Zeit der Eismonde

  • Piper
  • Erschienen: Mai 2019
  • 2
Zeit der Eismonde
Zeit der Eismonde
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Lisa Reim-Benke
40°1001

Phantastik-Couch Rezension vonSep 2019

Am Ende bleibt nur… Irritation

Nicht selten lassen sich Fantasy-Autoren von historischen Ereignissen inspirieren. Auch Anett E. Schlicht ging es da nicht anders, als sie die alte Wikinger-Siedlung Haithabu besichtigte. Der geschichtsträchtige Ort sollte Anstoß sein für ein Roman-Debüt voller rauer Natur, Magie, Träume, Gestaltwandler und Schattenwölfe. Auf den ersten Blick ein Werk, das alles enthält, was gute High Fantasy braucht. Doch schon nach ein paar Seiten merkt man dem Erstlingswerk seine Schwächen an.

Die Handlung beginnt ganz klassisch: Der 17-jährige Ouwen hat Visionen und Träume von Dingen, die er nicht versteht. Eines Nachts steht plötzlich ein Fremder in seinem Zimmer und behauptet, Ouwen sei in großer Gefahr. Aufgrund seiner außergewöhnlichen Begabung würde er von Schattenwölfen gejagt, was das ganze Dorf in Gefahr bringe. Kurzentschlossen macht sich Ouwen mit dem Fremden auf den Weg in eine sichere Zuflucht. Und das war im Grunde auch schon alles.

Natürlich werden Ouwen auf der Reise (während der rein gar nichts passiert), immer wieder Informationsbrocken hingeworfen, mit denen weder er noch der Leser etwas anfangen können. Was genau der große Konflikt in der Welt ist und wer was warum tut, bleibt im Dunkeln. Auch seine übersinnlichen Begabungen und seine Kampfkünste trainiert Ouwen fleißig. Dies ist jedoch so aufregend wie eine stumpfsinnige Diashow. Am Ende findet sich aber doch ein bisschen Spannung: Der übliche Abschlusskampf mit einer Prise Dramatik – und dann ist auch schon Schluss. Es sollen schließlich noch weitere Bände gefüllt werden, da wollte man es mit der Spannung vermutlich nicht übertreiben.

Ouwen braucht einen Motivationstrainer

So tranig die Handlung daherkommt, so lustlos schlurft auch Protagonist Ouwen durch die Welt. Er ist einer jener nervigen Helden, denen die Dinge einfach nur passieren, ohne dass sie selbst die Initiative ergreifen würden. Immerzu sind es die anderen, die die Handlung vorantreiben, Ouwen zieht es dagegen vor, unbeholfen hinterherzustolpern. Was genau ihn antreibt, mit einem Fremden ins Unbekannte aufzubrechen, mit Wölfen anzubandeln oder sich wie eine Schachfigur durch die Gegend schieben zu lassen – man weiß es nicht. Ouwen ist jemand, der nicht gerne Fragen stellt. Manchmal möchte man ihn einfach nur schütteln.

Ich erzähl die Welt, wie es mir gefällt

Inhaltlich also schon eine schleppende Angelegenheit, beim Erzählstil tun sich jedoch die nächsten Abgründe auf. Die unkonventionelle, vielleicht auch unbeholfene, Erzählweise erschwert das Lesen enorm. Man kämpft sich durch Rückblenden und Zeitsprünge durch, ohne auch nur einen spannenden Erzählstrang zu finden. Denn die ständigen, meist auch recht kurzen und zerhackten, Abstecher in die Vergangenheit tragen so gut wie gar nichts zur Haupthandlung bei.

Wer sich die Mühe gibt, die verschiedenen Erzählperspektiven zu zählen, sollte es lieber gleich bleibenlassen. Es werden von Anfang bis Ende willkürlich Erzähler in den Ring geworfen, was zu einigen Fehlern in der Umsetzung der Perspektiven führt. Ein heilloses Durcheinander, denn anscheinend konnte man sich nicht entscheiden, ob man lieber mehrere personale oder doch lieber einen allwissenden Erzähler wählen sollte. Dann anscheinend doch lieber einfach alles auf einmal. Ganz egal, ob damit auch Logikbrüche verbunden sind oder nicht. Einheitlichkeit wird sowieso überbewertet. Das dachte sich wohl auch der Verlag bei der Verwendung der Anführungszeichen. Ungewöhnliche Qualitätsmängel, gerade bei einer Verlagsgröße wie Piper.

Fazit:

Am Ende schlägt man das Buch zu und weiß gar nicht, was eigentlich gerade passiert ist: Hat man soeben den zähesten Reihenauftakt der Welt beendet? Oder wurde man Zeuge des Versuchs, eine neue Form des Erzählens zu etablieren, bei der mit unbedachten Perspektiv- und Zeitwechseln nur so um sich geschlagen wird? Eigentlich egal. Denn letztendlich ist das Buch eben das, was es ist: Eine herbe Enttäuschung.

Zeit der Eismonde

Anett E. Schlicht, Piper

Zeit der Eismonde

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