Down

  • Festa
  • Erschienen: Januar 2013
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Michael Drewniok
65°1001

Phantastik-Couch Rezension vonMär 2018

 Vom Absturz-Regen in die Monstermaul-Traufe

Die „Frequency Brothers“ sind Veteranen der Rockmusik. Zwar gehören sie nicht zu den Superstars, aber sie halten sich gut im Geschäft und sind deshalb oft unterwegs. Aktuell wollen die vier Musiker, Leadsängerin Dani und Tour-Manager Potter nach New York City. Man fliegt mit einer kleinen Chartermaschine; an Bord sind außerdem die beiden Besatzungsmitglieder, Danis Schwester Jen und die Rock-Journalistin Shannon Gardner.

Ein kapitaler Triebwerksschaden bringt das Flugzeug irgendwo in einer waldreichen, aber menschenleeren Region zum Absturz. Pilot und Co-Pilot sowie Schlagzeuger Curtis sterben, Jen bricht sich das Becken, Schwager Kevin das Rückgrat, weshalb er nun querschnittsgelähmt ist. Die übrigen Insassen überleben das Unglück vergleichsweise leichtverletzt.

Die Lage ist zunächst ernst aber nicht hoffnungslos, obwohl das Funkgerät der Maschine ausgefallen ist: Irgendwann werden Retter auftauchen. Mit dem logischen Verhalten - Versorgung der Verletzten, Installation eines Notsignals etc. - ist es jedoch bald vorbei, denn aus dem tiefen Wald stapft eine grausige Kreatur: „Bigfoot“ lebt, ist aber Opfer schwerer Verletzungen geworden, die seine Kräfte keineswegs beeinträchtigen, ihn aber denkbar menschenfeindlich gestimmt haben.

Zunächst klaubt das Wesen nur die Leichen aus der Maschine, um sie in seinen Schlupfwinkel zu schleppen. Die Überlebenden geraten keineswegs in Vergessenheit, womit sie auch nicht gerechnet haben. Gegenmaßnahmen kommen in Gang. Die Verletzten und ihre Begleiter/Betreuer verbarrikadieren sich im Wrack, während Dani und Gitarrist Conner losmarschieren, um Hilfe zu holen.

Dann meldet sich die Kreatur zurück. Nicht pure Mordlust treibt sie an: Der „Bigfoot“ ist gar keiner, sondern das Instrument einer uralten, nichtmenschlichen Macht, die in dieser Einöde ein „Portal“ zu öffnen versucht. Um jeden Preis will sie in diese Welt eindringen, was eine bestimmt Zahl menschlicher Opfer erforderlich macht...

Monstergarn mit unterirdischem Ankerpunkt

Ganz so einfach geht diese Geschichte natürlich/glücklicherweise nicht - schließlich heißt der Autor nicht Edward Lee, der die Gefährlichkeit des Wald-Monsters dadurch gesteigert hätte, dass es die weiblichen Überlebenden in sein Lager gezerrt und ausgiebig geschändet hätte. Nate Southard verzichtet zwar nicht gänzlich auf (genregerecht schauerlich-schräg zelebrierten) Sex, setzt aber generell auf eine zwar simple, aber trotzdem mehrschichtige Gruselmär, die ihren Schrecken ganz altmodisch - oder besser: klassisch - nicht ausschließlich aus Ekelreflexen zieht, sondern sich um eine stimmige Darstellung bemüht.

Dass dies ganz gewiss nicht in einem Meisterwerk gipfelt, verzeiht man dem Verfasser im Wissen um wesentlich minderwertigere, aber dennoch mirakulös erfolgreiche Horror-Kost. „Down“ bietet keinen ausgefeilten, raffinierten Schrecken, sorgt aber für eine echte Überraschung: Hier spukt eben kein Bigfoot-Schrat durch den dunklen Wald. Wen es in diese Wildnis verschlagen hat, soll an dieser Stelle unerwähnt bleiben, obwohl die Zahl der Deutungsmöglichkeiten beschränkt ist. Der erfahrene Horror-Leser ist nicht wirklich überrascht, als sich der Schleier hebt.

Muss er auch nicht, denn Southard gießt den alten Wein in einen weidlich neuen Schlauch. Im Umfeld des Unholds ereignen sich allerlei Seltsamkeiten, die ihn als Sendboten einer zwar irdisch verwurzelten, aber dennoch ganz anderen Welt markieren. Das sorgt für Interesse und vor allem für Abwechslung, wenn der Primärstrang der Story eine bekannte Richtung einschlägt: Während sich das Ungeheuer immer neue Opfer packt, versuchen sich die Überlebenden zu wehren. Parallel dazu sind sie mit privaten Problemen beschäftigt: Potters Vater hängt hirntot an einem Atemgerät, das eigentlich in seiner Anwesenheit abgeschaltet werden soll, Musiker Kevin betrügt Gattin Dani mit der Schwester, Gitarrist Conner ist ein Junkie etc.

Wo alle Masken fallen

Selbst das ‚Monster’ reiht sich ein: Es ist auf seine Weise selbst ein Opfer. Wer tatsächlich hinter dem bösen Treiben steckt, bleibt weitgehend offen; Southard beschränkt sich auf Andeutungen, die freilich an H. P. Lovecrafts Cthulhu-Mythos anknüpfen: Das Universum ist demnach komplexer als den Menschen bekannt, und in seinen Dimensionsfalten wimmelt es von Leben, das unermesslich fremd und menschenfeindlich ist. Die Erde stellt nur eine willkürliche Position auf dem Spielfeld von Entitäten dar, die ihre Bewohner gleichgültig als Instrumente missbrauchen. Wer ihnen in die ‚Hände‘ fällt, kann sich auf eines jener sprichwörtlichen Schicksale gefasst machen, die „schlimmer als der Tod“ sind, was hier konkret bedeutet: Während der Tod den irdischen Schrecken und Beschwernissen ein Ende macht, ist unter üblen Umständen die womöglich ewige Fortsetzung des Leidens in einer x-dimensionalen Fremde möglich.

Dummerweise trifft es Zeitgenossen, die uns jederzeit gleichgültig bleiben. Die Schaffung lebensechter Figuren übersteigt Southards Talent, was eine Umschreibung dafür ist, dass Rockmusiker - quasi DAS Klischee für unangepasste Rebellen gegen das langweilige Establishment - nur Hohlköpfe sind, die genauso kläglich zur Hölle fahren wie jeder andere Pechvogel.

Southard schwankt zwischen Schweigen und Geschwätz, wenn er uns sein Ensemble vorstellt. Mit einer latent detailreichen Vita stattet er Tour-Manager Potter aus, während er aus den Schwestern Dani und Jen und dem Gatten/Schwager Kevin ein Liebesdreieck konstruiert. Dies deutet Konflikte an, die handlungsrelevant den Kampf gegen das Monster beeinträchtigen könnten. Aber Southard belässt es beim Anreißer. Dass sie von Jen und Kevin betrogen wurde, erfährt Dani nie. Auch Potters Bangen um den entfremdeten Vater, dem man im fernen Krankenhaus den Stecker ziehen will, ist reine Effekthascherei. Höchstens die Trauer um den beim Absturz umgekommenen Curtis wirkt halbwegs echt.

Wohl kaum ein Höhepunkt

Als Autor ist Southard bekannt dafür, sich nicht lange mit einer Einleitung aufzuhalten. Auch dieses Mal setzt das Geschehen umgehend ein; die Figuren werden vorgestellt, während das Flugzeug, in dem sie sitzen, sich triebwerkslos dem Waldboden nähert. Als es dort aufgeschlagen ist, folgt die Handlung einschlägigen Mustern: Man klaubt buchstäblich seine Knochen zusammen und versucht sich einen Überblick zu verschaffen. Parallel dazu beginnt es im Wald zu rascheln, dann ertönt finsteres Gebrüll: Southard arbeitet wie gesagt mit bewährten Mitteln.

So geht es weiter, bis der Verfasser die weiter oben beschriebene Fremdherkunft der Bedrohung näher ausführt und dabei recht anständige Grusel-Arbeit leistet. Planmäßig wächst die leserliche Neugier: Was steckt da im Boden und will nicht nur hinauf an die Oberfläche, sondern auch hinein in ‚unsere‘ Welt? An entsprechenden Mysterien lässt es Southard nicht fehlen, das ‚Monster‘ erfährt seine Neuinterpretation. Das erwartete Gemetzel fällt deshalb nicht aus, findet aber unter gänzlich veränderten Voraussetzungen statt.

Die Erwartung steigt, und das Finale wird dramaturgisch korrekt eingeleitet, indem sich sämtliche Überlebenden und das Monster um das nun schauerlich ‚belebte‘ Loch im Boden scharen. Dort rührt es sich, aus Dimension X steigt das unnennbare Ding herauf, auf das uns der Verfasser klugerweise keinen genauen Blick werfen lässt; er könnte nur verlieren, da sich das absolut Fremde üblicherweise in trivialen Schwurbel verwandelt, wenn es mit dem Vokabular der irdischen Gegenwart beschrieben werden soll.

Doch Southards Alternative ist kontraproduktiv: Nach einigen weiteren Leichen herrscht plötzlich Stille im genannten Loch. Die ‚Begründung‘: Weil sich die Überlebenden so tüchtig wehrten, gab es letztlich ein Opfer zu wenig, um das dimensionsfremde Geschöpf zu entfesseln. Klappe zu, Affe = Schrecken zwar nicht tot, aber ausgesperrt - DAS ist schwach, Mr. Southard, und kann nicht ausgeglichen werden, als die überlebende Jen versehentlich einen im Wald lauernden Grusel-Starter berührt und das Grauen dadurch rebootet. Die noch folgenden Ereignisse dürfen/sollen die Leser sich selbst ausmalen. Somit ähnelt „Down“ einem einfachen, schnell und sauber hochgezogenen Haus, dem leider das Dach fehlt.

Down

Nate Southard, Festa

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