Star Wars: Obi-Wan Kenobi

Serien-Kritik von Marcel Scharrenbroich / Titel-Motiv: © Disney

Quer durch die Galaxis… und die Wertungs-Skala

Order 22

Dafür, dass man im Hause DISNEY nach dem deutlich hinter den Erwartungen zurückgebliebenen „Solo: A Star Wars Story“ eigentlich auf die Bremse treten wollte, was Spin-offs der beliebten Spaceopera betrifft, ist erstaunlich viel los in der weit, weit entfernten Galaxis. 2019 erklärte man die Skywalker-Saga mit dem neunten Film „Der Aufstieg Skywalkers“ offiziell für beendet. Wie wir mittlerweile wissen, machten nicht gerade wenige Fans drei Kreuze, nachdem die gesamte letzte Trilogie mit erheblichen Schwächen und vielen Aufs und Abs zu kämpfen hatte. Deshalb wollte man möglichst von Altlasten befreit in die Zukunft schauen und sich für kommende Filme nicht nur von allen altbekannten Charakteren verabschieden, sondern gleich in eine entfernte, noch unerschlossene Timeline hüpfen. Viel mehr hat sich seitdem auch nicht getan, was eine Weiterführung des Franchises auf der Kinoleinwand betrifft. Für den frisch an den Start gegangenen hauseigenen Streamingdienst DISNEY+ legte man aber noch 2019 los.

Mit „The Mandalorian“ servierte man einen lupenreinen Space-Western in Ferienform, welcher trotz Jedi-Lücke deutlich mehr Star Wars war als alles, was man die Jahre zuvor zu sehen bekam. Nicht zuletzt wegen Klein-Grogu, dem knuffigen Abkömmling der Yoda-Familie, der gerne bei riskanten Flugmanövern blaue Kekse kotzt, ins Fettnäpfchen tritt, wenn er mal wieder mit seinem Essen spielt, und außerdem eine starke Affinität zur Macht hat. Ein Jahr später folgte wenig überraschend eine zweite Staffel, womit das Entfernen von Skywalker & Co. aber schon wieder über den Haufen geworfen wurde. Da die Serie nur fünf Jahre nach den Ereignissen von „Episode VI: Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ spielt, war es wohl unvermeidbar, dass uns eine digital verjüngte Hauptfigur der Ur-Trilogie nochmals über den Weg läuft. Man ging aber noch einen Schritt weiter und kramte den bis dato mysteriösen Kopfgeldjäger Boba Fett aus.

Diese geheimnisvolle Figur entzauberte man dann 2021 mit dem eigenen Serien-Ableger „The Book of Boba Fett“ komplett. Ich war maßlos enttäuscht, wie man so einen Fan-Liebling derart vor die Wand brettern kann. Tatsächlich wurde der frisch zum Crime-Lord aufgestiegene Boba von hinten bis vorne verarscht… und zwar von jedem, der einen Fuß in seine neu bezogene Behausung setzte. Kohle und Einfluss ohne Ende, aber keinen Plan, wie man mit beidem umgeht. Quasi der Robert Geiss von Tatooine. Ohne Hilfe hätte er wahrscheinlich nicht mal die erste Folge seiner eigenen kläglichen Serie überlebt. Welch langweiligen Kram uns die Drehbuchautoren da auftischten, fiel scheinbar auch in der Chefetage auf. Denn mit Folge 5 kehrte Din Djarin, der „Mandalorianer“, im Hause Fett ein und riss die letzten drei Episoden an sich.

Anfang 2023 soll es dann mit der offiziellen dritten Staffel von „The Mandalorian“ weitergehen, die „The Book of Boba Fett“ bereits vorbereitete. In der zweiten „Mando“- Staffel wurde ebenfalls eine Figur eingeführt, die Fans bisher nur in animierter Form kannten: Ahsoka Tano. Die von Rosario Dawson verkörperte Figur kam so gut an, dass mit „Ahsoka“ 2023 gleich ein eigenes Serien-Spin-off folgt. Noch 2022 wird aber mit „Andor“ ein weiterer bekannter Charakter zu Streaming-Ehren kommen. Cassian Andor, gespielt von Diego Luna, kennen wir schon aus dem hervorragenden „Episode IV“-Prequel „Rogue One: A Star Wars Story“. Angeblich soll es sich dabei nicht um eine Limited Series handeln, sondern ähnlich wie „The Mandalorian“ über mehrere Staffeln gehen. Somit bekommt das „Eine neue Hoffnung“-Prequel also sein eigenes Prequel. Ja, ich weiß… Durchblick ist alles.

Um die DISNEY-Version des Spruchs „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern“ aber noch zu untermauern, holte man 2022 den guten Obi-Wan noch mal aus dem Exil. Die von vielen verhasste Prequel-Trilogie - umfasst die Episoden I (1999) bis III (2005) - sollte fortgesetzt werden und die Lücke zu „Episode IV“ bzw. zu den Ereignissen in „Rogue One“ etwas schrumpfen lassen. Ob man darauf nun sehnlichst gewartet hat, sei mal dahingestellt, aber dazu später mehr. Und darum geht es im Sechsteiler „Obi-Wan Kenobi“:

Leia Organa feat. Ben K.

Durch die folgenreiche Ausführung der Order 66 wurde der Jedi-Orden auf ein Minimum dezimiert, während das Imperium unter der Führung von Imperator Palpatine (Ian McDiarmid) mit harter Hand regiert. Obi-Wan Kenobi (Ewan McGregor) hat sich ins Exil verabschiedet, wo er auf dem Wüstenplaneten Tatooine aus sicherer Entfernung ein wachsames Auge auf den Skywalker-Sprössling Luke (Grant Feely) werfen kann. Dieser wurde nämlich nach dem Tod von Padmé Amidala (siehe „Episode III: Die Rache der Sith“) in die Obhut des Farmers Owen Lars (Joel Edgerton) und seiner Gattin Beru (Bonnie Piesse) gegeben, wo er vor dem Imperium (und seinem leiblichen Vater Anakin, welcher sich der dunklen Seite der Macht verschrieb) in Sicherheit geglaubt wird.

Ähnliches tat man bei Lukes Zwillingsschwester Leia (Vivien Lyra Blair). Im Gegensatz zum Wüsten-Bengel wächst die kleine Madame aber in angesehensten Kreisen auf. Bail Organa (Jimmy Smits), der Senator von Alderaan, und seine Frau Breha (Simone Kessell) versuchen händeringend, den kleinen Freigeist zu bändigen, beißen aber immer wieder auf Granit. Leia büxt nach Lust und Laune aus den piekfeinen Gemächern aus, um die Natur zu erkunden. Einmal zu oft, denn bei einem weiteren Ausflug wird sie kurzerhand entführt. Die Entführer handeln im Auftrag der Inquisitoren, den obersten Handlangern von Darth Vader (Hayden Christensen). Die Inquisitoren - bestehend aus der Dritten Schwester Reva (Moses Ingram), der Vierten Schwester (Rya Kihlstedt), dem Fünften Bruder (Sung Kang) und angeführt vom Großinquisitor (Rupert Friend) – jagen die letzten verbliebenen Jedi. Besonders verbissen agiert Reva, die es sich zur Hauptaufgabe gemacht hat, Obi-Wan zur Strecke zu bringen. Allerdings verfolgt sie noch ganz andere Ziele, für die sie skrupellos über Leichen geht. Die Entführung Leias soll die letzten Jedi aus ihren Verstecken locken, was zugegebenermaßen ganz gut funktioniert. Bail Organa kontaktiert nämlich seinen alten Freund Obi-Wan, der sich mittlerweile nur noch Ben nennt, um das Prinzesschen zu finden und zurückzubringen. Möglichst in einem Stück.

Der erste Teil des Plans gelingt noch ziemlich unfallfrei, doch die eigenmächtig agierende Reva hat Lunte gerochen und heftet sich an die Fersen der Flüchtigen. Wieder auf der Bildfläche erschienen, dauert es nicht lange, bis auch Lord Vader seinen einstigen Lehrmeister Obi-Wan wittert. Nach der letzten folgenschweren Begegnung auf Mustafar (ebenfalls „Episode III“) hat der Sith-Lord noch ein Hühnchen mit dem einstigen Freund zu rupfen (ihr wisst schon: abgekokelte Beinchen, paar Brandbläschen im Gesicht usw.). Eine Konfrontation scheint unausweichlich.

Oda-Bei Obi

Die sechs Folgen von „Obi-Wan Kenobi“ waren für mich die reinste Achterbahnfahrt. Das Wiedersehen mit Ewan McGregor fängt recht erwartungsvoll an, und sowieso ist es immer eine Freude, den schottischen Mimen („Trainspotting“, „Freeze“, „Stay“, „Der Ghostwriter“) bei der Arbeit zuzusehen. Zur Einstimmung gibt es noch mal einen kurzen Abriss der Prequel-Trilogie, um möglichst sanft in die Fortführung zu gleiten. „Episode III“ hat ja mittlerweile bereits siebzehn Jährchen auf dem Bantha-Buckel. Recht schnell wird aber klar, dass es hier hauptsächlich um die junge Leia geht. Obwohl diese eigentlich bestens aufgehoben sein sollte und Obi-Wan eher ein Auge auf Luke zu werfen hätte, turnen die beiden erstaunlich viel als ungleiches Duo durch die Galaxis. Wollte ich das unbedingt sehen? Eher nicht, zumal die altkluge Mini-Prinzessin stets die Richtung vorgibt und die eigentliche Hauptfigur schnell zum väterlichen Sidekick degradiert wird.

Die Story um die Inquisitorin Reva winkt hingegen schon aus der Ferne, was die Offensichtlichkeit ihrer Motivation angeht. Sie beschreitet einen ganz eigenen Weg (mit durchaus fragwürdigem Gerechtigkeitssinn), den man als Zuschauer aber nur schwer bis überhaupt nicht nachvollziehen kann. Daraus ergeben sich dann Story-Schwächen, die man mühelos hätte kaschieren können, wenn den Discounter-Drehbuchautoren die Geschichte nicht scheinbar am Allerwertesten vorbeigegangen wäre. Charakterzeichnung aus der Hölle! Warum Reva schlussendlich so handelt, wie sie es zum Abschluss tut, tritt jeder Logik von hinten in Beine. Es macht schlicht und einfach keinen Sinn. Null. Außer… hinter den Kulissen wird an einem weiteren Spin-off geschraubt. So könnte man vielleicht ihre Entwicklung in „Obi-Wan Kenobi“ noch halbwegs nachvollziehen, jedoch nicht ihre sinnbefreiten Handlungen.

Außerdem hält Kollege Zufall oft als Retter in der Not her. Und obendrein kennt die Dummheit einzelner Figuren manchmal keine Grenzen, wenn es um das Ausplaudern brandheißer Informationen geht. Da werden im Beisein dutzender Sturmtruppen wichtige Geheimnisse ausgewalzt, der Standort von Luke wird unverschlüsselt ausposaunt und so weiter und so fort… Im Eiltempo werden neue Charaktere eingeführt, welche nach nur wenigen Szenen aber schon wieder das Zeitliche segnen. Die Show suggeriert dann, dass wir Betroffenheit empfinden sollten, obwohl uns diese unbekannten Figuren nicht mal ansatzweise nahgebracht wurden… und es uns ergo komplett am Arsch vorbeigeht, ob sie nun zu Staub zerbröseln oder über den Haufen geschossen werden. Ruhe in Frieden, Wade. Warst ein Guter… wahrscheinlich. Wir werden es nie erfahren… hoffentlich.

Mit einer Gesamtlaufzeit von ungefähr viereinhalb Stunden ist einfach zu wenig Platz für lange Geplänkel oder ausgefeilte Charaktere. Das Nötigste wird einem als Zuschauer rasch vor den Latz geknallt, bevor es weiter im Text geht. Der Tiefpunkt ist mit Episode 4 erreicht, wo manche Szenen haarscharf am Slapstick vorbeibrettern, bevor es noch mal aufwärts geht und das Finale erfreulicherweise Einiges rausreißt. Dann spitzt sich nämlich der noch immer andauernde Konflikt zwischen Obi-Wan und Darth Vader zu. Und wenn wir mal ehrlich sind, ist es doch das, was wir alle sehen wollen: ein erneutes Aufeinandertreffen zwischen Lehrer und Schüler. Dazu kommt es dann auch… mehrfach. Definitiv die Highlights der gesamten Serie. Besonders deshalb, weil Anakin Skywalker-Darsteller Hayden Christensen (aus den Episoden II und III) röchelnd unter dem schwarzen Helm steckt. An diesen Punkten trumpft „Obi-Wan Kenobi“ effekttechnisch am besten auf, was zusätzlich durch die Musik und den perfekten Einsatz von Lichteffekten unterstrichen wird. Leider sind das nur wenige Lichtblicke, da selbst der Einsatz von Reminiszenzen und die fast schon obligatorischen Gastauftritte zu offensichtlicher Fan-Service sind und nicht über die inhaltlichen Schwächen hinwegtrösten. DISNEY arbeitet sich förmlich durch eine Blaupause und hakt Punkt für Punkt auf der Das muss rein-Liste ab. Am Grundgerüst lässt sich auch wenig rütteln, da der Bau schon zwischen 1977 und 1982 mit der „Star Wars“-Ur-Trilogie fertiggestellt wurde. O-Ton-Gucker haben aber den Vorteil, dass sie den immer grandiosen James Earl Jones („Conan der Barbar“, „Die Stunde der Patrioten“, Stimme von Mufasa in „Der König der Löwen“) erneut als Darth Vader hören können. Um Welten besser als die gewöhnungsbedürftige deutsche Vertonung des leidenschaftlichen Helm-Trägers.

Ach ja, und die Sturmtruppen schießen noch beschissener als in den 70ern!

Fazit

Große Spannung will bei der langerwarteten Rückkehr von „Obi-Wan Kenobi“ leider nicht aufkommen. Die alten Filme engen den Handlungsspielraum dafür zu sehr ein. Wie der Zwist zwischen Obi-Wan und Vader endet, ist seit den 70ern bekannt, dazwischen gibt es viel Fan-Service und nur ansatzweise gute Star Wars-Unterhaltung mit zu vielen Schwächen. Auch wenn es im Finale ordentlich Gänsehaut gibt und manch starke Szene für vorangegangenen Mumpitz entschädigt, ist man von der innovativen Klasse eines „Mandalorian“ Lichtjahre entfernt.

Wertung: 6

Bilder: © Disney

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