Das Vermächtnis der Seherin

  • Droemer-Knaur
  • Erschienen: Januar 2021
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Das Vermächtnis der Seherin
Das Vermächtnis der Seherin
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Andrea Betschart
55°1001

Phantastik-Couch Rezension vonMär 2022

Mittelalterliche Schnitzeljagd

Jeder verdient eine zweite Chance. Da ich diese Auffassung teile, habe ich erneut einen Roman von Christoph Lode gelesen. Auch wenn ich bei meiner Premiere nicht vom Hocker gerissen wurde. Ob sich dieses Mal mehr Begeisterung eingestellt hat?

Als Gauklerin hat man es nicht leicht

Für Rahel ist jeder Tag voller kleiner Kämpfe. Geld, Essen, Unterkunft... alles muss sie sich hart erarbeiten. Als jüdische Gauklerin ist sie sich dieses entbehrungsreiche Leben indes gewohnt. In letzter Zeit ist es für Rahel und ihre Truppe aber noch ungemütlicher geworden. Zwar sind im Frankreich des 13. Jahrhunderts Spielleute und Juden generell nicht so gern gesehen. Doch seit der Erzdiakon von Paris, Guillaume de Rampillon, unverhohlen gegen das jüdische Volk hetzt, wird ihre Lage immer brenzliger.

Nach einem Auftritt wird ihre Gruppe massiv bedroht und muss Hals über Kopf fliehen. In letzter Minute werden sie von der geheimnisvollen Madora und ihrem Leibwächter gerettet. Rahel erfährt, dass Madora ihre Mutter gekannt hat, welche bei einem Überfall von Christen getötet wurde. Zu diesem Zeitpunkt war Rahel gerade mal 6 Jahre alt. Madora erzählt ihr, dass sie und ihre Mutter dem Geheimbund von En Dor angehörten, dessen oberste Aufgabe es ist, einen sagenumwobenen Schrein zu beschützen, welcher über unvorstellbare Macht verfügt. Einziger Haken an der Sache: Niemand weiss, wo sich dieser Schrein befindet.

Dunkles Kapitel der europäischen Geschichte

Licht ins Dunkel bringt ein Reim, welchen Rahel als Kind auf Geheiss ihrer Mutter auswendig lernen musste. In den Versen sind Hinweise versteckt, mit deren Hilfe sich der Schrein von En Dor angeblich finden lässt. Madora schlägt Rahel vor, gemeinsam nach dem religiösen Artefakt zu suchen. Sie willigt ein, bleibt aber auf der Hut. Denn so ganz vertraut sie Madora nicht, auch wenn diese immer wieder beteuert, mit offenen Karten zu spielen. Um Freund von Feind zu unterscheiden, fehlt Rahel die Zeit. Schliesslich ist Rampillon ebenfalls hinter dem Schrein her, und kennt keine Skrupel, um sein Ziel zu erreichen. Was er dabei der jüdischen Bevölkerung antut, oder vielmehr durch sein Gefolge antun lässt, ist grausam und brutal. Lode bezieht sich hier auf die Pogrome, welchen Juden im Mittelalter in vielen europäischen Ländern immer wieder ausgesetzt waren. Über diese Thematik hätte ich gerne mehr erfahren, da der Autor bei seinem vorherigen Buch sein Talent für historische Recherche bewiesen hat. So bleibt der Eindruck, dass für Fans von historischen Romanen zu wenig geschichtliche Fakten aber zu viel Übersinnliches vorkommt, während der Fantasy-Leser vermutlich genau das Gegenteil bemängelt: Zu viel geschichtliches, zu wenig Magie.

Tolle Landschaften werden von mittelmässigen Figuren bereist

Lode verwendet in seinem Roman ein typisches Element aus der High Fantasy: Die Quest. Wir als Leser begleiten Rahel und ihre Gefährten den Grossteil der Lektüre bei der Suche nach dem Schrein von En Dor. Selbstredend läuft dabei nicht alles nach Plan, und sie stossen auf diverse Probleme und Hindernisse. Die Jagd nach den Hinweisen zum Versteck des magischen Artefaktes hat mich zeitweise an die Bücher von Dan Brown erinnert. Auch wenn sie nicht mit deren Spannungsniveau mithalten kann. Wie bereits im Roman "Der Gesandte des Papstes" überzeugt Christoph Lode vor allem mit seinen stimmungsvollen Landschaftsbeschreibungen. Er lässt die Unannehmlichkeiten einer Wanderung durch verschneite Berge fühlbar werden und kreiert vor dem inneren Auge immer wieder tolle Schauplätze.

Die Figuren bleiben weitgehend Mittelmass, keiner der Charaktere konnte mich so wirklich begeistern. Irgendwie ist die ganze Reisetruppe zu schablonenhaft gestaltet. Hier die innerlich zerrissene Heldin, da der ruhige und gefestigte Naturbursche und dort drüben noch der brüderliche Freund, der der aufkeimenden Romanze zwischen Heldin und Naturbursche (noch) im Wege steht. Und auch die Gegenspieler, allen voran Madora und Rampillon, hatten zu wenig Wums. Obwohl der Autor gegen Ende der Geschichte die Beweggründe dieser beiden Antagonisten sehr genau erklärt, hat dies keine zusätzliche Empathie geweckt.

Fazit:

Christoph Lode entführt uns ins mittelalterliche Frankreich, wo wir Zeuge einer abenteuerlichen Schnitzeljagd werden. Dabei punkten die toll und atmosphärisch beschriebenen Landschaften und Schauplätze. Weniger gefallen haben mir die Figuren, die doch recht blass bleiben und die zu geringe Dosis an Fantasy-Elementen.

Das Vermächtnis der Seherin

Christoph Lode, Droemer-Knaur

Das Vermächtnis der Seherin

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