdarstellerin für sich gewinnt.

Die hieß Shirley Patterson (1922-1995), nannte sich Shawn Smith und war sicherlich kein ‚Mädchen‘ mehr, was sich in ihrer Rolle widerspiegelte. Nichtsdestotrotz saß ihr der Zeitgeist im Nacken, denn immer wieder muss Maggie als nur vorgeblich emanzipierte Frau hilf- und regungslos danebenstehen, wenn sich Mannsbilder um sie prügelten, oder schreien und auf Rettung warten, weil sich ein Urzeit-Untier in ihre Nähe schleppt.

Hin und wieder kann immerhin Henry Bradon (eigentlich Heinrich von Kleinbach, 1912-1990) schauspielerische Akzente setzen. Er profitiert von einem Drehbuch, das den gestrandeten Dr. Hunter nicht als geilen Irren bloßstellt. Verständnis und Toleranz gehören normalerweise nicht zu den Tugenden, die man in Filmen wie diesem erwartet. Dies versöhnt mit einem Machwerk, das ungeachtet der Produktionsmängel seine triviale Story zügig über die Runden bringt. Zu einem Klassiker der Filmgeschichte wird es „Der Flug zur Hölle“ nie bringen. doch wie mehrere Generationen leidgeprüfter Zuschauer lernen mussten, entstanden seither unzählige sogar exponentiell schlechtere Filme!

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Der Flug zur Hölle

  • Originaltitel: The Land Unknown (USA 1957)
  • Regie: Virgil W. Vogel
  • Drehbuch: László Görög
  • Kamera: Ellis W. Carter
  • Schnitt: Fred MacDowell
  • Musik: Henry Mancini, Hans J. Salter u. Herman Stein
  • Darsteller: Jock Mahoney (Commander Harold „Hal“ Roberts), Shirley Patterson [als Shawn Smith] (Margaret „Maggie“ Hathaway), William Reynolds (Lieutenant Jack Carmen), Henry Brandon (Dr. Carl Hunter), Douglas Kennedy (Captain Burnham), Phil Harvey (Steve Miller)
  • Label/Vertrieb: Anolis
  • Erscheinungsdatum: 31.01.2012 (DVD)/15.08.2014 (Blu-ray)
  • EAN: 4041036310288 (DVD)/4041036370213 (Blu-ray)
  • Bildformat: 16 : 9 (2,35 : 1, anamorph)
  • Audio: Dolby Digital 2.0 mono (Deutsch, Englisch)
  • Untertitel: Deutsch                                                            
  • Länge: 75 min. (DVD)/78 (Blu-ray)
  • FSK: 12

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