Halloween Kills

Film-Kritik von Michael Drewniok / Titel-Motiv: © Universal Studios. All Rights Reserved.

Der Schnitter kommt über strohdummes Dorfvolk

Die Handlung schließt direkt an die Ereignisse von „Halloween“ (2018) an: Laurie Strode wurde im Kampf gegen den nach Haddonfield geflüchteten Michael Myers schwer verletzt. Tochter Karen und Enkelin Allyson bringen sie ins Krankenhaus, wo Laurie notdürftig zusammengeflickt wird; sie tröstet sich damit, dass sie Michael gut eingesperrt im Keller ihres brennenden Hauses zurückgelassen hat.

Aber die Feuerwehr von Haddonfield ist auf Draht und erreicht den Brandort (ein wenig zu) rechtzeitig - zu ihrem Nachteil, denn der während der Bekämpfung des Feuers freikommende Michael ist keineswegs dankbar, sondern metzelt den gesamten Löschzug nieder. Danach begibt er sich erneut nach Haddonfield, wo man gerade die Opfer seines ersten Besuchs zusammensucht.

Als immer neue, meist teilzerlegte Leichen und Schwerverletzte eingeliefert werden, weiß Laurie, was die Glocke geschlagen hat. Für eine neuerliche Attacke auf Michael ist sie allerdings zu schwer angeschlagen. Doch wie Tochter Karen geht sie davon aus, dass Michael sie suchen und irgendwann im Krankenhaus finden wird, wo ihn die Strode-Frauen erwarten.

Enkelin Allyson drängt es allerdings ins Freie. Sie schließt sich einem der Suchtrupps an, die Tommy Doyle und Lonnie Elam - zwei Überlebende des ersten Haddonfield-Massakers von 1978 - (schlecht) organisieren. Lynchmord liegt in der Luft, Übereifer, Angst und Dummheit sorgen dafür, dass die Bürger sich gegenseitig außer Gefecht setzen. Zu allem Überfluss jagt man einen unschuldigen, geistig verwirrten Mann, den das Schicksal ausgerechnet in dieser Nacht nach Haddonfield verschlägt.

In dem Chaos weiß sich Michael Myers unbemerkt zu seinem Elternhaus zu schleichen. Wer ihm begegnet, bleibt durchstochen oder hirnpüriert auf der Strecke. Lonnie Elam ahnt allerdings, wohin es Michael zieht. Mit Sohn Cameron und Allyson macht er sich dorthin auf, wo Michael gerade die neuen Hausherren meuchelt …

Des Elends zweiter Teil

2018 ging es unter großem Werbegetöse in die elfte Runde: So viele Teile zählte das „Halloween“-Franchise damals, wobei eine übergreifende Chronologie nicht existiert. Nach Belieben wird die Grusel-Mär von Michael Myers, den unsterblichen Buhmann, seit 1978 neu bzw. aus bekannten Elementen zusammengestückelt. So wurde Hauptdarstellerin Jamie Lee Curtis zwar in „Halloween: Resurrection“ (2002) von Michael endlich erwischt und umgebracht, aber da man für „Halloween“ 2018 ohnehin alles ignorierte, was der Myers-Saga nach Teil 1 hinzugedichtet wurde (und „Halloween: Resurrection“ ein Film ist, den man gern vergisst), konnte Laurie Strode problemlos zum fünften Mal gegen den Schrecken von Haddonfield antreten.

Es muss an der Sehnsucht der nicht nur hartgesottenen, sondern auch leidgeprüften Horrorfans gelegen haben, dass „Halloween“ bei moderaten Kosten ein eindrucksvolles Einspielergebnis erzielte. Die Qualität des Films kann nicht dafür verantwortlich gemacht werden, denn „Halloween“ ist jenseits seiner handwerklichen Qualitäten ein inhaltliches Desaster, das die geniale Vorlage jeglichen Subtextes beraubte, nicht nur viele Darsteller, sondern auch die Stimmung tötete und die Geschichte auf einen irren Serienkiller herunterbrach, der nachts durch ein Städtchen voller Deppen streifte.

Damit wäre praktisch gesagt, was auch auf „Halloween Kills“ zutrifft, nur dass hier die Grenze zur inhaltlichen Debilität endgültig überschritten wird. Eigentlich wird sie sogar überrannt, bis sie - zusammen mit der Vorfreude des Zuschauers - zertreten am Boden liegt. Schon „Halloween“ litt unter einer Story, die nur in Ansätzen als solche zu erkennen war. Zum Teil ausgeglichen wurde dies durch die überdurchschnittliche Kamera und das Wiedersehen mit Jamie Lee Curtis, die nicht nur gegen Michael Myers, sondern auch gegen die Stereotypien ihrer tiefsinnig gemeinten, aber flach gezeichneten Rolle kämpfte. Dieser Bonus entfällt; tatsächlich treffen Laurie und Michael kein einziges Mal aufeinander!

Laurie und Michael gehen sich aus dem Weg

Stattdessen bleibt Curtis - die ohnehin erst in der 19. Minute auftritt - auf das Krankenhaus beschränkt, in das sie mit einer klaffenden Bauchwunde eingeliefert wurde. (Dass sie hin und wieder trotzdem wie ein Gummiball umherspringt, um anschließend wieder mit schmerzverzerrtem Gesicht zusammenzusacken, gehört zu den Logikschwankungen dieses Films.) Tatsächlich spielt Curtis nie die Haupt-, sondern nur eine (überflüssige) Nebenrolle. Hier zeigt sich das Manko einer nachträglich nur ansatzweise veränderten Hintergrund-Story: Ursprünglich plante Regisseur Green zwei „Halloween“-Filme, aber der Erfolg von „Halloween“ ließ daraus eine Trilogie werden, um noch mehr Geld zu scheffeln. Nun fehlt offensichtlich der Stoff für eine plausible Verlängerung der Story, der in ihrem Mittelteil willkürliche Handlungsepisoden eingeflickt werden.

Dazu gehört eine Sequenz, in der zur Jagd auf einen Pechvogel geblasen wird, den die aufgebrachten Bürger mit Michael Myers verwechseln. Green versucht dies in den Dienst einer Botschaft zu stellen, die er mit „Halloween Kills“ vermitteln möchte: Haddonfield leidet so intensiv unter einem Myers-Trauma, dass sich die Menschen in ihrer Angst selbst in mörderische Monster verwandeln. Das klingt genauso platt, wie es inszeniert ist. Zudem interessiert es niemand. „Halloween“ ist die Geschichte von Michael Myers - und von Laurie Strode, die hier durch eine Gruppe myersgeplagter Bürger ‚vertreten‘ wird. Zu Tochter Karen (blass: Judy Greer) und Enkelin Allyson (noch blasser: Andi Matichak) gesellen sich quasi sämtliche Überlebende aus der 1978er Version von „Halloween“; wo es möglich war, schlüpften sogar dieselben Darsteller in ihre alten Rollen: Sie sollen demonstrieren, wie präsent Michael immer noch in ihren Köpfen ist; erneut überflüssiges Wissen, zumal es nur im Entschluss gipfelt, dem Schrecken in US-Pioniertradition mit der Waffe in der Hand entgegenzutreten.

Wenn die Verfolger auf Michael treffen, stolpern sie über ihre eigenen Füße, flüchten stets dorthin, wo Michael auf sie wartet, oder jagen sich selbst eine Kugel in den Kopf, weil sie entweder zu dämlich sind, ihre Waffe in Richtung Michael abzufeuern bzw. diesen selbst aus einer Entfernung von weniger als einem Meter verfehlen. „Sitting Ducks“ nennt man solche Tölpel-Charaktere, die selbst in der Überzahl versagen, weil sie Michael stets nacheinander attackieren, statt ihm kollektiv das Fell zu gerben.

Schwerarbeit für einen Serienkiller

Wie soll Gemeinsamkeit auch entstehen, wenn man nur über Plattitüden kommuniziert und dies durch Blödheit im Handeln unterstreicht? Wird von einer der nach Michael ausschauhaltenden Patrouillen etwas Verdächtiges gesichtet, hält man den Wagen immer weit entfernt vom Ort des möglichen Geschehens an, um durch die Dunkelheit dorthin zu laufen, wo Michael mehr als genug Zeit bleibt, ein spezielles Willkommen für seine Häscher vorzubereiten.

Nicht, dass diesbezüglich Raffinesse nötig wäre: Stehen sie ihm gegenüber, erstarren Michaels ‚Gegner‘ zu Salzsäulen, um anschließend problemlos gekillt zu werden. Das Primärproblem scheint eher Michaels mögliche Überlastung zu sein: „Halloween Kills“ verdient seinen Titel nicht nur, weil dieser Film Spannung und Stimmung tötet, sondern auch aufgrund des beispiellosen Bodycounts: 28 Leichen bleiben zurück, bis die Schlusstitel einsetzen!

Natürlich könnte man argumentieren, dass genau dies der Sinn eines „Halloween“-Films ist: Michael Myers mordet - und das möglichst schmutzig, gemein und oft! Mehr ist da nicht; eine Erklärung für Michaels Existenz (oder seine Unsterblichkeit) kam nie über Ansätze hinaus. In dieser Hinsicht erfüllt Green sein Plansoll. Es wird so plakativ gemeuchelt wie selten im Horrorfilm der jüngeren Vergangenheit! Dies will man uns als Revival der „guten, alten Zeit“ - gemeint sind die 1970er und 1980er Jahre - verkaufen, als der „Slasher“-Film den bizarren Serienmord als Unterhaltungsinstrument zelebrierte. Doch das funktioniert nicht mehr und war auch nie der Treibriemen für John Carpenter. Zur Erinnerung: Im spannenden „Halloween“-Original von 1978 macht Michael nur vier Personen nieder. Die Atmosphäre einer schrecklich real gewordenen Halloween-Nacht und ein simples, aber klug konstruiertes Drehbuch waren wichtiger und wirkungsvoller als die Fließband-Morde in „Halloween Kills“.

Revival-Rattenschwänze

Wenn man jemanden loben möchte (oder kann), dann ist es wie 2018 Kameramann Michael Simmonds. Er weiß sein Arbeitsinstrument einzusetzen und so manchen Ofenschuss der Drehbuchautoren und des Regisseurs auszugleichen. Dass zum „Halloween“-Feeling das Spiel mit Licht und (Nacht-) Schatten gehört, hat Simmonds begriffen. Noch besser sind ihm jene Szenen gelungen, die im Jahre 1978 spielen. Obwohl mit modernster Technik aufgezeichnet, wirken diese Bilder überaus authentisch.

Tritt dann auch noch ein erstaunlich gutes Sam-Loomis-Look-a-Like auf (in sechs „Halloween“-Filmen Donald Pleasence verkörpert), fragt man sich, ob hier womöglich Filmschnipsel von einst Verwendung fanden. (Antwort: nein!) Simmonds hat klassische Kamerafahrten und -perspektiven übernommen. Auch die Farben und das Filmkorn - das es heute nicht mehr gibt und das deshalb digital nachempfunden wurde - lassen die Vergangenheit aufleben. Deshalb ist es doppelt schade, dass Green so wenig daraus gemacht hat; schon die in die Länge gezogene Eingangssequenz straft die Bildpracht Lügen.

Lieber legt Green abermals unzählige „easter eggs“ für „Halloween“-Nitpicker. Wer Unterhaltung als Suche nach Verweisen auf das Franchise definiert, wird auf seine Kosten kommen. Faktisch scheint Green dies wichtiger zu sein als die Geschichte, die er erzählen sollte. (Es gibt sogar Reminiszenzen an „Halloween II“ und „Halloween III“, die doch nicht Teil dieses Handlungsstrangs sein sollen.) Hätte er lieber mehr Hirnschmalz in ein plausibles Finale investiert! Stattdessen outet sich „Halloween Kills“ endgültig als überflüssiger Mittelteil einer Trilogie, die nun auf „Halloween Ends“ zusteuert. Dann sollen sämtliche offene Fragen - die Liste ist deprimierend lang - beantwortet werden. Aber will man nach „Halloween Kills“ wirklich noch wissen, was Green sich dazu aus dem Hirn gewrungen hat?

Fotos: © Universal Studios. All Rights Reserved.

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