Das Monster der schwarzen Lagune

  • Pabel
  • Erschienen: Januar 1978
  • 0
Das Monster der schwarzen Lagune
Das Monster der schwarzen Lagune
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Michael Drewniok
15°1001

Phantastik-Couch Rezension vonJun 2020

Gill-Man 2.0 im Godzilla-Modus

Ein Forschungsauftrag führt den Biologen David Reed ins südamerikanische Binnenland. Im brasilianischen Xingu-Schutzgebiet für indigene Völker soll er zusammen mit den Kollegen Carlos Maia und Bruno Gebhardt die lokale Fauna untersuchen. Zu ihnen stoßen aus den USA die Biologen Ed Thompson und seine Assistentin Kay Lawrence.

Der Xingu ist ein weitgehend unerforschter Fluss, die Region überhaupt sehr abgelegen, weshalb das Team froh ist, dass der alte José des Souza sie an Bord seines altersschwachen Schiffes nimmt. Die „Rita“ ist groß genug, um auch als schützendes Nachtlager dienen zu können, was bald von Bedeutung sein wird.

Der Aufbruch verzögert sich, denn die Gruppe soll einen Blick auf das Lager einiger örtlicher Fischer werfen. Man findet sie nicht nur tot, sondern buchstäblich in Stücke gerissen vor. Die wenigen Spuren weisen auf ein großes Tier als Verursacher hin, das offenbar aus dem Fluss gestiegen ist. Krokodil oder Jaguar werden rasch ausgeschlossen, zumal die Leichen nicht angefressen sind.

Kurz darauf taucht eine in der Tat gewaltige, der Wissenschaft unbekannte Kreatur auf und greift die „Rita“ und ihre Besatzung an. Voller Panik streut des Souza ein Mittel ins Wasser, mit dem er normalerweise Fische betäubt und fängt. Tatsächlich schläft das Wesen ein und kann mit Ketten gefesselt werden: Die Forscher wollen es studieren und dafür aus dem Dschungel schleppen.

Das ist eine redliche, aber dumme Idee, denn als die Wirkung des Mittels nachlässt, ist die Kreatur nicht nur wach, sondern auch wütend. Es wirft die Fesseln ab und geht die Verfolgung seiner ‚Jäger‘ nunmehr systematisch an. Die „Rita“ wird lahmgelegt, mit Hilfe von außen ist kaum zu rechnen. Mit den mitgeführten Waffen kann man die Bestie höchstens noch stärker reizen. Zu allem Überfluss scheint sie amouröse Gefühle für die schöne Kay zu entwickeln …

Minimaltalentierter Autor vergreift sich an großer Vorlage

Unter dem Reihentitel „The Classic Library of Horror“ veröffentlichte die US-Verlagsgruppe „Berkeley Books“ 1977 sechs Romane, deren Verfasser die Geschichten klassischer Horrorfilme der „Universal Studios“ nacherzählten. Wie alle diese Bände erschien „Das Monster der schwarzen Lagune“ unter dem Pseudonym „Carl Dreadstone“. Dahinter verbarg sich in diesem Fall Walter Harris (1925-2019), der vergleichsweise wenige Romane schrieb, die sämtlich den Tatbestand der sehr trivialen Unterhaltung erfüllen.

Das ist kein Vergehen, denn gute Populärkultur darf simpel sein. Sie muss jedoch funktionieren - und in diesem Punkt ist „Das Monster …“ ein krachender Schuss in den Ofen! Was mag den Verfasser - vielleicht eine ‚Anregung‘ des Verlags? - geritten haben, eine in jeder Hinsicht gelungene Vorlage wie „Creature from the Black Lagoon“ („Der Schrecken vom Amazonas“) so zu verändern, dass sie zum plumpen Allerwelthorror degeneriert?

1954 hatten Regisseur Jack Arnold (1916-1992) und das Drehbuch-Duo Harry Essex (1910-1997) und Arthur A. Ross (1920-2008) in Zusammenarbeit mit versierten Hollywood-Profis vor und hinter der Kamera unter Beweis gestellt, dass man auch mit wenig Geld einen nicht nur spannenden, sondern auch originellen Film drehen konnte. „Der Schrecken …“ entstand in Kalifornien auf dem Gelände der „Universal“. Die sichtbare Künstlichkeit des ‚südamerikanischen‘ Dschungels unterstrich sogar den märchenhaften Charakter des Geschehens. Arnold wusste genau, welche Geschichte er erzählen wollte. Da er sich an die Budgetvorgabe hielt und „Der Schrecken …“ keine Prestige-Produktion war, konnte er sie ohne Einmischung von ‚oben‘ realisieren.

Das Mädchen und das Ungeheuer

Für die anspruchsarme Fraktion des Publikums entstand ein bildstarkes, ereignisreiches Gruselgarn ohne Längen und Abschweifungen. Arnold ergänzte den abenteuerlichen Horror durch eine beinahe poetische Botschaft, indem er zwischen dem ‚Monster‘ und der weiblichen Hauptrolle eine quasi erotische Beziehung knüpfte. „Die Schöne und das Biest“ war schon 1954 ein ebenso dienstaltes wie bewährtes Konzept. Mit „King Kong und die weiße Frau“ hatte man es u. a. 1933 auf den Punkt gebracht. Nun war es der „Gill-Man“ (gill = Kieme), der von der schönen Kay Lawrence fasziniert ist, als sie kaum bekleidet in ‚seinem‘ Fluss taucht. Klassisch ist die Szene, in der sie sich ahnungslos unter Wasser dreht und wendet, während er darunter wie ein Spiegelbild ihre Bewegungen nachahmt, ohne sie dabei zu berühren.

Was diese Szene implizierte, war den zeitgenössischen Zuschauern durchaus klar. Die Zensur war machtlos, denn Arnold hatte erotisches Begehren genial (und gesetzkonform) verschlüsselt. Dreadstone/Harris ignoriert dies nicht nur, sondern konterkariert es: Aus dem eleganten Gill-Man wird bei ihm eine beinahe Godzilla-große, ungeschlachte Karikatur; ein Zwitterwesen, das nicht nur Kiemen, sondern auch Lungen besitzt sowie hinten wechselwarm wie ein Reptil und am Kopfende gleichwarm wie ein Säugetier ist.

Wieso sollte sich ein solches Wesen in eine Menschenfrau vergucken? Absurderweise lässt Dreadstone/Harris dies dennoch geschehen. Während man den Gill-Man in der Vorlage sogar bemitleiden konnte - wer kennt nicht die Qualen einer ‚unmöglichen‘ Liebe? -, wirkt seine Besessenheit bei Dreadstone/Harris nur lächerlich.

Wie man ein Monster auf die Palme bringt

Man reibt sich verwundert die Augen, denn der Verfasser gibt sich auch sonst jede Mühe, dem Film so ausgiebig wie möglich seinen Zauber auszutreiben. Der Gill-Man gibt den King Kong; er holt einen Helikopter aus der Luft, und als urplötzlich ‚primitive Indios‘ aus dem Büschen springen, vergisst er, dass diese ihn bisher als Gottheit verehrten, und stampft das Urwald-Dorf und seine Bewohner buchstäblich in Grund und Boden: Hier musste der Autor offenbar kreativ werden, um sein Garn auf Länge zu bringen.

Ständig fängt die Kreatur die kreischende Kay, um sie prompt dorthin zu verschleppen, wo sie problemlos befreit werden oder flüchten kann, worauf eine neue Runde im Kampf zwischen Mann und Monster um das Mädchen beginnt. Es bleibt genug Zeit für Eifersüchteleien zwischen den ebenfalls geilen Rettern David und Bruno; selbstverständlich sticht der US-Amerikaner den nazi-verdächtigen Deutsch-Brasilianer aus. Überhaupt tränkt Dreadstone/Harris seine Figurenzeichnungen in Klischees, was er durch Irrationalität in Rede und Verhalten (die eventuell auf die Kürzung des Originalromans zurückgehen) noch verschärft.

Im Finale steht nicht David dem Gill-Man dem Finale im Kampf um ‚ihr‘ Mädchen gegenüber. Stattdessen taucht ein brasilianisches Torpedo-Boot auf. Damit ist die Sache schnell und unromantisch entschieden - und anders als der Film von 1954 wird der Roman von 1977 keine Fortsetzung erfahren, da auch ein Gill-Man nicht mehr wiederkehrt, wenn man ihn in Fetzen sprengt …

Fazit:

Aus unerfindlichen Gründen wird nicht der klassische Film nacherzählt, sondern quasi neu interpretiert, wobei die ursprüngliche Intention völlig über Bord geworfen wird: Es bleibt nur ein x-beliebiges Monster-Garn, das auch noch schlecht geschrieben ist.

Das Monster der schwarzen Lagune

Carl Dreadstone, Pabel

Das Monster der schwarzen Lagune

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