Spin

  • Heyne
  • Erschienen: Januar 2006
  • 10
Spin
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Peter Kümmel
95°1001

Phantastik-Couch Rezension vonJul 2006

Ein Füllhorn von Ideen

";Wenn du einen Frosch in kochendes Wasser wirfst, hüpft er wieder heraus. Wirfst du den Frosch aber in einen Topf mit angenehm warmem Wasser, das du langsam immer weiter erhitzt, dann ist der Frosch tot, bevor er begriffen hat, dass man ihm an den Kragen will.";

Genauso war das auch mit den Sternen:

";Die Auslöschung der Sterne geschah zwar nicht allmählich und unauffällig, doch für die meisten von uns hatte sie zunächst keine katastrophalen Auswirkungen.";

Zunächst nannte man es das ";Oktober-Ereignis";, ein paar Jahre später bezeichnete man es als ";Spin";. Wilson schildert das Phänomen zunächst aus Kindersicht. Tyler Dupree, der Erzähler, war zwölf, die Zwillinge Jason und Diane Lawton waren dreizehn. Sie alle waren gute Freunde und wohnten zusammen auf dem Lawtonschen Besitz; die Zwillinge mit ihren Eltern im ";Großen Haus";, Tyler mit seiner Mutter in einem kleinen Bungalow am Rand des Grundstücks. Tylers Vater arbeitete früher nicht nur mit dem Vater der Zwillinge – von allen nur E. D. gennant – in der gemeinsamen Firma zuammen, sondern war auch gut mit ihm befreundet. So fühlten sich die Lawtons nach dessen Unfalltod verpflichtet, für Tyler und dessen Mutter zu sorgen und behielten sie als Haushälterin. Jason war gewissermaßen ein kleines wissenschaftliches Genie und wurde von seinem Vater als Erbe herangezogen. Der ideenreiche Geschäftsmann hatte mit neuen technologischen Projekten immer wieder Erfolg. Diane war dagegen die kaum beachtete Tochter. Carol, die Mutter der Zwillinge, praktizierte früher als Ärztin, verfiel jedoch zusehends dem Alkohol.

Ist eine fremde Macht am Werk?

Während einer Feier im Großen Haus passierte es dann; die drei Kinder saßen im Dunklen auf dem großen Rasen und betrachteten sich die Sterne, als diese plötzlich verschwanden. Daß sie nicht wirklich weg sein konnten, das war den Kindern klar, aber sie waren nicht mehr zu sehen. Doch nicht nur die Sterne und der Mond waren verschwunden, auch die Satelliten in der Erdumlaufbahn. Denn im Fernsehen waren nur noch lokale Sender zu empfangen. Am Morgen ging zwar die Sonne auf, aber es war eine gefilterte Sonne. Um die Erde war ein riesiger Energieschirm gelegt, für den es keine Erklärung gab. Handelte es sich dabei um ein Naturereignis oder wurde das Ganze von einer fremden Macht gesteuert?

Die Wissenschaftler waren ratlos und man lernte, sich mit dem Phänomen zu arrangieren. Erst mehrere Jahre nach dem Ereignis erhielt man neue Erkenntnisse, als man versuchte, eine Sonde durch den Schirm ins Weltall zu beförden. Doch der Satellit prallte an der unsichtbaren Barriere ab – so dachte man zunächst. Doch er lieferte Daten für eine ganze Woche. Dafür gab es nur eine Erklärung: die Zeit außerhalb des Schirms verging wesentlich schneller als auf der Erde. Der Satellit hatte seine Umläufe um die Erde tatsächlich gemacht – innerhalb von etwa einer Sekunde. Für die Wissenschaftler wird klar, was das bedeutet. In einem Erdenjahr altert das Weltall um Millionen Jahre und den Erdbewohnern bleiben vielleicht nur noch 50 Jahre, bis die Sonne zu einem verglühenden Stern wird.

Die Idee der abgeschirmten Erde ist zwar nicht absolut neu, aber relativ unverbraucht, und so wie Robert Charles Wilson im Verlauf der weiteren Handlung da noch etwas draufzusetzen vermag und ein wahres Füllhorn von Ideen ausschüttet, da ist auch der SF-Kenner so manches mal noch zu verblüffen.

Aufarbeitung von verschiedenen Standpunkten aus

Der Erzähler Tyler Dupree schildert die Erlebnisse quasi aus seiner Gegenwart in einem zweiten Handlungsstrang als Rückblende, wobei sich beide Stränge immer mehr einander nähern. Ebesnso ungewöhnlich wie die Tatsache, ein für die Welt einschneidendes Ereignis zunächst aus Kindersicht zu betrachten, fährt der Autor fort, indem er diese drei Kinder sich in verschiedene Richtungen entwickeln lässt, die dann für drei unterschiedliche Standpunkte stehen, die mit der vorliegenden Situation völlig anders umgehen.

Jason wird, wie bereits abzusehen war, Wissenschaftler und verschreibt sein Leben der Lösung des Rätsels und entwickelt dabei Möglichkeiten für das Fortbestehen der Menschheit. Mit seinen Ansichten gerät er dabei immer mehr in Konflikte mit seinem machtbesessenen Vater.

Diane – als krasser Gegensatz dazu – gerät in die Welt der Sekten, die in einer Weltuntergangsstimmung Hochkonjunktur haben. So kommt es immer wieder zu Konflikten zwischen Religion und Wissenschaft, die der Autor eher mit dem Leser austrägt als die Zwillinge untereinander, denn die haben sich durch ihre verschiedenen Standpunkte bereits weitgehend entfremdet.

Tyler schließlich wird Arzt. Obwohl auch er durch Jason in verschiedene Projekte zur Rettung der Welt eingebunden wird, ist es seine vordringliche Aufgabe, sich um das Wohlergehen der Menschen in der Gegenwart zu kümmern.

Nicht nur diese drei Charaktere, sondern auch viele weitere besitzen eine wirkliche Struktur und sind bildhaft dargestellt, so daß der Leser auch mit den Personen mitfiebern kann und nicht nur das kosmische Geschehen an sich betrachtet.

Ist das Ende abgeschlossen?

Die Hauptfrage, die man sich während des Lesens stellt, ist natürlich: kann der Autor für diese Fülle von Ideen auch eine halbwegs logische Erklärung aufbieten und die losen Stränge zum Abschluß wieder verknüpfen oder wird am Ende wie bei vielen Endzeitromanen alles im Nichts verlaufen? Ohne hier allzu viel vorwegzunehmen, kann ich verraten, daß der Autor auch am Schluß noch einige Überraschungen in petto hat und der Leser durchaus auf ein mehr als befriedigenden Abschluß hoffen darf. Eine hundertprozentige Aufklärung kann und darf man nicht nicht erwarten, denn die Möglichkeit für eine Fortsetzung hat sich der Autor schon offengelassen, wenngleich ";Spin"; absolut als abgeschlossener Roman bezeichnet werden muß.

Zum Abschluß noch etwas zu den vorhandenen Druckfehlern. Lockt einem dabei ein ";Schweigegelübnis"; noch ein Schmunzeln hervor, so ist es schon bedenklich, wenn der Übersetzer den Genitiv konsequent ignoriert (…während einem seiner Besuche,…wegen ihrem Vater). Dies ist dann zuweilen beim Lesen schon fast schmerzhaft.

";Die Romane von Robert Charles Wilson zählen zum Besten, was die Science Fiction derzeit zu bieten hat";, wird die New York Times auf dem Buchrücken zitiert. Bisher war mir der Autor und seine Romane nur dem Namen nach bekannt. Doch ausgehend vom vorliegenden Romans ";Spin"; könnte an der Aussage durchaus etwas dran sein. Schon lange nicht mehr vermochte mich ein Science Fiction-Roman derart überzeugen wie ";Spin";.

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