Der Atem einer anderen Welt

  • Fischer
  • Erschienen: Januar 2019
  • 0
Der Atem einer anderen Welt
Der Atem einer anderen Welt
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Petra Meyeroltmanns
90°1001

Phantastik-Couch Rezension vonFeb 2019

Ein besonderes Buch, das voller Überraschungen steckt

Was passiert mit all den Kindern, die durch eine Pforte, sei es ein Spiegel, ein Schrank oder ein Kaninchenloch, in ihr wahres Zuhause, ihr Wunderland gelangt sind, dort aber aus den verschiedensten Gründen nicht bleiben konnten? Wer glaubt ihnen? Wer hilft ihnen, damit klar zu kommen?

Eleanor West, selbst eine Reisende zwischen den Welten, leitet ein Internat für solche „Kinder auf Abwegen“. Auch wenn die Schule der Ausgangspunkt der Geschichten ist, so liegt der Fokus doch woanders, in Eleanor Wests Internat sind Jugendliche versammelt, die sich in den verschiedensten Welten befanden und diese aus ebenso vielen Gründen wieder verlassen mussten. (Fast) Allen ist gemeinsam, dass sie sich nichts sehnlicher wünschen, wieder in „ihre“ Welt zu gelangen, und dass ihre Familien ihnen ihre Reise nicht glauben wollen. Aber oft liegt nicht nur darin ihre Andersartigkeit im Bezug zur „normalen Welt“, immerhin gab es bei jedem einen bestimmten Grund, warum er gerade in dieser und keiner anderen Welt landete. Die verschiedenen Welten kann man einteilen nach „Unsinn“ und „Logik“, nach „Vernunft“ und „Bosheit“, das erinnert ein bisschen an die „Unsichtbare-Bibliothek“-Reihe von Genevieve Cogman, hat aber ansonsten wenig mit dieser gemein.

Drei Novellen, die jeweils eine eigene Geschichte erzählen, aber auch miteinander verbunden sind

Es sind drei Novellen enthalten, die jede für sich schon eine ganz eigene Geschichte erzählt, die aber auch miteinander verbunden sind. Als Leser erlebt man viele Überraschungen und unerwartete Wendungen, nur wenig kann man vorhersehen, und am Ende hat man ein ganz besonderes Buch gelesen, in das man sich während des Lesens immer mehr verliebt. Weitere Novellen sind geplant, und da das Thema im Grunde unendlich viele Geschichten hergibt, kann man hoffen, noch einige weitere lesen zu dürfen, die dann hoffentlich auch ins Deutsche übertragen werden.

In der ersten Geschichte „Der Atem einer anderen Welt“ kommt Nancy neu an die Schule, lernt diese und ihre Mitschüler kennen, als Leser erfährt man einiges über Eleanor West, ihre Intentionen, eine solche Schule zu leiten, und erhält auch schon kleine Einblicke in verschiedene Welten und in die Charaktere verschiedener Schüler. Dann passiert etwas Schreckliches, das nicht nur die Schule in Gefahr bringt.

Die zweite „Unter dem Roten Mond“ begleitet das Leben zweier Schüler, die man bereits in der ersten Geschichte kennen gelernt hat, von Geburt an bis zum Verlassen der „anderen“ Welt. Man erfährt hier viel über diese Welt, ihre Regeln, aber auch über das, was sie mit denen macht, die in sie reisen.

Auch die dritte Geschichte „Süßer Unsinn“, die im Übrigen direkt an die erste anknüpft, führt den Leser in andere Welten. Hier begleitet er mehrere Jugendliche, die eine bestimmte Mission haben, die sie in unterschiedliche Welten führt. Auch hier ist es interessant, die verschiedenen Welten zu erleben, zumal eine davon sehr phantastisch anmutet – da braucht es schon Leser mit viel eigener Phantasie.

Schöne Illustrationen und eine passende Widmung

Begleitet werden die Geschichten von wunderschönen und gut passenden Illustrationen Rovina Cais, die dem Roman, zusammen mit dem gelungenen Cover, etwas zusätzlich Besonderes verleihen. „Für die Unartigen“ lautet die Widmung und viele Leser dürften sich davon angesprochen fühlen, auf jeden Fall aber passt diese Widmung zu den Protagonisten.

Die Kinder und Jugendlichen in den Geschichten sind (ein bisschen) anders, unangepasst und (auf verschiedenste Weisen) auffällig. In den Welten, in die sie gelangen, können sie sein, wie sie sind, hier werden sie akzeptiert, hier kommt oft erst ihr wahres Ich zum Tragen – zumindest in den allermeisten Fällen. Denn es gibt auch Ausnahmen, wie z. B. Kade, der als Mädchen geboren wurde, und als solches auch nach Prisma „entführt“ wurde, einen Jungen jedoch wollte man dort nicht. Das Verlassenmüssen dieser Welten traumatisiert die Kinder und Jugendlichen, Eleanor West möchte ihnen an ihrer Schule Hilfen bietet, um damit zurechtzukommen. Das alles gibt den Novellen eine ganze Reihe psychologischer und nachdenkenswerter Momente, die sie zusätzlich bereichern.

Die Autorin hat eine besondere Art zu erzählen, die den Leser ganz schnell in ihre Geschichten zieht, intensiv, bildhaft, emotional, teilweise makaber, manchmal ein bisschen derb, und hin und wieder spricht sie den Leser sogar direkt an. Sich in die Protagonisten hineinzuversetzen fällt leicht, auch wenn sie manchmal wenig Identifikationsmöglichkeiten bieten, so gelingt es der Autorin doch sehr gut, ihr Wesen dem Leser nahe zu bringen und ihn emotional zu packen.

Fazit:

Drei miteinander verbundene Novellen ergeben zusammen ein höchst lesenswertes Buch – düster, emotional und zum Nachdenken anregend, aber auch spannend und sehr packend. Die Geschichten sind, wie die Protagonisten, besonders – nicht zu Unrecht hat dieses Buch bereits viele Preise erhalten. Es bleibt zu hoffen, dass weitere Geschichten auch auf Deutsch veröffentlicht werden – man darf gespannt sein, was der Autorin noch alles einfällt.

Der Atem einer anderen Welt

Seanan McGuire, Fischer

Der Atem einer anderen Welt

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