Zimmer 103

  • Goldmann
  • Erschienen: Januar 2021
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Zimmer 103
Zimmer 103
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Yannic Niehr
61°1001

Phantastik-Couch Rezension vonMai 2021

Wenn die Sonne untergeht ...

1982: Sie wollte schon immer Schauspielerin werden … Vivian Delaney hat sich hoffnungslos mit ihrer Mutter verkracht. Sie ist auf dem Weg nach Manhattan, auf der Suche nach mehr. Doch sie bleibt im unscheinbaren kleinen Städtchen Fell im Staate New York hängen. Dort ergattert sie einen Job im „Sun Down Motel“, das im Zuge einer großangelegten Aktion zur Attraktivitätssteigerung Fells gebaut wurde, die jedoch nicht nach Plan verlief. Nun wird das Motel nur wenig frequentiert; die einzigen Gäste sind ein junger Drogendealer, ein Geschäftsmann, der sich dort regelmäßig mit seiner Geliebten trifft, die Fotografin, die auf den Ehebruch angesetzt ist, sowie ein reisender Handelsvertreter.

Die Nachtschicht ist lang, dunkel und einsam, und im Motel gehen seltsame Dinge vor sich: Lichter flackern, Türen schlagen auf und zu, eine mysteriöse Frau erscheint und verschwindet wie aus dem Nichts. Könnte mehr dahinterstecken? Fell ist die Stadt der toten Mädchen: In der jüngeren Vergangenheit wurden bereits viele junge Frauen ermordet, die Fälle bislang nie vollständig aufgeklärt. Gibt es bei diesen Taten einen Zusammenhang? Handelt es sich gar um einen Serientäter, der noch auf freiem Fuß ist? Mithilfe der Polizistin Alma Trent beginnt Viv, zu ermitteln – und verstrickt sich in ein finsteres Geheimnis …

2017: Carly, ein junger Krimi- und Horrorfan, möchte wissen, was mit ihrer Tante Viv passiert ist, die 35 Jahre zuvor verschwand. Also kehrt Carly kurzerhand ihrer Familie den Rücken, quartiert sich in Fell ein und übernimmt die Nachtschicht im verlotterten „Sun Down Motel“, in dem sich Vivs Spur damals verlor. Schnell muss sie feststellen, dass es dort nicht mit rechten Dingen zugeht: Nachts nimmt sie den Duft von Zigarettenrauch wahr, ohne dass ein Raucher anwesend wäre, und gelegentlich entdeckt sie auf dem Gelände einen kleinen Jungen – der Geist eines Kindes, das einst im Motelpool ertrunken ist? Gemeinsam mit ihrer Mitbewohnerin Heather und dem hübschen, wenn auch etwas unnahbaren Nick Harkness macht sie sich an des Rätsels Lösung …

„Die Geister sind heute Nacht wach. Sie sind unruhig“

Eine nur oberflächlich beschauliche, amerikanische Kleinstadt, ein unheimliches, abgelegenes Motel, ungelöste Mordfälle und Geistererscheinungen – eigentlich enthält Zimmer 103 alle Zutaten, die ein guter Horrorthriller braucht. Doch leider will die Mischung nicht aufgehen und hinterlässt einen insgesamt eher faden Beigeschmack. Dabei ist Simone St. James keine schlechte Autorin: Ihre 20 Jahre Berufserfahrung in der Filmbranche merkt man dem Buch an, denn es liest sich flüssig und knackig. Um das zentrale Mysteryelement strickt sie eine Story über weiblichen Zusammenhalt sowie die Gefahren, denen Frauen an derart düsteren und vergessenen Orten ausgesetzt sein können – im Kern ist diese thematisch auch durchaus ansprechend. Leider sind sowohl Figuren und Dialoge als auch die einzelnen Szenen klischeebeladen und vorhersehbar; das gilt ebenso für den sympathischen Schlusstwist. Man kann mit den Charakteren zwar ansatzweise warm werden, doch sie bleiben flach. So bewegt sich die Story durchgehend auf einem eher spannungsarmen Grundlevel. Die Idee, die beiden Zeitebenen parallel ablaufen zu lassen (abwechselnd wird von Vivs Erlebnissen berichtet, um sodann im nächsten Kapitel einen Zeitsprung zu Carlys Recherchen zu machen (und gleichzeitig in die Ich-Erzählperspektive zu wechseln)), funktioniert gut, reicht aber nicht aus, das Buch gänzlich zu retten – insbesondere da die übernatürlichen Elemente sich nicht eindrucksvoll genug mit den Mordermittlungen verbinden. Warum ausgerechnet das namensgebende Zimmer 103 als deutscher Titel gewählt wurde, erschließt sich auch nicht wirklich, denn es spielt keine allzu übergeordnete Rolle.

„Manche von uns mögen die Dunkelheit. Sie ist das, was wir kennen“

Punkten kann der Roman immerhin mit seiner Atmosphäre: Aus ihrer Story holt St. James zwar nicht das volle Potenzial heraus, sie hat aber ein Händchen dafür, die Stadt Fell und das „Sun Down Motel“ plastisch zu schildern, und entwirft immerhin die ein oder andere stimmungsvolle Szene, die einem dann doch einen wohligen Schauer über den Rücken jagt. In einer Vorbemerkung widmet die Autorin Zimmer 103 jenen True-Crime-Nerds, die diese Sorte Geschichten einatmen, und outet sich damit implizit als eine von ihnen. Diese ab und an durchscheinende Thrillerlust (gepaart mit einem guten Schuss 80er-Jahre-Nostalgie) verleiht dem Roman wenigstens noch einen gewissen Reiz. Keine Frage, Zimmer 103 hat das Herz am rechten Fleck – doch dem Buch fehlt definitiv das gewisse Etwas, um aus dem Spannungsliteratur-Einheitsbrei herauszustechen.

Fazit:

Simone St. James‘ Zimmer 103 ist handwerklich solide, aber halbgare Genrekost. Als Mysterythriller für zwischendurch, der sich relativ umstands- und anspruchslos lesen lässt, funktioniert der Roman ganz gut – für mehr reicht es leider nicht.

Zimmer 103

Simone St. James, Goldmann

Zimmer 103

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