Feuer kann einen Drachen nicht töten

  • Penhaligon
  • Erschienen: November 2020
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Feuer kann einen Drachen nicht töten
Feuer kann einen Drachen nicht töten
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Marcel Scharrenbroich
95°1001

Phantastik-Couch Rezension vonFeb 2021

Das Lied von Schweiß und Tränen

Bei Tyrions zauseligem Bart… DER WINTER IST WIEDER DA!

„Game of Thrones und die offizielle, noch unbekannte Geschichte der epischen Serie“. So lautet der volle Untertitel von „Feuer kann einen Drachen nicht töten“…, der - wenn man kleinlich ist - eigentlich über dem Titelschriftzug auf dem Cover steht, aber das wäre Haarspalterei, mit der wir uns nicht aufhalten wollen. Das Buch hat nämlich so viel zu bieten, dass ich mich am Riemen reißen muss, um nicht den inhaltlichen Rahmen zu sprengen. Hier erfährt der geneigte Leser nämlich ALLES, rund um seine Lieblingsserie.

Während im Februar wettertechnisch das passierte, worauf man bei „Game of Thrones“ jahrelang warten musste, und man anhand der panischen Berichterstattung denken mochte, dass (mimi)mit dem Schnee der erste Winter seit Menschheitsgedenken Einzug hielt, begann ein weiteres Jahr, in dem man auf einen adäquaten Ersatz des HBO-Quotenhits hofft. High Fantasy ist im TV noch immer recht spärlich gesät, während Crime und Drama (nicht nur in den Nachrichten) in Dauerrotation laufen. Klar, lässt sich auch viel einfacher umsetzen… vor allem kostengünstiger. Lässt man die CGI-Effekte, die vor allem in den späteren „Thrones“-Staffeln eingesetzt wurden, mal außen vor, bleibt immer noch ein Mammut-Projekt, welches die Macher rund um den Globus führte, einen gewaltigen Cast unter einen Hut brachte, ausstattungstechnisch neue Maßstäbe in der TV-Landschaft setzte und – nicht zuletzt – eine riesige Fan-Gemeinde im Rücken hatte, die die Macher bei einer schlampigen Adaption ihrer Lieblingsromane wohl in der Luft zerfetzt hätte, dass es selbst Gregor Clegane heue noch voller Ehrfurcht die Kinnlade aus der Verankerung reißen würde. „The Witcher“ war dank der populären Roman-Vorlagen von Andrzej Sapkowski und den erfolgreichen Games von CD Projekt RED eine ganz interessante Alternative, die es sich durch ihre unkonventionelle Erzählweise (speziell für Neulinge im „Witcher“-Universum) selbst schwermachte. Ich persönlich war nach den Vorschusslorbeeren etwas abgetörnt und ernüchtert, werde der zweiten Staffel (voraussichtlich im Sommer 2021 auf NETFLIX) aber bestimmt wieder folgen. Man nimmt halt, was man kriegt… „Cursed – Die Auserwählte“, basierend auf dem gleichnamigen Roman von Thomas Wheeler und Frank Miller, ging leider komplett ins Höschen. Weitere Ausführungen spare ich mir hier, da ich mich sonst wieder in Rage rede und aus dem Anzug springe. Recht hoffnungsvoll blicke ich noch auf den TV-Neuling „Shadow and Bone“, mit dem NETFLIX im April Leigh Bardugos „Grisha“-Reihe und das stetig wachsende „Grishaverse“ ins Serien-Rennen schickt. News zur geplanten „Herr der Ringe“-Serie von AMAZON lassen ja weiterhin auf sich warten, obwohl bereits ein Start Ende 2021 angepeilt ist. Das bis dato teuerste Serien-Projekt der TV-Geschichte wird hoffentlich überzeugen, da bereits mehrere Staffeln und Spin-offs im Gespräch sind. Wir halten jedenfalls beide Augen offen. Bis es soweit ist, werde ich mir aber die Zeit noch einmal mit „Game of Thrones“ vertreiben, denn „Feuer kann einen Drachen nicht töten“ hat mich wieder richtig angefixt. So sehr, dass eine erneute Sichtung kaum abwarten kann und so manche Szene mit Sicherheit mit anderen Augen sehen werde. Warum? Das erzähle ich Euch jetzt… endlich… [Memo/Rabe an mich: kürzer fassen]

Wie man eine Lawine ins Rollen bringt

Fantasy war Neuland im TV. Zumindest groß angelegte, epische Fantasy. George R. R. Martin, Autor von „Das Lied von Eis und Feuer“, schreibt noch heute an der Fortsetzung seiner Saga, die bereits 1996 (und seit 1997 auf Deutsch bei BLANVALET und später PENHALIGON erschienen) ihren Anfang nahm. 2005 kam aber Schwung in die Sache, als Martins Literaturagent die Romane an David Benioff, einem damaligen Drehbuch-Senkrechtstarter, schickte. Martin selbst war nicht sehr begeistert von einer filmischen Adaption, hielt er seine Werke doch selbst für zu komplex und umfangreich, um einen Spielfilm oder im besten Fall eine ganze Trilogie zu füllen. Selbst solche Rahmen hätte sein bis dahin verfasstes Werk mühelos pulverisiert. Zuvor stand das Telefon des Schriftstellers nicht mehr still, da Studios ihn mit Anfragen überhäuften. Jedoch hätten sie alle enorm in die Handlung eingegriffen. Sie gekürzt und derart verstümmelt, wie Martin es nicht mal seinen eigenen Protagonisten in den sieben Königslanden antun würde. Benioff, selbst ein großer Fantasy-Liebhaber, erkannte sofort das Potential. So holte er seinen Freund und Schreibpartner Dan Weiss ins Boot. Schnell kamen sie überein, dass sie nie etwas besseres im Genre gelesen hatten. Und ebenso schnell wurde ihnen klar, dass man aus dem Stoff eine Serie machen müsste. Alles andere würde der Vorlage nicht gerecht werden. Eine Staffel pro Roman. So wäre (bei Erfolg) eine langfristige Arbeit gesichert. Aber so weit war es noch nicht…

George R. R. Martin stimmte einem Treffen mit den beiden Autoren zu und konnte durch deren leidenschaftlichen Enthusiasmus überzeugt werden. Sie hatten sich hervorragend vorbereitet und überraschten den Schriftsteller mit genauen Vorstellungen einer TV-Umsetzung. Martin war an Bord. Das war aber nur der kleinste Teil des Marsches, denn schließlich musste noch ein Sender gefunden werden, der auch ordentlich Kohle in die Hand nimmt. Sieht man mal vom finanziellen Aspekt ab, der bereits vielen Network-Verantwortlichen einen Teint von Leichenblässe in die Visagen zaubern würde (feuerspeiende Drachen wachsen schließlich nicht auf Bäumen), musste es auch noch eine Anlaufstelle sein, die mit Nacktheit und ausufernder Brutalität keinerlei Problem hätte. Auftritt: HBO.

HBO ist bekannt für hochwertige Serien wie „Westworld“, „True Detective“ und aktuell „The Undoing“. Diesen Ruf erarbeiteten sie sich schon früh und konnten den Vorteil nutzen, dass durch den Pay-TV-Aspekt durchaus mehr Freiräume bei den Inhalten entstanden. Dank zahlender Abonnenten fiel der Jugendschutz flach und es durfte geflucht, gemordet und gebumst werden. Formate wie „Oz – Hölle hinter Gittern“, „Sex and the City“, „The Wire“, „Die Sopranes“ und „Six Feet Under“ gingen neue Wege und waren Vorreiter moderner TV-Unterhaltung. Mit „Band of Brothers“, „Deadwood“ und „Rom“ hatte man auch Stoffe im Programm, die durchaus aufwändig in Szene gesetzt wurden. Speziell wegen „Rom“ hatte man auch Bedenken bei der Umsetzung von „Game of Thrones“. Die Geschichte über den Untergang der Römischen Republik veranschlagte nämlich ein ordentliches Budget, was die Zuschauer nicht honorierten und zur Absetzung nach zwei Staffeln führte. Entsprechend verhalten war man noch bei HBO. Carolyn Strauss (ehemals Programming President beim Network) war zwar nicht direkt begeistert von dem Pitch, den Benioff und Weiss auf den Tisch knallten, konnte aber eines Besseren belehrt werden. Die Story würde Fantasy auf ein ganz neues Level heben. So war es auch Carolyn Strauss, die ihren Nachfolger Michael Lombardo überzeugte, an dem Stoff festzuhalten. Hier tricksten die zukünftigen Showrunner Benioff und Weiss ein wenig, indem sie angaben, dass die erste Staffel überschaubar ausfallen würde. Sie wussten es natürlich besser, waren sie doch bereits mit dem aktuellen Stand in Martins Roman-Welt vertraut. Hätten sie mit offenen Karten gespielt und Lombardo und HBO von riesigen, feuerspeienden Drachen, zig verschiedenen Protagonisten in einem schon fast unübersichtlich großem Darsteller-Ensemble, parallelen Dreharbeiten auf gleich mehreren Kontinenten und epischen Schlachten, die allein wochenlange Dreharbeiten in Anspruch nehmen würden, erzählt, hätte man sie wohl mit brennenden Fackeln durch die Büroräume getrieben. So hatten sie aber mehr als einen Fuß in der Tür. Zu diesem Zeitpunkt ahnte freilich noch niemand, dass sie gerade dabei waren, die bislang erfolgreichste und populärste Serie der Welt aus dem Boden zu stapfen. Viel Zeit, um sich gegenseitig auf die Schultern zu klopfen, blieb aber nicht, denn die wahre Herkulesaufgabe stand noch an…

Thron-Geflüster

James Hibberd, Journalist und Autor dieses Buches, begleitete „Game of Thrones“ von Beginn an. Immer wieder besuchte er die aufwändigen Sets rund um den Erdball und führte unzählige Interviews mit Cast und Crew. Dementsprechend dicht und spannend lesen sich auch seine Aufzeichnungen. Chronologisch wird die Erfolgsgeschichte beleuchtet, die mit der Arbeit von George R. R. Martin beginnt, sich über die nicht ganz einfachen Verhandlungen mit HBO fortsetzt und im Löwenanteil selbstverständlich alle 8 Staffeln detailliert seziert. Eine großartige, intensive Reise, bei der man sich als Leser fühlt, als wäre man mittendrin. Dabei geht es mal extrem lustig zu, wenn sich am Set gegenseitig Streiche gespielt wurden, dann werden wiederum Passagen verdeutlicht, bei denen man auf Grund des begrenzten Budgets Kompromisse eingehen musste. Und diejenigen, die während der letzten beiden Staffeln nur noch am meckern waren, dass dies nicht stimmte, das nicht stimmte, die Handlung zu sehr nach vorne preschte, die Qualität gelitten hätte und den Machern ihr Herzblut am Projekt absprachen, sollten ganz besonders mal einen Blick in das Buch werfen. Um solch ein tonnenschweres Gewicht wie „Game of Thrones“ zu schultern UND es noch zu einem Abschluss zu bringen, wo manch andere Serie unvollendet auf halben Weg krepiert, brauchte es schon mehr als zwei starke Schultern, was man Benioff und Weiss nicht hoch genug anrechnen kann. Für meinen Teil, gehöre ich wohl zu den wenigen, die das Ende der Serie ziemlich rund fanden. Martin und die Macher haben uns mit wilden Twists die Beine weggezogen, uns Charaktere nahegebracht, die von jetzt auf gleich blutig aus der Handlung getilgt wurden, haben uns schockiert auf den Bildschirm starren lassen und uns mit der vorletzten Folge der finalen Staffel („Die Glocken“) einen actionreichen Effekt-Overkill geboten, den ich bis zu diesem Zeitpunkt in keinem TV-Format gesehen hatte… da wird man doch nicht allen Ernstes denken, dass es am Ende allen Zuschauern rechtgemacht werden konnte, oder? Nur eine persönliche Einschätzung, aber ich war ja auch mit dem ursprünglichen Ende von „Akte X“ und dem „Lost“-Finale zufrieden.

Dass bei den Dreharbeiten nun aber alles nach Plan verlief, sollte keinesfalls angenommen werden. Hier scheut sich Hibberd auch nicht, die Probleme an den Sets anzusprechen. Natürlich auch nicht die Kritik, die zum Ende auf die Serie einprasselte. „Feuer kann einen Drachen nicht töten“ ist keine fast 500 Seiten lange Lobhudelei, sondern ein intensiver Erlebnisbericht. Nicht nur aus der Sicht Hibberds, sondern vor allem aus den Blickwinkeln der Darsteller. Hier kommen so ziemlich alle zu Wort und plaudern aus dem Nähkästchen. Peter Dinklage (Tyrion Lennister), Emilia Clarke (Daenerys Targaryen), Kit Harington (Jon Schnee), Maisie Williams (Arya Stark), Sophie Turner (Sansa Stark), Iwan Rheon (Ramsay Bolton), Lena Headey (Cersei Lennister), Nikolaj Coster-Waldau (Jaime Lennister), Carice van Houten (Melisandre), Pedro Pascal (Oberyn Martell), Natalie Dormer (Margaery Tyrell), Gwendoline Christie (Brienne von Tarth), Isaac Hempstead-Wright (Bran Stark), Aidan Gillen (Petyr „Kleinfinger“ Baelish), Kristian Nairn (Hodor), John Bradley (Samwell Tarly), Alfie Allen (Theon „die arme Sau“ Graufreud) und, und, und… Selbstverständlich kommen auch Benioff und Weiss, „Thrones“-Mastermind George R. R. Martin sowie zahlreiche Crew-Mitglieder mehrfach zu Wort, um Geheimnisse aus der wilden Achterbahnfahrt, die das Abenteuer „Game of Thrones“ für sie war, mit den Lesern zu teilen.

Fazit:

„Feuer kann einen Drachen nicht töten“ kann ich jedem, der nur ansatzweise etwas mit „Game of Thrones“ anzufangen weiß, wärmstens ans Herz legen. Selten bekommt man bessere und zugleich unterhaltsame Einblicke hinter die Kulissen eines derart ambitionierten Projekts. Allen Beteiligten ist das Herzblut an der Sache stets anzumerken, was sehr sympathisch und für Hollywood-Verhältnisse, wo in den meisten Fällen nur auf den Profit geschielt wird, schon fast ungewohnt ehrlich rüberkommt. Der dicke Umschlag des Hardcover-Buchs aus dem PENHALIGON Verlag offenbart nach dem Ausklappen dann noch ein Poster, welches ein Zitat von Cersei Lennister ziert. Eine ziemlich perfekte und informative Ergänzung des persönlichen „Thrones“-Archivs.

[Memo/Rabe an mich: hat wieder nicht geklappt]

Feuer kann einen Drachen nicht töten

James Hibberd, Penhaligon

Feuer kann einen Drachen nicht töten

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