Halloween Ends

Film-Kritik von Marcel Scharrenbroich / Titel-Motiv: © 2022 Universal Studios. All Rights Reserved.

Ein würdiges Finale?

Schlechtester Babysitter ever… ever… EVER!!!

Beschissener hätte der Abend für Corey Cunningham (Rohan Campbell) nicht laufen können. Eigentlich sollte er nur beim Ehepaar Allen (Candice Rose und Jack William Marshall) auf deren quengeligen Sohn Jeremy (Jaxon Goldenberg) aufpassen, während die Eltern sich bei einer Halloween-Party amüsieren, doch die Nacht hatte noch eine lebensverändernde Überraschung parat. Der nölige Bengel spielte dem Studenten einen Streich und sperrte ihn in eine kleine Kammer im oberen Stockwerk des Hauses. Damit hatte Corey so seine Problemchen und sah nach lautstarkem Bitten keine andere Möglichkeit, als die Tür einzuwemsen. Ein paar beherzte Tritte und die Tür flog auf. Dummerweise stand Jeremy gleich dahinter und es schmiss ihn hochkant über die schützende Brüstung. Seinen Eltern, die gerade von ihrer Feier kamen, schepperte der Kurze krachend vor die Füße. War wohl nix mit Trinkgeld, hm?

Drei Jahre sind seit jener tragischen Nacht, die sich genau ein Jahr nach der Rückkehr von Michael Myers zutrug, vergangen. Das Gericht urteilte zugunsten Coreys, doch in Haddonfield ist er als „Kindermörder“ gebrandmarkt. Für die pubertierenden Dorf-Dödel wird er zur Zielscheibe, gilt als Eigenbrötler ohne Freunde. Das bekommt auch Laurie Strode (Jamie Lee Curtis) mit, die sich „dank“ ihrer bewegten Vergangenheit in den Burschen hineinversetzen kann. Der Psycho und der Freak… fragt sich nur, wer wer ist. Nach einer unschönen Begegnung mit besagten Vollpfosten bringt Laurie Corey zur Behandlung einer Schnittwunde ins Krankenhaus. Wohlwissend, dass dort ihre Single-Enkelin Allyson (Andi Matichak) arbeitet. Diese verguckt sich auch gleich in den schüchternen Corey, obwohl er das Mädchen wegen seiner vorauseilenden Geschichte zunächst auf Abstand hält. Seine neuen Erzfeinde kann Corey leider nicht auf Abstand halten und so kommt es, wie es kommen muss. Nach einer kurzen Rangelei stürzt er am Stadtrand über das Geländer einer Brücke. Die Arschloch-Gang glaubt indessen, dass Corey tot sei und macht sich mit quietschenden Reifen aus dem Staub. Doch Corey ist lediglich bewusstlos… und wird von einem Unbekannten durch ein Rohr in die Kanalisation von Haddonfield gezogen.

Niemand geringeres als Michael Myers, der faulige Atem der Stadt, welcher seit Jahren näher ist, als man hätte ahnen können, „rettet“ Corey Cunningham. Eine Begegnung, die mehr als nur einen bleibenden Eindruck hinterlässt. Als Laurie erneut auf den Jungen trifft und tief in seine Augen blickt, ist sie sich sicher, das absolut Böse in ihnen zu erkennen…

Die Schnitzer (aka Das Drehbuch-Fiasko)

Hauen wir erstmal ordentlich drauf, wie es mittlerweile zum guten Ton gehört. Aus vielen Ecken bekommt der Trilogie-Abschluss „Halloween Ends“ nämlich ordentlich auf die Fresse. Und so mancher angeführte Punkt ist durchaus berechtigt. Am gruseligsten sind wahrscheinlich die Dialoge, bei denen ich mehrmals laut losprusten musste. Unüblich für einen Horrorfilm, aber was sich da zum Teil zusammengeschrieben wurde, passt nicht mal auf die Haut der frisch tapezierten Visage eines Leatherface. Wenn die Heli-Mutter des Jahrzehnts ihrem erwachsenen Sprössling (Corey sollte Mitte Zwanzig sein, wenn ich mich nicht verrechnet habe) am Esstisch den Vortrag hält, dass „Jungs, die Geheimnisse haben, keinen Vanillepudding zum Nachtisch bekommen“, weiß ich nicht, ob ich lachen, weinen oder traurig sein soll, weil ich keinen Vanillepudding hab. Anderes Beispiel: Laurie hat beim Einkaufen ein wenig geflirtet und verlässt mit einem breiten Grinsen den Laden. Auf dem Parkplatz wird sie von einer aufgebrachten Madame verbal attackiert, weil das letzte Tamtam um Michael Myers ja ihren Provokationen zu verdanken ist. Sie schnauzt Laurie an „Was haben Sie eingekauft?!“ Nun, die einzig richtige Antwort wäre „Das geht Sie einen Scheißdreck an, Ma’am“, aber die eigentliche Frage ist doch, was zur Hölle die Drehbuchautoren beim Schreiben auf Lunge gezogen haben? Dass die degenerierte Teenager-Clique, die im Bündel aussieht, als wäre sie frisch aus dem Inzucht-Labor getürmt, es ausgerechnet auf Corey abgesehen hat, weil er sich weigert der minderjährigen Brut Bier zu kaufen, ist ein anderer Punkt, der mich schwer stört.

Die leben in einer verdammten Kleinstadt und haben es die letzten Jahre tatsächlich geschafft, sich nicht über den Weg zu laufen? Dann kreuzen sich ihre Wege aber plötzlich mehrmals täglich? Sehr konstruiert… ebenso wie die Beziehung zwischen Allyson und Corey. Die lernen sich drei Tage vor Halloween kennen, sind aber am 31. Oktober so weit, dass sie zusammen die Stadt verlassen würden. Das muss Liebe sein… oder Zeitdruck im Autorenzimmer.

Der Schlitzer (aka Das Myers-Trauma)

2018 gingen Regisseur David Gordon Green und sein Co-Autor Danny McBride einen denkbar einfachen Weg, um „Halloween“ in nachvollziehbare Bahnen zu lenken. Sie ignorierten einfach alles, was nach dem Originalfilm von 1978 kam… und das war so einiges. Dass Laurie und Michael Geschwister sind, wurde 1981 in der heute noch nach § 131 StGB beschlagnahmten Fortsetzung „Halloween II - Das Grauen kehrt zurück“ offenbart, gehört nun aber ebenso wenig zum Kanon wie die aus „Halloween IV - Michael Myers kehrt zurück“ (1988), „Halloween V - Die Rache des Michael Myers“ (1989) und „Halloween VI - Der Fluch des Michael Myers“ (1995) bestehende Trilogie um Michael Nichte Jamie Llloyd. Auch „Halloween H20“ (1998) und „Halloween: Resurrection“ (2002), die chronologischen Teile 7 und 8 der nicht kaputt zu kriegenden Reihe, wurden aus der Kontinuität getilgt. Mussten sie zwangsläufig auch, denn „H20“ sah sich bereits als direkte Fortsetzung zu den ursprünglichen Ereignissen, in der Laurie Strode (die ihren Namen in Keri Tate änderte) sich und ihren Sohn zum 20-jährigen Franchise-Jubiläum an einer Elite-Schule gegen Myers‘ blitzeblanken Pieker verteidigen musste. Die 1981-Fortsetzung, deren Story ja eh in derselben Nacht wie das Original von ’78 spielt, wird in dieser Timeline ebenfalls berücksichtigt. Somit ist Laurie in der H20-Timeline noch immer Michaels Verwandte. In „Resurrection“ gelang es ihm dann endlich, seine Schwester aus der Familien-Chronik zu schmeißen, womit man das beste vom Film nach nur wenigen Minuten schon gesehen hatte. „Halloween III“ (1982) fuhr eh eine ganz eigene Schiene und hat mit dem Myers-Mythos rein gar nichts zu tun. Die beiden umstrittenen Neuinterpretationen von Rob Zombie aus den Jahren 2007 und 2009 stehen ebenfalls für sich. Für mich waren die siffigen Reboots das Beste, was dem in die Jahre gekommenen Franchise passieren konnten, aber mit der Meinung stehe ich recht alleine da… obwohl Zombie kein guter Filmemacher ist, schaut man sich an, was er sonst so fabriziert hat.

Ihr seht schon, dass es gar nicht einfach gewesen wäre, in dieses Chaos einigermaßen Logik hinein zu prügeln. Deswegen wurde auf alle bestehenden Timelines geschissen, durchgewischt, und übrig blieb „Halloween - Die Nacht des Grauens“ aus der Feder von John Carpenter und Debra Hill. So, da man 2018 aber gleich dicke Brötchen backen wollte, wurde großspurig eine ganze Trilogie angekündigt. Eigentlich sollte in jedem folgenden Jahr ein weiterer Film veröffentlicht werden, doch die Pandemie grätschte selbst einem Michael Myers ins blutige Handwerk. Mit leichter Verzögerung liegt nun also das dicke Ende vor. Betrachtet man sich nun diese Trilogie als Ganzes, ist es, als würde man Achterbahn fahren. Rückwärts. Mit Augenbinde. Sturzbesoffen. Warum? Darum:

„Halloween“ (2018) war 40 Jahre nach dem Original eine würdige Fortführung. „Halloween Kills“ (2021) hingegen war eine over-the-top-Schlachtplatte, in der das Geschehen mit der aufgebrachten Haddonfield-Belegschaft viel zu früh auf die Spitze getrieben wurde. Nun, da zwischen diesen beiden unmittelbar nacheinander spielenden Filmen und dem Trilogie-Abschluss wieder mehrere Jahre liegen, klafft eine unbeleuchtete Lücke in der Erzählung, die es schwer macht, die drei Streifen noch als zusammenhängende Einheit zu sehen. Laurie wurde schon in „Kills“ zur Nebenfigur degradiert und selbst in „Ends“ liegt der Hauptfokus auf ihrer Enkelin Allyson und dem neu eingeführten Corey. Selbst Michael Myers ist über weite Strecken nur ein bedrohliches Gespenst, welches über der Stadt schwebt, sich sogar in dieser eingenistet hat, aber durch Abwesenheit glänzt. Dramaturgisch wäre es womöglich sinnvoller gewesen, die Reihenfolge des zweiten und dritten Films noch einmal zu überdenken. Der Zeitsprung wäre unnötig gewesen, das Eskalieren der Bevölkerung hätte mehr zur Final-Stimmung beigetragen und Myers‘ Abstinenz hätte durch einen kompromisslosen Slasher-Ausflug durch die Gemeinde die Fans wahrscheinlich milder gestimmt. So, wie die neue Trilogie jetzt beim Schauen in einem Rutsch wirkt, kann mir niemand erzählen, dass bei der Ankündigung von gleich drei Filmen auch nur der Hauch einer Ahnung vorhanden war, wie diese über die Bühne geschaukelt werden. Da werden doch glatt Erinnerungen an die letzte „Star Wars“-Trilogie wach.

Die große FRAGE

Ich gebe noch einmal zu bedenken, dass ALLE Filme des Franchises - bis auf das Original - ignoriert werden. Die Frage, die sich mir nun stellt, lautet: Warum haben die Ereignisse aus der Halloween-Nacht 1978 noch nach 40 Jahren einen solchen Einfluss auf Haddonfield? Es mag radikal klingen, aber Michael Myers ermordete in jener Nacht „lediglich“ vier Personen (seine Schwester Judith im Kindesalter mal ausgelassen).

Schrecklich und traumatisch für die Angehörigen, mit Sicherheit, aber Grund genug, das ultimative Böse in einen Wahnsinnigen hineinzuprojizieren? Grund genug, dass Laurie sich über Jahrzehnte auf Michaels Rückkehr vorbereitet, ihr Haus mit Fallen spickt und stoisch als Sarah-Connor-Verschnitt darauf wartet, dass ihr ganz persönlicher T-800 zur Abrechnung auf der Matte steht? Diese zielgerichtete Laurie beißt sich wiederum mit der Darstellung ihrer Figur in „Halloween Ends“. Dort hat Laurie nämlich zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt beschlossen, ein Leben ohne die ständige Präsenz Myers‘ zu führen. Und das, nachdem er in „Kills“ ihre Tochter umgenietet hat. Ernsthaft??? Gerade DANN hätte ich doch erwartet, dass sie entweder der verdammten Stadt endgültig den Rücken kehrt (anstatt dort ein Haus zu kaufen und es mit Halloween-Deko zu schmücken) oder aber derart explosiv aufrüstet, dass der Radau in Haddonfield noch rüber bis zum Crystal Lake schallt. Ja, das ganze Gerüst ist wackeliger als ein Jenga-Turm bei Windstärke 12.

Das kleine ABER

Mut kann man David Gordon Green, Danny McBride, Paul Brad Logan und Chris Bernier, die allesamt das Drehbuch zu „Halloween Ends“ zusammengeschustert haben, dann aber doch nicht absprechen. Strotze „Halloween Kills“ noch vor Ideenlosigkeit, ist die Herangehensweise im neuen Film gar nicht so schlecht. Schließlich will man ja eine Story (zu Ende) erzählen und nicht eine plumpe Schlachtplatte nach der nächsten rausfeuern. Blendet man Logiklöcher, strunzdumme Dialoge und das für einen Slasher zunächst überschaubare slashern mal aus, haben wir einen atmosphärisch aufgebauten Horrorfilm, der sich auf die Charaktere fokussiert, und immer wieder daran erinnert, dass wir uns Stück für Stück der unausweichlichen Konfrontation nähern.

Mit 111 Minuten recht amtlich für einen Genre-Film, lässt der Showdown zwar lange auf sich warten, liefert dann aber doch noch saftig ab. Im letzten Drittel wird die Keule ausgepackt und wir wissen wieder, warum auf dem FSK-Siegel eine 18 steht. Einige Kills sind durchaus kreativ und knallhart. Da hält die Kamera dann auch drauf. Erstaunlicherweise erwischt es hauptsächlich die Typen und Typinnen, denen man ein geschärftes Myers-Messer an den Hals wünscht.

Fazit

„Halloween Ends“ macht schon ein paar Dinge richtig, auch wenn Slasher-Fans vielleicht etwas anderes erwartet hätten. Die Idee aus dem direkten Vorgänger, dass das Böse als eine Art Virus existiert, wird weitergesponnen und personifiziert sich jetzt. Über weite Strecken bekommen wir eine psychologische Charakterstudie, die zwar solide erzählt wird, das unweigerliche Finale - auf das selbstverständlich alle warten - aber hinauszögert. Der Showdown ist der insgesamt löchrigen Trilogie dafür mehr als würdig. Nun sollte man das „Halloween“-Franchise aber erst mal wieder ruhenlassen, bevor eine neue Möglichkeit aus dem Hut gezaubert wird, die zerlumpte Maske wieder überzustreifen.

Wertung: 5

Bilder: © Universal Pictures. All Rights Reserved.

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