13 mal Halloween - Gruselstories aus Meisterhand

  • Heyne
  • Erschienen: Januar 1985
  • 0
13 mal Halloween - Gruselstories aus Meisterhand
13 mal Halloween - Gruselstories aus Meisterhand
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Michael Drewniok
70°1001

Phantastik-Couch Rezension vonOkt 2020

Kürbis, Kirche, Kriminelle: 13 düstere Geschichten

Das Herausgeber-Trio präsentiert symbolische 13 nicht immer übernatürliche, sondern auch im kriminellen Milieu verwurzelte Geschichten, die in der Nacht vom 31. Oktober auf den 1. November spielen, in der eigentlich fromme Heilige verehrt werden sollen:

- Isaac Asimov: Vorwort - Die Mächte des Bösen (Introduction: The Forces of Evil), S. 7-12

- Isaac Asimov: Halloween (Halloween; 1975), S. 13-19: Das letzte Wort des auf der Flucht umgekommenen Diebes lautete „Halloween“; ein Rätsel, das rasch gelöst werden muss, denn gestohlen (und versteckt) wurde Plutonium.

- William Bankier: Gottlose Hybride (Unholy Hybrid; 1963), S. 20-32: Sutter Clay ist ein begnadeter Gärtner, doch was in der fruchtbaren Erde seines Gartens heranwächst, hätte er lieber unter der Oberfläche bzw. überhaupt nicht gesehen.

- Anthony Boucher: Mord an Halloween (Trick-or-Treat/The Ghost with the Gun; 1945), S. 33-79: Wie stellt man einen Mörder, der seine Tat gut kostümiert am Halloween-Abend begeht?

- Ray Bradbury: Ein herbstliches Spiel (The October Game; 1948), S. 56-68: Der wahnsinnig gewordene Mich entdeckt Halloween als Möglichkeit, sich auf eine Weise an seiner Gattin zu rächen, die (nicht nur) sie es niemals vergessen wird.

- Robert Grant: Halloween Girl (Halloween Girl; 1982), S. 69-80: Eine durch vorzeitigen Tod beendete Freundschaft lebt am Halloween-Tag wieder auf.

- Edward D. Hoch: Der Tag des Vampirs (Day of the Vampire; 1972), S. 81-104: Ein Vampir macht sich schlau den Kleinstadt-Wahlkampf um den Sheriff-Posten zunutze, um von seinem Nahrungserwerb abzulenken.

- Talmage Powell: Die Nacht des Kobolds (Night of the Goblin; 1981): S. 105-119: Der kleine Bobby findet einen Weg, den widerwärtigen Fast-Stiefvater aus seinem Heim zu vertreiben.

- Ellery Queen: Das Abenteuer der toten Katze (The Adventure of the Dead Cat; 1946), S. 120-147: Wer einen Mord plant, sollte nicht unbedingt zur Tat schreiten, wenn Meisterdetektiv Ellery Queen zu den Gästen zählt.

- Al Sarrantonio: Kürbiskopf (Pumpkin Head; 1982), S. 148-164: Er hat gegen seine Natur angekämpft, doch ahnungslos sorgen seine Mitmenschen dafür, dass diese sich gewaltsam Bahn bricht.

- Lewis Shiner: Der Kreis (The Circle; 1982), S. 165-176: Die Rache des abservierten Liebhabers (und Hexenmeisters) trifft die Ex und ihre ebenfalls verabscheuten Freunde klassisch in der Nacht von Halloween.

- Edith Wharton: Allerseelen (All Souls‘; 1937), S. 177-213: In einer unvergesslichen Nacht beginnt Sara Clayburn zu ahnen, dass ihre treuen Bediensteten ein gottloses Doppelleben führen.

- Gahan Wilson: Kindheitshexe (Yesterday's Witch; 1973), S. 214-225: Auf besondere Weise sorgt die alte Hexe dafür, dass auch sie zu Halloween ihren Spaß hat.

- Robert F. Young: Opfer des Jahres (Victim of the Year; 1962), S. 226-250: Ein glücklicher Zufall sorgt dafür, dass der nicht grundlos vom Pech verfolgte Harold den Spieß herumdrehen kann.

Fröhlicher Mensch & misstrauische Kirche

Bevor der Mensch seinen Lebensunterhalt primär in Fabriken und Büros verdiente, musste er viele Jahrtausende auf Feldern und Wiesen schuften. Es war ein buchstäblich hartes Brot, das er sich mit der Landwirtschaft sicherte, weshalb verständlich ist, dass das Ende des Kampfes um Korn und Rüben alljährlich mit Erleichterung begrüßte wurde.

In Europa und in den nordamerikanischen ‚Kolonien‘ geschah dies recht flächendeckend am 1. November. Die Ernte war eingefahren und ordentlich in Scheunen und Vorratsräumen untergebracht. Vor dem kalten Winter versteckte man sich im halbwegs warmen Haus und reparierte die Gerätschaften, die man seit dem Frühling über viele Äcker gezerrt hatte. Man konnte ausruhen, und falls der Ertrag ordentlich ausgefallen war, so etwas wie einen Urlaub einschieben.

Den (hoffentlich) glücklichen Ausklang des Erntejahres beging man verständlicherweise gern festlich, wobei man den in dieser Vergangenheit noch allgegenwärtigen und zahlreichen Naturgottheiten seinen Dank abstattete. Dabei ging es hoch her, was rasch die christliche Kirche auf den Plan rief, die hier Heidentum und Götzendienst witterte. Wie Mit-Herausgeber Isaac Asimov in seinem Vorwort erläutert, war man schlau genug, die handfeste Freude über das Erntejahr nicht spielverderbend abzuwürgen. Der 1. November wurde ‚adaptiert‘, d. h. kirchlich vereinnahmt. Man stülpte ihm eine neue Bedeutung über: Gefeiert wurden nunmehr sämtliche Heiligen des Kirchenjahres. „All Hallow’s Eve“ - der Feiertag begann bereits, wenn am 31. Oktober die Sonne unterging - verschliff sich begrifflich nach und nach zu „Halloween“ und gedieh prächtig, auch wenn der fromme Hintergrund spätestens im 20. Jahrhundert in den Hintergrund trat.

Fest der Lebenden und der Toten

Dies geschah (natürlich) vor allem in den USA, wo Halloween stattdessen als fröhlich-gruselige Nacht zelebriert wird, in der die Toten auf die Erde zurückkehren und sich unter die Menschen mischen, die sich ihrerseits verkleiden, einander Schrecken einjagen und - falls jüngeren Alters - Süßigkeiten eintreiben. Nur notorische Tugendbolde sehen darin eine Vergötzung dämonischer Umtriebe, denn tatsächlich geht es um die Freude am nie wirklich ernstgenommenen Grauen.

Für Geschichtenerzähler war und ist Halloween eine Steilvorlage: Was wäre, gingen in dieser Nacht die Geister wirklich um? In „13mal Halloween“ beantworten die Autoren diese Frage auf unterschiedliche Weisen. Edith Wharton (1862-1937) gehört jener Generation von Schriftstellern an, die sich dem Thema ‚ernsthaft‘ und ‚literarisch‘ nähern. „Allerseelen“ ist ein primär atmosphärisch starkes Garn, deren Verfasserin einen Schrecken zu schüren weiß, der gänzlich ohne plakative Entladung auskommt. Die Auflösung mag dem nicht standhalten - ein bekanntes Problem der Phantastik -, doch ansonsten vermag diese Geschichte ihre Wirkung noch heute zu entfalten.

Auf „Pulp“-Niveau wollen William Bankier (1928-2014), Al Sarrantonio (*1952), Lewis Shiner (*1950) und Robert F. Young (1915-1986) den Halloween-Schrecken beschwören. Sie gehen vordergründig ans Werk, lassen den Teufel und seine Schergen tatsächlich tanzen und scheuen dabei nicht vor drastischen Effekten zurück. Der eher für seine grusel-sentimentalen Cartoons bekannte Gahan Wilson (1930-2019) lässt sie lässig hinter sich zurück mit seiner stimmungsvollen Story um eine böse Hexe, die den Halloween-Spieß umdreht.

Die Nacht des wahren Grauens

Ideenmüde bleibt ausgerechnet Mit-Herausgeber Isaac Asimov (1920-1992) mit einem Final-‚Gag‘, der höchstens peinlich überrascht. Nicht unbedingt origineller, aber immerhin einfallsreicher geht Edward D. Hoch (1930-2008) vor; seine scheinheilige Schilderung einer nur vordergründig heilen US-Hinterwelt bereitet größeres Vergnügen als die eher obligatorische Auflösung der übernatürlichen Hintergrund-Story. Robert Grant gerät mit seinem Versuch, im Halloween-Horror kindliche Trauer widerzuspiegeln, hart an die Kante zur Sentimentalität, kann aber gerade noch die Ziellinie erreichen.

Nicht grundlos findet sich Ray Bradbury (1920-2012) mit einer zum Klassiker gereiften Halloween-Story in dieser Sammlung wieder. Sentimental und nostalgisch sind seine Storys oft, aber man darf Bradbury nicht darauf festnageln: Sein Talent geht weit darüber hinaus. „Ein herbstliches Spiel“ ist die frühe, intensive und eindringliche Charakterstudie eines Soziopathen, die elementares Grauen ohne übernatürliches Wirken vermittelt.

Anthony Boucher (= William Anthony Parker White [1911-1968]), Talmage Powell (1920-2000) und Ellery Queen (= Frederic Dannay [1905-1982] u. Manfred Bennington Lee [1905-1971]) verzichten gänzlich auf Dämonen, Hexen und Gespenster. Ihre Geschichten ereignen sich zwar in der Halloween-Nacht, übernehmen das Ambiente jedoch höchstens dekorativ, und erzählen von Verbrechen, die sich jederzeit ereignen könnten, wobei Boucher Halloween-Elemente immerhin plotprägend aufgreift.

Fazit:

Halloween wird als Bühne für Horror und Humbug genutzt, wobei die Klischees überwiegen, was allerdings den Unterhaltungswert dieser Storys nicht zwangsläufig untergräbt. Zu großartigem Grusel gesellt sich solide erschreckendes Mittelmaß; echte Ausfälle bleiben erfreuliche Ausnahme.

13 mal Halloween - Gruselstories aus Meisterhand

Martin Greenberg, Carol-Lynn Rössel Waugh, Isaac Asimov, Heyne

13 mal Halloween - Gruselstories aus Meisterhand

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