Menschen, Marsianer und Maschinen

  • Heyne
  • Erschienen: Januar 1968
  • 0
Menschen, Marsianer und Maschinen
Menschen, Marsianer und Maschinen
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Michael Drewniok
65°1001

Phantastik-Couch Rezension vonMai 2020

Nicht ganz „Star Trek“, aber schon dicht dran

Eine nicht besonders helle, aber verschworene Truppe aus Menschen, Marsianern und (einer) Maschine reist durch das Weltall und erlebt bizarr-gefährliche Abenteuer:

- Kapitel 1 (= Jay Score; 1941) S. 5-19: Ein Meteorit wirft die „Upskadaska“ aus der Reisebahn zum Planeten Venus. Das Raumschiff wird in der Sonne verglühen, weshalb man einen ebenso kühnen wie verzweifelten Plan schmiedet: Die „Upskadaska“ soll die Sonne in einer möglichst engen Bahn umrunden und den Schwung zur Flucht aus dem Schwerefeld nutzen. Allerdings muss dabei der Pilot dort ausharren, wo die Sonne das Schiff buchstäblich in einen Grill verwandeln wird.

- Kapitel 2 (= Mechanistria; 1942), S. 20-70: Das Experimental-Raumschiff „Marathon“ landet auf einem fernen Planeten, der von einer Roboter-Zivilisation beherrscht wird. Die Besatzung wird gefangengenommen und droht seziert zu werden; glücklicherweise können die marsianischen Bordkameraden einen Trumpf aus den Tentakelärmeln ziehen.

- Kapitel 3 (= Symbiotica; 1943), S. 71-116: Die „Marathon“ verschlägt es dieses Mal auf einen Planeten, dessen Bewohner durch Symbiose quasi miteinander ‚verschaltet‘ sowie extrem feindselig sind, was eine Kontaktaufnahme erschwert: Wie soll man sich dort verständigen, wo selbst die ‚Bäume‘ zu heimtückischen Killern werden?

- Kapitel 4 (= Mesmerica; 1955), S. 117-157: Auch die nächste Expedition der „Marathon“ endet als Fiasko, denn der angeflogene Planet wird von Kreaturen bevölkert, die per Hypnose ihren Besuchern nicht nur (sogar bewegte) Bilder vorgaukeln, sondern auch in deren ‚Rollen‘ schlüpfen können: Wem ist noch zu trauen bzw. wie soll man Freund und Feind unterscheiden?

Wunder (und Schrecken) des Weltalls

Dies ist Science Fiction der einerseits simplen, aber andererseits wunderbaren Art und anders als die deutsche Ausgabe suggeriert kein Roman, sondern die Sammlung dreier Storys, die zwischen 1941 und 1943 entstanden und in zeitgenössischen „Pulp“-Magazinen erschienen sind. (Für die Buchausgabe lieferte Autor Russell 1955 eine Exklusiv-Erzählung nach.)

Die erstgenannten Jahre gehörten noch in die „Goldene Ära“ des Genres. Es war vom Glauben an einen naturwissenschaftlich-technischen Fortschritt bestimmt, der den Menschen sicherlich bald in den Weltraum und auf neue Welten bringen würde. Alles schien möglich, wobei auf die Umsetzung nebenbei entworfener Pläne für Maschinen, deren Funktion nicht von den Naturgesetzen eingeschränkt war (Stichwort „Flettner-Antrieb“), ein nur behauptet ‚realistischer‘ Blick geworfen wurde: Technobabbel ist keine „Star-Trek“-Erfindung, aber höchstens einige Spielverderber warfen (und werfen) der SF dies als Makel vor.

Stattdessen ging es so in die Tiefen des Alls, wie man einst an Bord hölzerner Schiffe über die Ozeane der Erde gesegelt war, oder besser: Wie man sich dies als Landratte vorstellte bzw. unterhaltsam vorgaukeln ließ. Die unerfreulichen Seiten eines einsamen Lebens auf See blieben auch im All ausgeblendet. Hier wie dort gingen nicht unbedingt geistige Leuchten, sondern Männer der Tat auf große Reisen. Sie fluchten kräftig und drückten sich vor (langweiliger) Arbeit, waren aber berufskompetent, hielten in der Krise zusammen wie Pech und Schwefel und stellten überhaupt die (abenteuerliche) Pflicht über Verdienst und Karriere.

Tücken des Objekts

Schon die Prämisse ist faktisch haltlos: An Bord eines Hightech-Schiffs wie der „Marathon“ fände man sicherlich keine Truppe aus Käpt’n McNultys Raumbären, notorisch zerstreuten Wissenschaftlern und lässigen Marsianern. Doch was wäre langweiliger als die Beobachtung auf ihre Aufgaben konzentrierter Spezialisten? In der SF der hier präsentierten Art steht der praktische Versuch vor dem vorsichtigen Erproben. Immer ragt irgendwo ein Hebel aus einem Armaturenbrett, der schwungvoll nach unten gerissen wird, woraufhin das Raumschiff zuverlässig dort landet, wo es keineswegs vorgesehen war. Ein diesbezüglicher Lerneffekt stellt sich nicht ein. Dies darf gar nicht geschehen, denn solche Zwischenfälle sind stets der Startschuss für das Abenteuer, das eigentlich den Inhalt einer solchen Story darstellt.

Dann siegt der gesunde Menschenverstand auch in Hightech-Krisen, zumal unsere abgebrühten Kerle eisern auf ihren Posten bleiben: „Der andere [Ingenieur] umklammerte seinen vier Fuß langen Schraubenschlüssel, mit dem er - wie ein Gerücht wissen wollte - häufig schlief.“ („Mechanistria“) Eine solche Truppe ist bereit, sich sämtlichen Herausforderungen zu stellen! Das ist auch nötig, denn wider jede Logik werden die Männer immer wieder dorthin geschickt, wo sie von der Situation völlig überfordert sind. Auf Einsicht oder gar Hilfe vom Heimatplaneten dürfen sie nicht rechnen: Autorität ist für Russell nicht nur in diesen Geschichten stets das pompöse Trugbild von Kompetenz. Dahinter herrschen Ratlosigkeit, Karrieredrang - und Vorschriften, auf deren Befolgung in Vertretung seiner Vorgesetzten Käpt’n McNulty ebenso vehement wie nutzlos drängt. Autor Russell beherrscht den Humor, der in diesem Umfeld einen vorzüglichen Katalysator abgibt. Er zwar die Science Fiction ernst, glaubte aber nicht an paradiesische Zukunftswelten. Dem stand aus seiner Sicht jener Faktor entgegen, der in Unfallberichten als „menschliches Versagen“ auftaucht.

An Bord der „Upskadaska“ und später der „Marathon“ dienen ausschließlich Männer. Weibliche Besatzungsmitglieder waren um 1940 eine Zukunftsmusik, die selbst die Science Fiction nicht hören konnte (oder wollte). Immerhin geht es erstaunlich multikulturell zu, wobei Russell keinen Unterschied zwischen Menschen, Marsianern und Maschinen macht. In der Tat gab es jenen „säkularen Humanismus“, den angeblich erst Gene Roddenberry („Star Trek“) aus der Taufe hob, schon deutlich früher. Freilich liegt bei Russell die Todesrate der „Redshirts“ deutlich höher: Trotz des humorvollen Untertons kommen immer wieder Besatzungsmitglieder recht grausig zu Tode. Die lesenden Zeitgenossen waren nicht so empfindlich wie ihre Nachfahren; es lag wohl auch daran, dass gerade ein Weltkrieg tobte.

Neugierig durch den Kosmos reisen

Natürlich geht es generell simpel bzw. politisch unkorrekt zu. 1941 waren solche Aussagen möglich: „Bei Reisen ins äußere Planetensystem werden die Maschinen von Weißen gewartet, weil sie die modernen Triebwerke entwickelt haben, am meisten darüber wissen und wie niemand sonst damit umgehen können. Dagegen sind alle Schiffsärzte Farbige, denn aus irgendeinem unerklärlichen Grund werden Neger nicht von der Raumkrankheit befallen.“ („Jay Score“) Ansonsten gilt: „Alle Außenarbeiten werden von Marsbewohnern verrichtet, die sehr wenig Luft verbrauchen, erstklassige Metallarbeiter und gegen kosmische Strahlen immun sind.“ (Jay Score“)

In der Umsetzung unterbleibt jeglicher Unterton des Unbehagens, den solches Schubladendenken auslösen könnte. Russell differenziert ansonsten nicht zwischen „weiß“ und „schwarz“. Die Marsianer sowie Jay Score, der Roboter - eine Art Prä-Mr.-Data -, treten absolut gleichberechtigt auf. Wiederum lässt Russell Humor einfließen, denn die Marsianer hat er nach dem Vorbild jener Unholde geformt, die H. G. Wells 1898 im „Krieg der Welten“ auf die Erdmenschen losließ. Russells Marsianer lieben Schach, ziehen ihre menschlichen Kameraden gern auf und sind definitiv keine ‚untergeordnete Spezies‘.

Die vier Storys ergeben keinen Klassiker, sondern höchstens eine unterhaltsame Fußnote der Science Fiction. Inhaltlich und stilistisch gibt es Übereinstimmungen; auch Wiederholungen kommen vor, was erst in der Sammlung auffällt: Hier schrieb ursprünglich ein Autor für (knappes) Honorar. Russell musste schnell arbeiten, was aufgrund der Zeitspannen, die zwischen dem Erscheinen der einzelnen Storys lagen, die Magazin-Leser nicht merkten. Die Nostalgie verbrämt solche Mankos, denn sie sorgt für die wohlige Grundstimmung einer SF, in der nicht wie sonst früher, sondern auch morgen alles besser war.

Fazit:

Kein Roman, sondern eine Sammlung, deren vier angejahrten Storys genretypische, d. h. absolut realitätsferne, aber spannende Weltraum-Abenteuer beschreiben. Was kernige Erdmänner, lässige Marsianer und ein gefühlsbegabter Roboter erleben, wird von trockenem Humor begleitet, der Pathos fernhält: eine lohnenswerte, nostalgische Reise in die Frühzeit der modernen SF.

Menschen, Marsianer und Maschinen

Eric Frank Russell, Heyne

Menschen, Marsianer und Maschinen

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