Für Menschen verboten

  • Goldmann
  • Erschienen: Januar 1964
  • 0
Für Menschen verboten
Für Menschen verboten
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Michael Drewniok
70°1001

Phantastik-Couch Rezension vonJun 2020

Detektiv trifft Außerirdische

Im Jahre 1986 gelingt in diesen (alternativen) Vereinigten Staaten von Amerika die Entwicklung eines bahnbrechenden Verfahrens zur Materieübermittlung: Menschen und Fracht können per Teleportation in Nullzeit an jeden gewünschten Ort geschafft werden. Diese Erfindung wird nicht nur das Verkehrswesen revolutionieren, sondern alle Aspekte des Alltagslebens verändern. Nicht alle Menschen scheinen davon begeistert zu sein. Privatdetektiv Jan Darzek wird mit einer perfiden Form von Sabotage konfrontiert. Angeheuert hat ihn Ted Arnold, leitender Ingenieur der Teleportations-Gesellschaft, nachdem Reisende zwar abgestrahlt, aber am Zielort nicht empfangen wurden.

Sind sie zwischen den Dimensionen ‚hängengeblieben‘? Für die „Universal Teleport“, wäre dies ein vernichtender Rückschlag. Darzek entdeckt allerdings, dass es immer dieselben, stets gut maskierten ‚Reisenden‘ sind, die auf die beschriebene Weise ‚verschwinden‘. Sein Erfolg bleibt den Verdächtigen nicht verborgen; sie versuchen, Darzek zu entführen und scheitern nur knapp. Der Detektiv geht in die Offensive. Als er das nächste Mal einen der Saboteure beschattet, folgt er ihm mit einem beherzten Sprung in den manipulierten Senderstrahl - und findet sich auf dem Erdmond wieder!

Außerirdische Intelligenzen fürchten, dass der Mensch per Materietransmitter ins All vorstoßen wird, wo man ihn noch lange nicht sehen möchte. Sie wollen die neue Technik in Verruf bringen. Darzek sieht sich in die Rolle eines unfreiwilligen Botschafters der Menschheit gedrängt; ein Himmelfahrtskommando, denn der ET-Mondstation geht buchstäblich die Luft aus, was ausgerechnet seine Schuld ist und die Verhandlungen nicht gerade erleichtert …

Die Vergangenheit der Zukunft

Als Lloyd Biggle „Für Menschen verboten“ schrieb, lag 1986 beruhigend weit in einer Zukunft, die der Autor nach eigenen Vorstellungen gestalten konnte. Als sich das Jahr X dann tatsächlich näherte, mag Biggle der Gedanke gekommen sein, lieber ein wenig weiter in die Zukunft vorgerückt zu sein. die Teleportation glänzte durch vollständige Abwesenheit. Auch sonst hatte die Zeit Biggles Geschichte überrollt. Bahnbrechende Erfindungen wurden längst nicht mehr im stillen Kämmerlein oder wie in unserem Roman in einem baufälligen, zum Abriss freigegebenen Lagerschuppen gemacht. Das denkende, mit Hightech ausgestattete Kollektiv hatte dem individuellen Genie weitgehend den Garaus gemacht.

Sollte der Mensch irgendwann doch teleportieren können, ist davon auszugehen, dass die dafür gebauten Stationen in Konzept und Gestalt nicht den Bahnhöfen des 19. und 20. Jahrhunderts entsprechen werden. Dann wäre ein Jan Darzek allerdings arbeitslos als Detektiv, der sich zwanglos unter die abreisenden oder eintreffenden Gäste mischt und mit scharfem Auge statt moderner Überwachungstechnik ermittelt.

„Für Menschen verboten“ ist ein Unterhaltungsroman und kein Gedankenmodell für die Zukunft. Biggle musste deshalb vereinfachen. Die faktisch kaum absehbaren Umwälzungen, die eine Teleportations-Technik mit sich brächte, kann er nur andeuten, zumal der Plot eine ganz andere Richtung ansteuert. Das Teleportieren ist nur Katalysator. Den sich darum drehenden Handlungsstrang bettet Biggle deshalb nicht harmonisch in eine detailliert dargestellte Zukunftsgesellschaft ein, sondern rammt ihn förmlich in den Alltag eines nur notdürftig modifizierten Jahres 1963.

Auf dem Mond wird alles besser

Altmodisches, aber echtes Science-Fiction-Feeling kommt auf, sobald Darzek auf dem Mond gelandet bzw. gestrandet ist. Plötzlich wird deutlich, was Biggle sehr viel stärker interessiert als zukünftige Hightech: So filigran, wie er bisher nicht vorging, schildert er die schwierige, behutsame, von beiderseitigem Misstrauen und Missverständnissen geprägte Kontaktaufnahme zwischen Mensch und Außerirdischen.

Hier finden wir jenen Einfallsreichtum, der SF so faszinierend machen kann. Der Musikwissenschaftler Biggle nutzt die gesamte Spannbreite der Kommunikation: Der Sinn eines Wortes wird nur zum Teil durch seine Buchstaben definiert, ebenso wichtig ist der Klang; der Originaltitel spielt darauf an. Sowohl Darzek als auch seine ‚Gastgeber‘ müssen lernen, zwischen den ‚Zeilen‘ zu lesen, um zu einer echten Verständigung zu kommen - ein Prozess, der hier nur anfänglich von Gewalt begleitet wird.

Diese lenkt davon ab, dass Biggle, der bisher primär Kurzgeschichten geschrieben hatte, der ‚lange Atem‘ für einen Roman noch fehlte. Die Handlung zerfällt in drei Episoden, die sich nicht wirklich zu einem Gesamtgeschehen fügen. Biggle beginnt mit einer Kriminalgeschichte, in der die wenigen SF-Elemente fremd wirken. Sehr abrupt schwenkt der Plot um; die SF bekommt auf dem Mond die Oberhand. Der lange Epilog, der noch folgt, ist für die eigentliche Handlung irrelevant; der Leser bekommt den Eindruck, Biggle müsse Seiten schinden, um sein Buch auf die mit dem Verlag vereinbarte Länge zu bringen.

Die Zukunft ist gar nicht so wild

Durch gute Detailarbeit kann Biggle die Defizite der Handlung wettmachen. Hier sei noch angefügt, dass „Für Menschen verboten“ in der Zeit des Kalten Krieges zwischen den Supermächten USA und Sowjetunion entstand. Die daraus resultierenden Differenzen haben zwar keinen Einfluss auf die Handlung, fließen aber als jederzeit zu berücksichtigende ‚Realität‘ mehrfach in das Geschehen ein.

Die Handlung spiegelt zudem einen ausgeprägten Sinn für trockenen Humor wider. Viele Scherze zünden zwar nicht mehr, weil sie zu stark ihrer Entstehungszeit verhaftet sind, und manche gehen nach hinten los; Biggles Spiel mit Vorurteilen, die gern mit dem weiblichen Geschlecht in Verbindung gebracht werden, wirkt nur noch altmodisch. Freilich schließt die Überzeichnung sämtliche Figuren ein und macht auch vor den Außerirdischen nicht Halt. Ernstnehmen kann man den Masterplan der Außerirdischen kaum. Für ihr sinnarmes Sabotieren findet Biggle eine charmante Begründung: Verwirrung stiftet auf der Erde kein Team qualifizierter ET-Spezialisten, sondern eine überforderte Not-Besatzung.

Zu ihrem Glück treffen sie auf Erdmenschen, die selbst keine Geistesleuchten sind. Biggle verulkt milde verbohrte Politiker, auf den schnellen Dollar fixierte Geschäftsmänner, allzu wirklichkeitsfremde Wissenschaftlern und den normalen Durchschnittsmenschen, der lange partout nicht begreifen will, welche Vorteile die Teleportation bietet, sondern misstrauisch nach dem Haken an der Sache fragt. Als dann die reisezeitlose Mondfahrt möglich wird, tummeln sich auf dem Erdtrabanten zum Ärger der Forscher immer neue Prominente, die sich einige vergnügte Stunden in verminderter Schwerkraft machen wollen und wie Fleisch gewordene Mondkälber durch die Krater tollen: Diese Passagen konnten ihren Witz bewahren!

„Für Menschen verboten“ gehört nicht zu den Klassikern der Science Fiction. Lloyd Biggle hatte aber den richtigen Ton getroffen: Seinen Lesern gefiel die Mischung aus nie bierernster SF und Krimi. Drei Jahre später kehrte Jan Darzek zurück, und in den 1970er Jahren ließ Biggle drei weitere Romane folgen.

Fazit:

Angenehme „Begegnung der vierten Art“, die das übliche „Aus-Fremden-werden-Freunde“-Prozedere durch den Verzicht auf Blaster-Geballer und trockenen Humor bricht und dadurch die inkohärente und altmodische Handlung zur trotzdem immer noch angenehmen Lektüre macht.

Für Menschen verboten

Lloyd Biggle, Goldmann

Für Menschen verboten

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