A Lifetime Full of Fantasy - Das phantastische Kino: Aufstieg, Fall und Comeback

  • Schüren
  • Erschienen: September 2021
  • 0
A Lifetime Full of Fantasy - Das phantastische Kino: Aufstieg, Fall und Comeback
A Lifetime Full of Fantasy - Das phantastische Kino: Aufstieg, Fall und Comeback
Wertung wird geladen
Marcel Scharrenbroich
65°1001

Phantastik-Couch Rezension vonAug 2023

Mehr als Potter

Höhenflug und Renaissance

Genre-Veteranen erzähle ich da nichts Neues, aber es gab ein Fantasy-Leben VOR der „Herr der Ringe“-Trilogie und den „Harry Potter“-Verfilmungen. Kleinlich gesehen geht der Beginn filmischer Fantasy bis ins späte 19. Jahrhundert zurück, doch die Hochzeit begann in den 1950er-Jahren. „Sindbads 7. Reise“ (1958) wurde dank der beeindruckenden Stop-Motion-Aufnahmen von Tricktechnik-Pionier Ray Harryhausen mit staunenden Augen gefeiert und zog zahlreiche weitere Fantasy-Abenteuer nach sich, bevor Harryhausen sich 1981 nach „Kampf der Titanen“ aus dem Business zurückzog. Recht pünktlich, möchte man sagen, denn spätestens Mitte der 80er war die Luft raus aus dem Genre. Zu Beginn des Jahrzehnts trumpften John Boorman mit „Excalibur“ und John Milius mit „Conan der Barbar“ noch mal auf, wovon letzterer dann auch den Grundstein für die langjährige Karriere von Arnold Schwarzenegger legte, doch üppige Sets und Kostüme, Spezialeffekte und zusammengeschraubte Monster verschlangen stangenweise Geld. Geld, das an den Kinokassen nur schwer reingeholt werden konnte. Während billige Klopper, die ebenso billig aussahen, die Videotheken fluteten, nahmen große Studios eine Abwehrhaltung ein, sobald ein Stoff nur ansatzweise nach Fantasy roch. Buddy-Action oder flotte Komödien kosteten halt nur einen Bruchteil. Fantasy war lange Zeit regelrecht tot. Mit dem Aufkommen neuer Techniken regte sich aber wieder was…

Filme wie „Hook“ (1991), „Jumanji“ (1995), „Dragonheart“ (1996) und „Die Mumie“ (1999) wussten die neuartigen Instrumente gut einzusetzen, und plötzlich war wieder Leben in der Bude. 2001 war dann das große Genre-Revival. So groß, wie man es sich wenige Jahre zuvor nicht auszumalen wagte. Unüblich für ein Studio mit Gewinn-Interesse (und welches Studio ist das nicht? Na, Disney… wer?) drückten die Damen und Herren von New Line Cinema ausgerechnet dem neuseeländischen Splatter-Regisseur Peter Jackson bündelweise Kohlen in die Hand, damit dieser gleich alle drei Teile einer Roman-Trilogie verfilmt, die bis dato als unverfilmbar galt. Man mag sich das Desaster gar nicht vorstellen, wären „Die Gefährten“ (2001) gleich im ersten Teil von „Der Herr der Ringe“ finanziell baden gegangen. Es kam bekanntlich anders und endete mit einem Oscar-Regen (11 goldene Bürschchen!!!) für „Die Rückkehr des Königs“ (2003). Kein Wunder, dass andere Studios sich auf fast jeden Fantasy-Schmöker stürzten, den der Markt hergab. Die meisten Verfilmungen gingen aber im Fahrwasser baden und lediglich ein bebrillter Zauberlehrling konnte sich gegen die geballte Tolkien-Macht behaupten. „Harry Potter“ war im Kino ebenso ein Phänomen wie in den weltweiten Buchhandlungen… und machte seine (nicht immer unumstrittene) Schöpferin Joanne K. Rowling zur Milliardärin. Ein Siegeszug, der bis heute anhält, ist die Wizarding World doch mit Theaterstücken und der „Phantastische Tierwesen“-Reihe längst expandiert. Ja, Fantasy lebt… zumindest hin und wieder.

Geprägt

Das Buch von Sassan Niasseri, welches der Vollständigkeit halber den kompletten Titel „A Lifetime Full of Fantasy - Das phantastische Kino: Aufstieg, Fall und Comeback“ trägt, beginnt noch vor der Einleitung mit einem Zitat des Herrn der Finsternis aus „Legende“, eindrücklich und unter dicken Masken-Schichten vom unvergleichlichen Tim Curry („The Rocky Horror Picture Show“, „ES“) verkörpert. Allerdings in englischer Sprache. Warum? Man weiß es nicht… aber vielleicht ein erster Anhaltspunkt für die ganz eigene Legende, dass „wahre“ Cineasten Filme sowieso nur in der Originalsprache schauen. Kann man machen, jedoch haben wir in Deutschland das große Privileg, für einen Großteil der hierzulande übersetzten Produktion die Crème de la Crème der Synchronsprecher-Elite in Aktion zu haben. Deshalb fällt es mir persönlich recht leicht, die hiesige Sprachfassung zu favorisieren. Sei´s drum, das soll jeder für sich entscheiden. Mit „Legende“ hatte Niasseri mich jedenfalls gleich, war der gerade durch seine opulenten Sets und aufwändigen Make-up-Effekte beeindruckende Streifen von Ridley Scott doch 1985 für einen damals (viel zu) jungen Burschen ein echtes Highlight. An die erste Sichtung und die schier reißerische Spannung zu Beginn, als die schöne Lili (Mia Sara) sich vor den finsteren Schergen des Herrn der Finsternis versteckt, erinnere ich mich noch heute gern. Allerdings zählt Nassieri „Legende“ zu einen der drei Sargnägel der Fantasy, die das Genre in den 80ern für die Studios zum bodenlosen Grab machten, in das man kein Geld mehr schaufeln wollte. Die beiden weiteren Verlustgeschäfte waren Jim Hensons „Der dunkle Kristall“ (1982) und David Lynchs Adaption von Frank Herberts „Der Wüstenplanet“ (1984), für den der verschrobene (Kult-) Filmemacher sogar die Regie von „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ ausschlug.

Interessant ist, dass der Autor auf Seite 244 (also zum Ende des Buches) erklärt, dass er auf „Star Wars“ nicht genauer einging, da dieses Universum klar der Science-Fiction zuzuordnen sei. Da müsste ich mal energisch widersprechen, denn mehr Fantasy bekommt man - trotz Weltraumschlachten und Piu-Piu-Gefechten - wohl in kaum einem anderen Franchise geboten. Der bedrohlich vermummte Schurke, die entführte Prinzessin, der Jüngling auf Heldenreise, ein weiser „Zauberer“, der mit allen Wassern gewaschene Ganove, die finstere Festung… die Liste ließe sich beliebig fortsetzen, von Märchen bis hin zur epischen Fantasy wurde dort alles verwurstet. Dafür bekommt „Dune“ bzw. „Der Wüstenplanet“ erstaunlich viel Aufmerksamkeit, ist Frank Herberts Roman-Klassiker doch vielleicht das größte reine Sci-Fi-Epos, das es je zwischen zwei Buchdeckel geschafft hat. Und dennoch, so viel sei verraten, kommen „Star Wars“-Filme und -Serien für eine gewollte Missachtung erstaunlich oft im Buch vor. Neben „Dune“ scheint jedoch auch Disneys „Das schwarze Loch“ (1979) reichlich fehl am Platze.

Man gewinnt den Eindruck, dass Sassan Niasseri sich an seinen persönlichen Lieblingstiteln entlanghangelt und außerdem selten über den Tellerrand blickt. Abseits von Hollywood - und vielleicht ein paar UK-Produktionen wie z.B. dem unterschätzten Fantasy/Sci-Fi-Hybriden „Krull“ (1983) - kommen nämlich nur wenige internationale Vertreter vor, obwohl gerade der italienische Sword-and-Sorcery-Markt in den 80ern so manches „Prachtstück“ hervorbrachte. Ohne genauer darauf einzugehen, wirft Niasseri immerhin „Ator - Herr des Feuers“ (1982), „Talon im Kampf gegen das Imperium“ (1982) oder Ruggero Deodatos kultige Trash-Keule „Die Barbaren“ (1987) in den Raum, um kurz darauf mit einem „…es sind zu viele, um sie alle hier aufzuführen“ zum Tagesprogramm, sprich zu den vermeintlich „großen“ Titeln, überzugehen. Sinbad- und Herkules-Darsteller Lou Ferrigno dürfte vor Wut grün anlaufen. Immerhin wurde dem deutschen Fantasy-Spektakel „Die unendliche Geschichte“ ein umfangreiches Kapitel spendiert, welches beim Schreiben dieser Zeilen leise hintergründig im TV läuft… also Zufälle gibt’s. DA… DER FELSENBEISSER AUF SEINEM STEIN-MOPED!!! HUIIII!!!

Aus der persönlichen Sicht eines Fans geschrieben, bin ich von „A Lifetime Full of Fantasy“ dank der flüssigen Schreibweise angenehm unterhalten worden, auch wenn mir wenig Neues präsentiert wurde. Der Untertitel des Buches, „Das phantastische Kino: Aufstieg, Fall und Comeback“, ist dagegen etwas großspurig gewählt, denn allumfänglich oder gar lückenlos ist dieses Werk keineswegs. Eine gewisse Chronologie lässt sich ebenfalls nur schwer erkennen, da Niasseri quer durch die Jahrzehnte hüpft, um dem TV-Phänomen „Game of Thrones“ schließlich das komplette letzte Kapitel zu widmen. Zwischendrin landen wir immer wieder bei „Der Herr der Ringe“, „Harry Potter“ und (unverständlicherweise) „Excalibur“. Für Fantasy-Laien mag die Zusammenfassung einiger ausgewählter Filme und die Beleuchtung deren Produktion ausreichen, Genre-Cracks werden die meisten Anekdoten bereits kennen… und würden bestimmt nur zu gerne ergänzende Absätze hinzufügen wollen.

Versehen mit reichlich Bildmaterial, sollten man von den Szenenfotos aber nicht zu viel erwarten. Meist extrem klein und von fragwürdiger Qualität, lässt sich das Gezeigte oft nur erahnen. Eine Katastrophe ist die Inhaltsangabe, die vorne und hinten nicht stimmt. Das Drama geht bereits bei der Einleitung los und lässt ein schnelles Springen zum gewünschten Kapitel zur Geduldsprobe werden. Ob dies bei einer späteren Auflage behoben wurde, kann ich leider nicht beantworten. Eine schöne Ergänzung sind dafür die Gespräche mit Zeichentrick-Regisseur Ralph Bakshi („Der Herr der Ringe“; 1978), „Blechtrommler“ David Bennent (Gump aus „Legende“), Sven-Ole Thorsen (Thorgrim aus „Conan der Barbar“; 1982), Musiker und Komponist Klaus Doldinger („Das Boot“ und „Die unendliche Geschichte“), Effekt-Guru und Regisseur Phil Tippett („Krieg der Sterne“; 1977, „Der Drachentöter; 1981, „Howard the Duck“; 1986, „Willow“; 1988, „Jurassic Park“; 1993, „Starship Troopers“; 1997) der Kindlichen Kaiserin Tami Stronach („Die unendliche Geschichte“; 1984) und Horror-Legende John Carpenter („Halloween“; 1978, „The Thing“; 1982, „Big Trouble in Little China“; 1986).

Fazit:

Unterhaltsam - wenn auch etwas sprunghaft - geschrieben, doch Sassan Niasseri kommt nicht von seinen angeführten Paradebeispielen weg. Für Genre-Einsteiger geeignet, auch wenn der Autor bei seinen Beschreibungen ausgewählter Filme sehr viel spoilert. Als fundiertes Fantasy-Nachschlagewerk nicht wirklich geeignet. Wer gerne ist nostalgischen Film-Erinnerungen schwelgt, ist aber gut aufgehoben… und findet vielleicht Inspiration für kommende Filmabende mit Unbefleckten, die sehenswerte Abenteuer vergangener Tage noch nicht in- und auswendig kennen.

A Lifetime Full of Fantasy - Das phantastische Kino: Aufstieg, Fall und Comeback

Sassan Niasseri, Schüren

A Lifetime Full of Fantasy - Das phantastische Kino: Aufstieg, Fall und Comeback

Ähnliche Bücher:

Deine Meinung zu »A Lifetime Full of Fantasy - Das phantastische Kino: Aufstieg, Fall und Comeback«

Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!

Letzte Kommentare:
Loading
Loading
Letzte Kommentare:
Loading
Loading

Sci-Fi & Mystery
(MUSIC.FOR.BOOKS)

Du hast das Buch. Wir haben den Soundtrack. Jetzt kannst Du beim Lesen noch mehr eintauchen in die Geschichte. Thematisch abgestimmte Kompositionen bieten Dir die passende Klangkulisse für noch mehr Atmosphäre auf jeder Seite.

Sci-Fi & Mystery