Underwater - Es ist erwacht
Film-Kritik von Michael Drewniok

Aliens in the Abyss

Im Jahre 2050 ist die Technik so weit fortgeschritten, dass auch auf dem Grund der Ozeane nach wertvollen Bodenschätzen gebohrt werden kann. Der „Tian“-Konzern betreibt sogar auf dem Grund des Marianen-Grabens, d. h. in 11 km Tiefe, mehrere Stationen, die dem gewaltigen Wasserdruck in der Regel trotzen. Auf wirklich starke Seebeben ist man allerdings nicht vorbereitet. Station Kepler wird fast völlig zerstört; die Reststruktur so stark beschädigt, dass sie das Tiefseewasser binnen kurzer Zeit wie eine alte Blechdose zerdrücken wird.

Wer von der Besatzung nicht sofort umkam, ist in eine der Fluchtkapseln gesprungen und an die Oberfläche getaucht. Einige Pechvögel sind zurückgeblieben: Stationschef Lucien, Maschineningenieurin Norah, Biologin Emily und die Arbeiter Paul, Liam und Rodrigo. Niemand wird kommen und sie retten, und Kepler steht vor dem Kollaps. Die einzige Chance der Überlebenden liegt in der Flucht zur Station Roebuck, die allerdings eine Meile entfernt auf dem Meeresboden liegt. Dorthin müssen die Männer und Frauen buchstäblich laufen, wobei keineswegs feststeht, dass die für eine solche Tour nicht vorgesehenen Tauchanzüge dies aushalten werden; eine Sorge, die sich bestätigt, als Rodrigos Helm birst und der Druck ihn püriert.

Im Wettlauf mit der Zeit macht sich die geschockte Restgruppe auf den langen Weg. Es ist dunkel, der Sauerstoff wird knapp, und es regnet Trümmer, als sich Kepler in ihre Bestandteile auflöst. Schwerer wiegt jedoch die Entdeckung, dass man nicht allein in der Tiefe ist: Perfekt an den Druck angepasste, sehr feindselige Geschöpfe lauern den Überlebenden auf, deren Zahl stetig auf spektakuläre Weisen abnimmt.

Endlich erreichen die Letzten der Gruppe die Roebuck-Station. Dort eröffnet sich zwar die ersehnten Rückkehr zur Oberfläche, wartet aber auch die Erkenntnis, was tatsächlich den Untergang verursacht hat: Die Meuchel-Wesen sind nur die Brut einer gigantischen Kreatur, die erwacht und fest entschlossen ist, auch den letzten menschlichen Störenfried zu erwischen …

Wiedersehen mit alten Bekannten

Wenigstens in einer Hinsicht ist „Underwater“ etwas Besonderes: Dies ist der letzte Film, der unter dem Label „20th Century Fox“ entstand, bevor das 1935 entstandene Studio von Disney geschluckt wurde. „Underwater“ gehörte zur ‚Erbmasse‘; die Dreharbeiten fanden bereits Anfang 2017 statt, der fertige Film lag drei Jahre auf Eis, bis die Übernahmemodalitäten mit Disney geklärt waren und er endlich in die Kinos kam. Dort stieß er auf wenig Begeisterung. Schlimmer noch: Er spielte nur 40 Mio. Dollar ein, was übel ist für einen Film, der in der Produktion die doppelte Summe gekostet hatte. „Underwater“ wird sich trotzdem rentieren, denn eigentlich ist dies ein Film, der ohnehin für das boomende Heimkino tauglicher erscheint.

Wir erhalten Genrekost reinsten Wassers. Der große Pluspunkt ist die Konsequenz, mit der sie uns serviert wird. Normalerweise würde ein Film dieser Größenordnung eine längere Einleitung bieten, um uns mit dem Schauplatz, den Figuren und vor allem mit deren Privatproblemen vertraut zu machen = Bedeutungsschwere simulieren. Ein solcher Einstieg war ursprünglich auch für „Underwater“ geplant, und diverse Szenen wurden auch gedreht. Regisseur William Eubank war gut beraten, sie nach ablehnenden Reaktionen eines vorab zu Rate gezogenen Testpublikums zu schneiden. Man vermisst sie jedenfalls nicht: Was die Figuren bedrückt, erfahren wir nebenbei, während sie flüchten und gegen Monster kämpfen. Wirklich interessant ist es sowieso nicht.

Stattdessen sind wir (angenehm) überrascht, weil die Handlung nach wenigen Minuten vehement einsetzt. Sie bietet zwar selbst für Zuschauer, die nur die Filme „Alien“ und „Abyss“ kennen, keine Überraschungen, ist aber allemal unterhaltsam und erfreut durch den Verzicht auf das auch im Action-Kino pestilenzhaft um sich greifende Herzeleid & Händeringen - dies auch deshalb, weil die Story von „Underwater“ solche Zwischentöne weder tragen könnte noch benötigt.

Rennen & raufen

Selbst ein auf das Geschehen (und Spezialeffekte) zentrierter Film gewinnt durch echte Schauspieler. „Underwater“ ist gut besetzt, obwohl kritische Zuschauer dieses Prädikat eher Vincent Cassel als Kristen Stewart zubilligen werden. Letztere hat das Pech, Hauptdarstellerin einer Filmserie zu sein, die vor gar nicht so langer Zeit das Publikum scharenweise in die Kinos lockte. Heute leugnen selbst jene, die damals ganze Bündel durchgeweinter Papiertaschentücher hinließen, die Sichtung der fünf „Twilight“-Filme, die zwischen 2008 und 2012 in der Tat zu den üblen Auswüchsen der Hollywood-Historie gehörten. Stewart gab die zwischen Vampir-Säftel Edward und Werwolf-Honk Jacob schmachtete Bella, wurde berühmt, reich - und von denen, die solchen Schnulzen-Horror hassten, persönlich für das Entstehen dieser Filme haftbar gemacht und für alle Zeiten verdammt.

Dabei ist Stewart trotz ihrer Jugend eine erfahrene Schauspielerin, die in ihren Rollen ein breites Spektrum abdeckt. In „Underwater“ gibt es keinen Edward (bzw. ist er schon tot). Mit raspelkurzem Haar (aber weiterhin waschbärenhaft geschminkten Augen, die ungünstig deren enges Zusammenstehen betonen) gibt Stewart die Ripley, stürzt sich unerschrocken (und sichtlich fit, was wir wissen, weil sie außerhalb des Tauchanzugs textil nur notdürftig umhüllt ist) in immer neue Trümmerlandschaften, rettet schlappes Mannsvolk und lehrt die Tiefsee-Getüme Mores. Höchstens Cassel kann mithalten, während die Rollen der übrigen Figuren flach gezeichnet sind und gern ins Klischee abgleiten; Aufwand lohnt hier nicht, da sie ohnehin meist Monsterfutter werden.

Auf darstellerische Tiefe ist die Handlung aber wie gesagt nicht ausgelegt. Es gilt von A nach B zu kommen, wobei sich auf dieser Strecke Hindernisse auftun, die möglichst unterhaltungsstark (aber nicht zwingend logisch) überwunden werden müssen. „Underwater“ geht es zügig voran, weshalb sich auch das ebenso spektakuläre wie tragische Finale nicht in die Länge zieht.

Sieh mal, wer da killt!

Mit einem Budget von 80 Mio. Dollar muss man sich in einer Ära weit fortgeschrittener Spezialeffekte nicht lumpen lassen. Die Kulissen sind sowohl analog als auch digital großzügig, die enorme Tiefe des Schauplatzes wird ebenso überzeugend vermittelt wie die Allgegenwart des Wassers, das hier weniger erstickt als zermalmt - dies im wahrsten Wortsinn, wie wir mehrmals beobachten können. Zwar ist es heute nicht mehr notwendig, tatsächlich unter Wasser zu drehen, weil genannte Technik es ermöglicht, dessen Anwesenheit zu ‚simulieren‘. Dies ist für die Schauspieler auch deshalb vorteilhaft, weil es die Gefahr reduziert. Regisseur Eubank ließ Stewart & Co. dennoch mehrfach auf echte Tauchstation gehen. Ohnehin wurde Wert auf Körpereinsatz gezeigt, was weiterhin überzeugender ist als digitale Tricks.

In Sachen Seespuk lehnt sich Eubank weiter aus dem Fenster als notwendig; er bürdet seiner Geschichte eine Last auf, die sie nur bedingt tragen kann. Dem Audiokommentar lässt sich entnehmen, was der versierte Phantastik-Fan schon ahnte: Der gierige „Tian“-Multi bohrt ausgerechnet das mystische R’lyeh an - jenes Reich, in dem träumend und tot, aber gleichzeitig quicklebendig Cthulhu liegt. Er ist einer der „Großen Alten“, die der Schriftsteller H. P. Lovecraft (1890-1937) schuf, und gehört als solcher zu einer Schar kosmischer Entitäten, die einander seit Urzeiten bekämpfen, wobei die Erde nur einer der Schauplätze dieses Krieges ist.

Cthulhu hatte Pech und wurde besiegt sowie verbannt. Seit Äonen versucht er die Siegel zu brechen, die ihn in R’lyeh festhalten. Gänzlich machtlos ist er nicht, denn er kann verschiedene Wesen ausschicken, die in seinem Sinn handeln. Norah und ihre Gefährten lernen diese Kreaturen kennen, bevor sich Cthulhu schließlich selbst die Ehre gibt. Lovecraft sorgte dafür, dass dessen Übermacht nie in Zweifel gezogen wurde. Eubank (und seine Drehbuchautoren Duffield und Cozad) bevorzugen die US-amerikanische Sicht: Was lebt, kann beschossen oder in die Luft gejagt werden! Also hat der gigantische Cthulhu gegen die schmächtige Norah nicht wirklich eine Chance … Das daraus resultierende Finale bestätigt das Urteil einer von Originalität gänzlich freien, aber dennoch vergnüglichen, weil routiniert gefilmten und gemimten Action-Grusel-Hatz.

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Underwater - Es ist erwacht

  • Originaltitel: Underwater
  • Regie: William Eubank
  • Drehbuch: Brian Duffield u. Adam Cozad
  • Kamera: Bojan Bazelli
  • Schnitt: Todd E. Miller, Brian Berdan u. William Hoy
  • Darsteller: Kristen Stewart (Norah Price), Vincent Cassel (Captain Lucien), T. J. Miller (Paul Abel), Jessica Henwick (Emily Haversham), John Gallagher Jr. (Liam Smith), Mamoudou Athie (Rodrigo Nagenda) u. a.
  • Label/Vertrieb: 20th Century Fox Home Entertainment
  • Erscheinungsdatum: 20.05.2020
  • Bildformat: 16 : 9 (2,40 : 1, anamorph) Audio (DVD/Blu-ray): Deutsch, Italienisch, Englisch, Französisch, Spanisch/DTS-HD Master Audio 7.1 (Englisch), DTS 5.1 (Deutsch, Französisch, Spanisch, Italienisch, Mandarin, Dolby Digital 2.0 Stereo (Audiokommentar - Englisch) Untertitel (DVD/Blu-ray): Deutsch, Französisch, Italienisch, Niederländisch, Spanisch/Deutsch, Englisch für Hörgeschädigte, Chinesisch, Dänisch, Finnisch, Französisch, Italienisch, Niederländisch, Norwegisch, Schwedisch, Spanisch, Audiokommentar (Englisch) Typ: 1 x DVD-9 (Regionalcode: 2)/DL (Double Layer) 50 GB (Blu-ray)
  • Länge: 95 min.
  • FSK: 16
  • Extras: - Audiokommentar mit Regisseur William Eubank, Associate Producer/Konzeptzeichner Jared Purrington u. Philip Gawthorne - erweiterte bzw. entfallene Szenen (15 min.) - Häschen-Montage (3,5 Min.)* - Making-of [Design (18 min.), Produktion (20 min.), Creature u. Visual Effects (20 min.)] - Original-Kinotrailer * ‚Mitglied‘ der Gruppe ist auch ein Stoffhase, der in manchen Szenen von einem echten Nager gemimt wird.

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