Penny Dreadful: City of Angels

Serien-Kritik von Marcel Scharrenbroich / Titel-Motiv: © Paramount Pictures. Alle Rechte vorbehalten.

Stadt der Engel… und Teufel

Magda macht das schon…

Es herrscht Krieg. Und das nicht nur an einer Front. Wir schreiben das Jahr 1938 und befinden uns im brodelnden Los Angeles, der Stadt der Engel. Obwohl die dunkelsten Jahre der jüngsten Vergangenheit noch bevorstehen und es noch drei Jahre dauern wird, bis die Vereinigten Staaten durch den vorausgegangenen Angriff Japans auf Pearl Harbor in den Zweiten Weltkrieg eingreifen, wird der nationalsozialistische Hass bereits über den großen Teich gespült. Neben ausgewanderten Nazis, die ihre Propaganda öffentlich zur Schau stellen und durch die Straßen marschieren, herrscht ein offener Schlagabtausch zwischen lateinamerikanischen Einwanderern, die im Land der unbegrenzten Möglichkeiten vergeblich ihr Glück suchten, und den Ordnungshütern der Stadt, denen die meist mexikanisch-stämmige Minderheit ein Dorn im Auge ist. Die vielleicht größte Bedrohung stammt jedoch aus ganz anderen Sphären und spielt sich zudem nicht vor den Augen der Öffentlichkeit ab. Ein übernatürlicher Krieg, geprägt von Magie und düsterer Folklore. Die Auswirkungen dieses Aufeinandertreffens zwischen Licht und Schatten sind aber sehr wohl spürbar. Und sie heizen die unheilschwangere Stimmung in der Stadt nur noch mehr auf…

Auf der einen Seite steht Santa Muerte (Lorena Izzo), jene als Heilige verehrte Figur, die in der lateinamerikanischen Kultur als schützende Wächterin der Toten angerufen wird. Gläubige beten sie um Schutz und Beistand an. Ihr gegenüber steht Magda (Natalie Dormer). Ihre Schwester. Ein rabenschwarzer Engel, der das Schlechteste im Menschen zu wecken vermag. Magda sehnt genüsslich dem Ende der Menschheit entgegen, während Santa Muerte das Chaos in Form von Leichen, die ihre Schwester hinterlässt, im Sinne der Gläubigen einsammelt. Dabei sind es meist die Menschen selbst, die sich Unbeschreibliches antun. Magda reicht ein Flüstern, um in ihren Opfern die dunkelste Seite an die Oberfläche zu spülen. Sie ist eine Meisterin der Manipulation, die die schwachen Geister dort angreift, wo sie am verwundbarsten sind. Sie sucht die dunkle Stelle in vermeintlich reinen Herzen und kehrt sie nach außen. Außerdem ist sie eine Meisterin der Tarnung. Schleicht sich in die Leben der Leidtragenden ein. Stichelt. Ganz bewusst… bis die Lunte brennt und das Pulverfass namens Los Angeles detoniert.

So erschleicht sich Magda als vermeintlich hilfebedürftige Mutter in das Leben des deutschstämmigen Kinderarztes Peter Craft (Rory Kinnear). Der Vater von zwei Kindern, der in einer unglücklichen Ehe gefangen ist, verfällt der leidklagenden Elsa Branson unverzüglich und ahnt nicht, wen er sich mit der blonden Schönheit und ihrer Teufelsbrut ins Haus holt. Die angeblich aus Berlin stammende Elsa weiß hingegen genau, wen sie sich da ausgesucht hat. Craft ist kein Zufallstreffer, sondern Kopf einer rechtsradikalen Gruppierung, die das Dritte Reich öffentlich zur Schau stellt.

Doch die Agenten der Nazis sind ebenfalls nicht untätig. Diese haben großes Interesse daran, dass der geplante Bau einer Schnellstraße zügig voran geht. Dass wegen dieses Baus das Viertel der mexikanischen Einwanderer dem Erdboden gleichgemacht werden soll, gießt nur noch mehr Öl ins Feuer. Beide Seiten sind zum Äußersten bereit. Hier tritt Magda in Gestalt der biederen Rathaus-Mitarbeiterin Alex Malone auf, die ihren giftigen Blick zwar hinter dicken Brillengläsern versteckt, es aber mit gespaltener Zunge schafft, dass Stadtrat Townsend (Michael Gladis) mit den Nazis kooperiert, den Bau der Schnellstraße auf den Weg bringt und sogar auf das Präsidentenamt schielt.

Und in der Rolle der lasziven, bisexuellen, der Polygamie frönenden Rio bringt Magda als Anführerin der Pachucos - einer mexikanischen Jugendkultur, die sich komplett von der Gesellschaft abgrenzt - nicht nur die Tanzflächen der Nachtclubs zum Glühen, sondern ruft zudem noch zum bewaffneten Widerstand auf. Der manipulative Rotschopf wickelt zudem ihre männlichen Anhänger um den Finger, was zu weiteren Verwicklungen führt. Darin ist auch der junge Mateo Vega (Johnathan Nieves) involviert, der sich immer mehr von seiner Familie abwendet.

Zu dieser Familie gehört auch Tiago Vega (Daniel Zovatto). Detective Tiago Vega, denn der Bursche wurde kürzlich erst zum ersten mexikanisch-amerikanischen Polizisten des LAPD ernannt. So stolz ihn seine hart erarbeitete Karriere auch macht, so sehr stößt er seiner Familie damit vor den Kopf, sitzt er doch im Kampf zwischen Blut und Gesetz zwischen den Stühlen. So ist es auch nicht verwunderlich, dass er von seinen „lieben“ Kollegen abwertend behandelt und auf Grund seiner Herkunft sogar regelrecht schikaniert wird. Ein „Bohnenfresser“ hat in den Augen der korrupten und offen fremdenfeindlichen Saubermänner von Cops nichts verloren. Diese Herabwürdigung weckt Wut in Tiago. Aber auch seinen Kampfgeist. Er ist den steinigen Weg nicht ohne Hilfe hinaufgeklettert, um sich den verdienten Erfolg von rechten Arschlöchern schlecht reden zu lassen. Schon bald bekommt er die Chance, sich zu beweisen. An der Seite des alteingesessenen Haudegens Lewis Michener (Nathan Lane) bekommt er noch vor offiziellem Dienstantritt seinen ersten Fall zugeteilt. Und der hat es in sich:

In einem trockengelegten Kanal werden die grausam zugerichteten Leichen von vier Personen gefunden. Rituell ausgeweidet und geschminkt wie Abbilder der mexikanischen Heiligen der Toten: Santa Muerte. Im brodelnden L.A. der späten 30er wird es immer heißer… und das liegt nicht an der glühenden Sonne Kaliforniens.

„Penny Dreadful“. Ist das nicht die Serie mit…?

Ja. „Penny Dreadful“ war eine amerikanisch-britische Serie, von der zwischen 2014 und 2016 drei Staffeln produziert wurden, und in der Bond-Girl Eva Green, Josh Hartnett, Timothy Dalton, Billie Piper und Rory Kinnear zu sehen waren. Kinnear ist aber auch der einzige gemeinsame Nenner der beiden Serien. Gut, und Showrunner John Logan, der hinter den jeweiligen Projekten steht. Inhaltlich besteht aber kein Zusammenhang zwischen dem Gothic-Horror des ausgehenden 19. Jahrhunderts, in dem sich allerlei literarische Schwergewichte der Schauerliteratur trafen, und dem Fantasy-Drama, welches trotz des Schleiers des Übersinnlichen erschreckend nah an der Realität festhält. Besonders nach den Bildern, die uns Anfang 2021 aus den Vereinigten Staaten erreichten, bei denen bestimmt viele von uns im ersten Moment dachten, dass dort nur ein schlechter Film übertragen wird. „Black Lives Matter“ oder ein Büffelmann von Kirmes-Format erinnern uns aber immer wieder daran, dass die Menschheit noch viel zu lernen hat und zum Teil abstoßende Denkweisen gegenüber ethnischen Minderheiten an den Tag legt. Da legt „Penny Dreadful: City of Angels“ den Finger tief in die Wunde und ist auf traurige Weise noch aktueller, als es das Projekt wahrscheinlich noch zu Zeiten der Dreharbeiten war. Hier liegt eine große Stärke der Serie, die leider mit dieser Staffel auch schon wieder vorzeitig beendet wurde. Der US-Sender SHOWTIME bestellte auf Grund mangelnder Zuschauerzahlen keine zweite Staffel. Ob es an der falschen Erwartungshaltung der Fans lag? Wahrscheinlich spielte dies eine nicht ganz unwichtige Rolle, denn „Penny Dreadful“ kam beim Publikum durchaus gut an. Und weiter als mit „City of Angels“ konnte man sich vom Vorgänger nicht entfernen.

Nun kommt aber der Punkt, an dem ich eine Lanze für „City of Angels“ brechen möchte. Als Penny Dreadfuls wurden nämlich die Groschenromane des 19. Jahrhunderts bezeichnet. Oftmals seichte, in sich abgeschlossene Trivialliteratur in kostengünstiger Heftform. Unter diesem Aspekt macht es durchaus Sinn, sich thematisch komplett neu zu orientieren. Im Stil einer Anthologie-Serie, die sich wie die Formate „American Horror Story“, „Slasher“, „Channel Zero“ oder „The Terror“ nur den Titel teilt und inhaltlich mit jedem Lauf neu erfindet (auch wenn „American Horror Story“ mittlerweile Staffel-Handlungen wild ineinander würfelt). Wenn dieses Konzept vielleicht offener kommuniziert worden wäre und man die Erwartungen der Zuschauer nicht in Höhen geschraubt hätte, die kaum erreichbar wären, hätte „City of Angels“ womöglich ein längeres Leben in Aussicht gestellt werden können. Vollkommen verdient, denn die Serie ist sehr gut geschrieben und durchaus packend und atmosphärisch gefilmt. So bleiben den Zuschauern immerhin zehn Folgen, die durchaus Potential für weitere Staffeln hervorgebracht hätten.

Von der Couch unters Sauerstoffzelt

Kommen wir zum Highlight von „Penny Dreadful: City of Angels“: Natalie Dormer. Es ist ein offenes Geheimnis, dass ich beim Anschauen von „Casanova“, wo die Britin an der Seite von Heath Ledger ihr Filmdebüt gab, mit offenem Mund aus dem Sessel geplumpst bin, aber die (leider) kurzlebige Serie ist wirklich voll und ganz auf sie zugeschnitten… also kann ich dennoch unvoreingenommen urteilen. Als Gestaltwandlerin Magda schlüpft Dormer in gleich vier Rollen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, und doch stets ihren düsteren, diabolischen Charakter offenbaren. Vom teuflischen Vamp bis zur grauen Maus, ungeschminkt und gebückt schleichend, beherrscht die Darstellerin jedes Detail der jeweiligen Figur. Durchaus auch im englischen Originalton zu empfehlen, da Natalie Dormer als Elsa sogar deutsches Liedgut zum Besten gibt. Nach „Game of Thrones“, wo sie als Margaery Tyrell zu sehen war, Anne Boleyn in „Die Tudors“, der sehr gelungenen Serien-Adaption von „Picnic at Hanging Rock“ nach dem Roman von Joan Lindsay und dem großartigen Drama „The Professor and the Madman“ mit Sean Penn und Mel Gibson kann man fast schon sagen, dass die Schauspielerin auf historisch angehauchte Rollen abonniert ist. Doch auch im Thriller-Genre konnte sie mit „In Darkness“ voll überzeugen. Diesen produzierte sich nicht nur, sondern schrieb auch am Drehbuch mit. Wer Natalie Dormer nur als toughe Cressida aus den beiden „Mockingjay“-Filmen der „Tribute von Panem“-Reihe kennt, sollte durchaus mal einen Blick auf ihre anderen Projekte werfen… auch wenn der Zombie-Schnellschuss „Patient Zero“ nicht zur Königsklasse seines Genres gehört.

Ein weiterer Lichtblick ist der großartige Nathan Lane. Der amerikanische Musical-, Film- und Theater-Darsteller konnte im Laufe seiner langjährigen Karriere bereits einige Preise einsacken und dürfte dem breiten Publikum vor allem aus Komödien wie „The Birdcage“ oder „Mäusejagd“ bekannt sein, kann aber sehr wohl auch in ernsten Rollen überzeugen. Als Detective -Veteran mit jüdischen Wurzeln spielt Lane eindringlich und mit eindrucksvoller Gelassenheit, die so manchen Moment für Gänsehaut sorgt. Damit spielt er auch seinen Kollegen Daniel Zovatto mit Leichtigkeit an die Wand, der in seiner Rolle als Tiago Vega leider sehr blass und trotz Konfliktpotential recht eindimensional bleibt.

Auf den Briten Rory Kinnear, bekannt aus den Bond-Filmen mit Daniel Craig oder dem extrem starken Biopic „The Imitation Game“, ist hingegen Verlass. Sein Peter Craft ist trotz seiner indiskutablen Gesinnung überraschend vielschichtig angelegt. Die Jungdarsteller, in den Rollen von Crafts und Elsas Söhnen, überzeugen ebenfalls. Speziell eine Szene ist mir dabei lebhaft in Erinnerung geblieben… und das, obwohl ich selbst bei der heftigsten Horror-Keule problemlos wegschlummern kann.

Fazit:

Unterm Strich bleibt zu sagen, dass „Penny Dreadful: City of Angels“ durchaus Inhalt für weitere Staffeln geboten hätte. Darstellerisch größtenteils überzeugend, ist es vor allem der wandlungsfähigen Hauptdarstellerin zu verdanken, dass die brisante, hochexplosive Story, die erschreckend nah am Puls unserer Zeit ist, so gut funktioniert. Die aus zehn Folgen bestehende Serie ist von UNIVERSAL ausschließlich im DVD-Format veröffentlicht worden und verteilt sich auf vier Silberlinge. Im Bonusmaterial gibt es eine „Einführung“ in die Serie, „Die vielen Gesichter Magdas“, ein Special über den „Tanz“ und „Der Teufel steckt im Detail“.

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