Mark Z. Danielewski

11.2007 Mark Z. Danielewski ist in Deutschland, um sein Buch Das Haus vorzustellen, ein 800 Seiten dicker intelligenter Horrorroman über ein Haus, das innen größer als außen ist. Auf der Buchmesse hat sich Mark eine Erkältung geholt, die er beim Gespräch mit heißen Tee und heißer Schokolade abwechselnd bekämpft. Ansonsten aber sehr gut gelaunt, charmant und professionell stellt er sich unseren Fragen im Foyer einen kleinen Kölner Hotels. Ganz offensichtlich liebt er seine Arbeit!

Wenn man den Film sehen will, soll man das Buch lesen!

Phantastik-Couch:
Ihr Buch "House of Leaves" kam vor sieben Jahren in der USA heraus. Die deutsche Übersetzung "Das Haus" wurde gerade veröffentlicht. Wie fühlt es sich an, dafür auf Lesereise zu sein und über das "alte" Buch zu sprechen?

Mark Z. Danielewski:
Es ist seltsamerweise für mich nicht wirklich alt. Es kam in fast einem Dutzend Sprachen heraus, darum habe ich mich eigentlich ständig damit beschäftigt. Für diese Lesereise wurde ich gebeten einige Ausschnitte zu lesen. Als ich mir "das Haus" deswegen wieder zu Gemüte führte fand ich eine Stelle die prophetisch für das Buch war, das ich danach geschrieben habe. Für mich gibt es immer noch diese Augenblicke großer Entdeckungen in diesem Buch, das ich so gut kenne und das "alt" ist, aber irgendwie immer noch in meiner Vorstellungskraft lebt.

Phantastik-Couch:
Was halten Sie von Lesungen? Tragen Sie gern Ihr Werk vor?

Mark Z. Danielewski:
Ja, es macht mir Spaß. Es gibt der ganzen Sache einen neuen Touch. Aber mir ist auch klar, dass laut Vorlesen etwas völlig anderes ist, es ist ja eine Art Aufführung. Es ist einfach nicht das Gleiche als wenn man allein ein Buch liest, spät nachts, mit nur einer brennenden Lampe und in eine Welt eintaucht, die vollkommen jenseits deines Sofas und deiner vier Wände liegt - jenseits der Grenzen deines kleinen Bootes.

Phantastik-Couch:
Wie kamen Sie auf die Idee für "Das Haus”?

Mark Z. Danielewski:
Es war ein langer Prozess. Ich schrieb im Grunde genommen drei Jahre lang Skizzen, Gedichte und Essays. Eins ging um eine Familie, eins um einen Ich-erzähler und eine Serie von Essays handelte davon, wie man Text selbst einsetzen kann. Kurz nachdem mein Vater starb, 1993, kam mir die Idee des Hauses, das innen einen halben Zentimeter größer ist als außen. Mir wurde klar, dass die Familie in diesem Haus wohnt und ein junger Typ ihre Geschichte entdeckt. Die Essays über die semantische Verwendung von Text kamen ins Spiel, denn schließlich geht es um ein Haus, das sich ausdehnt und bewegt. Ich nutzte die beschriebenen Techniken: Ich platzierte den Text wo ich wollte, drehte ihn um. Die letzten sieben Jahre fügte ich all das nach und nach zusammen.

Phantastik-Couch:
Was es Ihnen von Anfang an klar, dass "Das Haus" ein Buch werden würde?

Mark Z. Danielewski:
Ja, weil ich immer geschrieben habe. Ich habe mich schon immer fürs Bücherschreiben interessiert. Mit zehn schrieb ich meine erste Geschichte. Ich ging zur Uni, um etwas zu studieren, das mir helfen würde, einen Roman zu schreiben. Ich habe meinen Abschluss in Literatur gemacht. Ich studierte in Berkeley Latein, um mein Sprachverständnis zu verbessern. All das, weil ich vor hatte Romane zu schreiben.

(Danielewski zeigt auf seine rechte Handfläche) Sehen Sie, das ist meine Schicksalslinie, genau hier. Das ist einer der Gründe, warum ich immer daran geglaubt habe, dass ich vom Schicksal dazu bestimmt bin, weil die Linie so stark und ausgeprägt ist. Aber genauso wie sie auf ein bestimmtes Schicksal hinweist, zeigt sie auch, dass meine Zukunft nicht frei wählbar ist.

Phantastik-Couch:
Teile des Buches hatten Sie vorab im Internet veröffentlicht. Erzählen Sie uns davon?

Mark Z. Danielewski:
In vielerlei Hinsicht hätte es das Buch nicht ohne das Netz gegeben. Ich veröffentlichte es im Internet, das was 1998. Damals war es schon eine große Sache ein PDF daraus zu machen und es hochzuladen. Es war ja noch die Zeit als man sich mit einem Akustikkoppler einwählte. Die Adresse der Website habe ich auf Visitenkarten gedruckt, bin damit in Buchläden gegangen und habe sie heimlich in Bücher gelegt, die ich mochte. Ich hoffte, dass Leute neugierig werden und sich die Internetseite ansehen würden. Und wirklich, schließlich gab es eine kleine Gruppe Leute, die das Buch online gelesen hatten.

Phantastik-Couch:
Was für eine Rolle spielt das Internet heute für Sie und Ihre Arbeit?

Mark Z. Danielewski:
Für meine letzten Bücher habe ich unglaublich viel online recherchiert. Aber eine Geschichte beginne ich immer nur mit einem Stift und einem Blatt Papier, ohne jede Technik. Die Geschichte durchläuft sozusagen alle Entwicklungsstadien. Sie startet mit Stift und Papier, dann kommt sie in den Computer, zum Schluss benutze ich Spezialsoftware. So gehe ich vor.

Phantastik-Couch:
"Das Haus" hat unglaublich viele Fußnoten und Querverweise. Haben Sie jemals darüber nachgedacht den Roman als Hypertext zu verwirklichen?

Mark Z. Danielewski:
Na ja, sogar damals, als ich das Buch ins Internet brachte war mir klar, dass das endgültige Buch völlig anders sein würde. Man kann die vertikal gesetzten Fußnoten, die Buchseite selbst, nicht auf einem Bildschirm begreifen, nicht die Tiefe des Buches verstehen. Man könnte nicht so schnell das eigentliche Umblättern der Seiten und solche Dinge erleben. In vielerlei Hinsicht existiert das Buch als ein dreidimensionales Objekt und daher ist es absolut ungeeignet für das Internet.

Phantastik-Couch:
Wird "Das Haus” verfilmt werden?

Mark Z. Danielewski:
Ich bekomme jedes Jahr 300 Angebote. Ich bin schlichtweg nicht interessiert. Es ist ein Buch über die Vorstellungskraft. Es ist ein Buch der Andeutungen, das Bereiche nur mit Hilfe der eigenen Fantasie beleuchtet. Ich bin nicht gegen visuelle Medien, aber das Format Film wird so sehr durch Kooperationen bestimmt und die Rechte eines Films. Auf eine gewisse Art tötet es so die Idee. Es versteinert sie. Ich könnte mir eine visuelle Umsetzung in Youtube vorstellen. Da könnte es unzählige winzige Bruchstücke geben, die man selbst zusammen setzen müsste. Vielleicht müsste man selbst auch die Reihenfolge der Clips festlegen. Aber ein richtiger Film, nein. Wenn man den Film sehen will, soll man das Buch lesen!

Phantastik-Couch:
Ihr Buch wird mit Filmen wie "Blair Witch Project” verglichen. Hat der Film Sie beeinflusst?

Mark Z. Danielewski:
Nein, das Buch war fertig als der Film raus kam. Aber "Blair Witch Project" war ein glücklicher Zufall. Ganz am Anfang half es wahrscheinlich, das Buch zu verkaufen, weil Leute sagen konnten: es ist wie "Blair Witch". Aber es gibt einen wunderbaren belgischen Film namens: "Mann beißt Hund". Ich erinnere mich, den damals gesehen zu haben. Ich schrieb zwar bereits "das Haus" aber der Film war noch sehr lebendig, die Art wie sich etwas verändert, wenn du dir bewusst bist, dass der Kameramann Teil der Geschichte ist und vielleicht sogar eine Gefahr darstellt.

Phantastik-Couch:
Ihr Buch dreht sich um Angst. Wovor haben Sie Angst und warum?

Mark Z. Danielewski:
Vor dem Tod, weil dies so ein großartiges Leben ist. Und ich habe Angst davor nicht genug Zeit zu haben all das zu schreiben, was ich noch vorhabe. Wenn ich Glück habe würde ich gern die Geschichten erzählen bevor ich gehe.

Phantastik-Couch:
Haben Sie die Ideen für Ihre Geschichten bereits fertig im Kopf oder kommen Ihnen die Einfälle erst beim Schreiben?

Mark Z. Danielewski:
Schreiben bedeutet Kontrolle. Aber gleichzeitig geht es auch darum los zu lassen, denn wunderbare Dinge geschehen während man schreibt. Du weißt nicht, was als nächstes passiert. Dafür musst Du es außer Kontrolle geraten lassen. Wenn man es völlig kontrolliert, wenn man es durchplant, stirbt es. Dann hat es keine Seele. Es wird zu einem leblosen Ort. Darum liebe ich es zu schreiben. Ich möchte wissen, was als nächstes passiert.

Phantastik-Couch:
Wie sieht ein normaler Schreibtag für Sie aus? Schreiben Sie regelmäßig oder spontan?

Mark Z. Danielewski:
Oh, ich arbeite sehr hart. Ich stehe früh morgens auf, so um halb sechs oder sechs. Dann treibe ich normalerweise Sport und frühstücke gut. Dann schreibe ich sechs bis zehn Stunden. Manchmal  auch nur vier Stunden und die restliche Zeit recherchiere ich. Normalerweise läuft es so, fünf Tage die Woche. Wenn ich von dieser Lesereise zurückkomme werden es wahrscheinlich sechs Tage die Woche werden, weil viel Arbeit auf mich wartet. Und ich liebe es zu schreiben. Ich vermisse es. Ich will wieder schreiben!

Phantastik-Couch:
And wenn Ihr Arbeitstag vorbei ist?

Mark Z. Danielewski:
Dann gehe ich aus. Geh mit Freunden essen. Oder wir gehen ins Kino, irgend so etwas. (Er lacht.) Ich mache, dass ich aus dem Haus komme.

Phantastik-Couch:
Sie haben neben "Das Haus” auch die Bücher "The Fifty Year Sword” und "Only Revolutions” geschrieben. Werden sie in Deutschland erscheinen?

Mark Z. Danielewski:
"Only Revolutions” ist von Klett-Cotta gekauft worden. Es ist eine Herausforderung, es ist ein schwieriges Buch. Sie wollen es in zwei Jahren raus bringen, aber das ist ein sehr ehrgeiziges Ziel. Aber irgendwann wird es es hierher schaffen. Ich denke spätestens 2010.

Interview und Übersetzung: Verena Wolf.

Mark Z. Danielewski auf Phantastik-Couch.de

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