Born

  • Droemer-Knaur
  • Erschienen: September 2021
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Tom Schwichtenberg
60°1001

Phantastik-Couch Rezension vonJan 2022

Eine Taxifahrerin und ihr Kfz-Notfall-Hologramm auf großer Mission

In dieser dystopischen Vision Deutschlands lebt der Großteil der Bevölkerung auf engem Raum in Mega-Cities. Die Landschaft der Outskirts drum herum ist von der Hitze verdorrt und staubig, sodass Viehhaltung und der Anbau von Pflanzen nur noch in hoch technologisierten Gebäuden stattfindet. Auf jeweils bis zu 50 Etagen soll in den VertiPlants und VertiFarmen die Ernährung der Bevölkerung sichergestellt werden.

Nalani, die in der Mega-City Born als Taxifahrerin arbeitet, um für sich und ihre kleine Tochter zu sorgen, kann die Entscheidung ihres Bruders Tomas, auf einer der Plants zu arbeiten, nicht nachvollziehen. Doch Tomas, der auf der Plant seine eigene Familie zu versorgen hat, bevorzugt die Ruhe und das Grün gegenüber der stickigen, staubigen Großstadt Born. Als sich jedoch ein Unfall auf der Plant ereignet, in den Tomas verwickelt wird, wendet er sich an seine taffe Schwester Nalani.

Ihr wird schnell klar, dass mehr hinter dem Vorfall stecken muss und auf den Plants und Farmen Dinge vor sich gehen, die die Bruder- und Schwesternschaft, welche für die Nahrungsmittelversorgung zuständig ist, dringlichst vor den Augen der restlichen Bevölkerung zu verbergen versucht.

Ein ungleiches Team steht vor einer überwältigenden Aufgabe

Zwar hat Nalani nicht viele Mittel zur Verfügung, aber für sie steht außer Frage, dass sie ihrem Bruder Tomas helfen wird, dessen Lage sich auf der Plant immer weiter zuspitzt. Hinzukommen Gerüchte von Mangelernährung auf den Plants und Farmen, die die Regierung Borns hingegen von der Hand weist.

Gut, dass Nalanis treuer Begleiter Fergus, ein Kfz-Notfall-Hologramm, verspricht, den Verlauf der Gerüchte im Auge zu behalten. Fergus, der sich nach einem Unfall mit Nalanis Taxi nicht mehr deinstallieren lässt und seitdem von ihrem Beifahrersitz aus den Fahrgästen auf die Nerven geht, erweist sich bei Nalanis Rettungsvorhaben mit seiner vorlauten, altklugen Art als überraschend hilfreich.

In Anbetracht ihrer Gegner erscheint das Vorhaben von Nalani, Fergus und ihren wenigen menschlichen Verbündeten – größtenteils aus den heruntergekommeneren Gegenden Borns – dennoch äußerst waghalsig. Immerhin haben sie es mit einer Regierung zu tun, die sich nicht viel um das Wohlergehen der Bevölkerung schert und dem unerbittlichen, egozentrischen Alant, dem Vorsteher der Plants und Farmen, welcher für jede Situation ein alttestamentarisches Zitat parat hat.

Fehlender Nervenkitzel

Die aus wechselnder Perspektive erzählten Kapiteln schildern überraschend gemächlich den Verlauf dieser Rettungsmission. Anfangs trösten der anspruchsvolle Schreibstil und packende Dialoge noch über das langsame Tempo hinweg, besteht doch noch Hoffnung, dass das Erzähltempo mit voranschreitender Handlung anzieht. Doch die Handlung selbst braucht leider beinahe bis zur Mitte des Buches, bis sie richtig in Gang kommt. Und auch dann wird sie nicht gerade rasant erzählt – die Thriller typischen Spannungsmomente sind deutlich zu wenig und werden selten vollends ausgekostet.

So ist das Buch zwar keineswegs langweilig oder an sich nicht empfehlenswert, aber es tut sich schwer damit, der Bezeichnung Thriller gerecht zu werden. Dystopischer Roman wäre angesichts des Spannungsbogens, der kaum Nervenkitzel bereithält, eher angemessen.

Wenig Action, dafür viel Liebe zum Detail bei den Figuren

Erst gegen Ende wird die Spannung wirklich greifbar, als dann auch langersehnte Action-Aspekte eingebunden werden.

Zuvor punktet das Buch vor allem durch die außergewöhnlich detaillierte und spürbar liebevolle Ausarbeitung der Charaktere. Besonders das Kfz-Notfall-Hologramm Fergus sorgt durch seine niedlich anmutenden Bemühungen, sich in die Gesellschaft der Menschen zu integrieren, für Schmunzler. Er macht sich Gedanken über seine eigene Existenz und wirkt dadurch viel menschlicher, als es der Begriff Hologramm vermuten lassen würde. Seine direkte, überaus wortgewandte Art und sein ganz eigener Charme sorgen dafür, dass die Stimmung des Buches nicht, wie bei einer so bedrückenden Ausgangslage zu erwarten wäre, düster, sondern sogar durchaus amüsant ist.

Damit überrascht die Autorin die Lesenden nicht nur, sie lässt Selbstironie und Wortwitz gemeinsam mit der Tiefe der Figuren zu einem Alleinstellungsmerkmal ihres Buches innerhalb des Genres werden.

Ende gut, alles gut?

Während der actionreiche Showdown wie bereits angedeutet einerseits für Spannung sorgt, wirkt das Ende des Buches andererseits überzogen. Besonders das letzte Kapitel erweckt den Anschein, als sei die Autorin etwas zu bemüht gewesen, allem ein happy end zu versehen, was letztlich übertrieben wirkt.

Schade ist auch, dass ein paar Fragen bezüglich der Plants und Farmen sowie der Gesamtsituation Borns nach den Sandkriegen, die sich im Verlauf der Handlung gestellt haben, bis zum Schluss nicht geklärt haben. Besonders eine Erklärung, was es mit den Sandkriegen auf sich hat, welche auf dem Klappentext angesprochen werden, wäre ein wirkungsvolles Mittel gewesen, um die dystopische Welt noch plastischer erscheinen zu lassen, da Beschreibungen der Mega-City Born ohnehin schon rar sind.

Fazit:

Die Autorin trifft nicht unbedingt die Erwartungen, die Cover und Klappentext wecken, beweist aber zweifelsohne ein besonderes schriftstellerisches Können. Leider werden einige wichtige Informationen zum Kontext der Handlung außen vorgelassen. Für Fans von originellen Charakteren mit Tiefe und einem sprachlich anspruchsvollen Niveau ist „Born“ dennoch zu empfehlen.

Born

Kris Brynn, Droemer-Knaur

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