Die Prophezeiung

  • Goldmann
  • Erschienen: Oktober 1979
  • 0
Die Prophezeiung
Die Prophezeiung
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Michael Drewniok
70°1001

Phantastik-Couch Rezension vonApr 2022

Giftige Saat und tödliche Ernte

Dr. Robert Vern reist im Auftrag des Büros für Umweltschutz in den Norden der USA. Dort hat der Konzern Pitney erst eine moderne Papiermühle errichtet, um nun den uralten Manatee-Wald kahlzuschlagen und das Holz zu verarbeiten. Vor Ort haben sich die seit Urzeiten in der Region ansässigen indigenen Stämme zusammengetan, um dies zu verhindern. Doch Pitney hat nicht nur vor Ort, sondern auch in Washington mit viel Schmiergeld das ‚Gesetz‘ auf seine Seite gebracht.

John Hawks, der als Vertreter der „Original People“ vehement für die Rechte der „Indianer“ streitet, organisiert einen Widerstand, der offenbar über zivilen Ungehorsam weit hinausgeht: Einige Holzfäller sind spurlos im Wald verschwunden, ein Rettungsteam kehrt ebenfalls nicht zurück. Sind sie von wütenden „Indianern“ umgebracht worden? Der alte M’rai nennt den „Katahdin“, ein mystisches Ungeheuer, als Verursacher, aber nicht einmal seine Stammesbrüder schenken ihm Glauben.

Ahnungslos sticht Vern in ein Wespennest, als er - begleitet von Ehefrau Maggie - sein Reiseziel erreicht. Sowohl die Repräsentanten und Arbeiter des Papierwerks als auch Hawks, seine Gefährtin Romona Peters und die Mitglieder des Masaquoddy-Stamms misstrauen ihm. Spät erfährt der Arzt von einer seltsamen ‚Krankheit‘, die nicht nur Geisteskrankheit, sondern auch grausig missgebildete Fehlgeburten hervorruft. Verns Recherchen führen zu der Erkenntnis, dass Pitney in der Fabrik heimlich Gift einsetzt, das in der DNS von Pflanzen, Tieren und Menschen für gravierende Veränderungen sorgt.

Allerdings ahnt Vern nicht, wie tief das Gift bereits in die örtliche Natur eingedrungen ist. Zu spät stellt er sich die Frage, wie weit der Riesenwuchs, den er bei verschiedenen Arten festgestellt hat, tatsächlich gehen könnte. Auch Maggie ist geschockt. Bisher hat sie ihrem Mann verschwiegen, dass sie schwanger ist. Was im Manatee-Wald wirksam ist, hat womöglich auch sie nicht verschont …

Öko-Schrecken à la Hollywood

Die 1970er Jahre stellen in der Geschichte Hollywoods eine Umbruchphase dar, die auch und besonders den phantastischen Film einschloss. Lange hatten die „großen“ Studios nur selten Geld in entsprechende Produktionen gesteckt. Die Blockbuster-Erfolge von Filmen wie „Der Exorzist“ (1971), „Der weiße Hai“ (1974) und natürlich „Krieg der Sterne“ (1977) hatten für ein profitorientiertes Umdenken gesorgt. Dank nunmehr üppiger Budgets gewannen auch die Spezialeffekte an Qualität. Der über viele Jahre perfektionierte Professionalismus der Groß-Studios trieb den Horror auf die Spitze. Was bisher eher handgebastelt wirkte, nahm unter den Händen erfahrener Spezialisten so schauerlich wie nie zuvor Gestalt an.

Hinzu kam der kinotypische Widerschein aktueller Entwicklungen. Ebenfalls in den 1970er Jahren wurde endgültig klar, dass es mit der rücksichtslosen Ausbeutung und Verschmutzung der Erde ein Ende haben musste; die Grenze zur ökologischen Global-Katastrophe rückte in erschreckende Nähe. Diese Botschaft war durchaus gruseltauglich und wurde rasch von der Populärkultur aufgegriffen.

„Die Prophezeiung“ belegt, was dabei herauskommt, wenn ein ernstes Thema trivialisiert wird. Schon die zeitgenössische Kritik - die sich primär dem Film von 1979 widmete - bemerkte (und beklagte) die inhaltliche Nähe zu den Monsterfilmen vor allem der 1950er Jahre. Der üblichen Story werde ein Öko-Pflaster aufgeklebt, und das Budget sei höher, doch sonst gäbe es nichts Neues - ein Vorwurf, der ins Schwarze trifft und auch den Roman einschließt, den ebenfalls Drehbuchautor David Seltzer schrieb.

Routine setzt sich auf Dauer durch

Seltzer verdankte das Engagement für „Die Prophezeiung“ der Tatsache, dass er 1974 er das Drehbuch für einen Horrorfilm verfasst hatte, mit dem das Studio „20th Century Fox“ an den Erfolg von „Der Exorzist“ anknüpfen wollte. Tatsächlich wurde mit „Das Omen“ 1976 sogar ein Franchise geboren, das mehrere Fortsetzungen, Remakes und eine TV-Serie nach sich zog. Zum Film schrieb Seltzer ebenfalls einen Roman, der immer wieder aufgelegt wurde.

„Die Prophezeiung“ konnte an diesen Blockbuster/Bestseller-Doppelschlag nicht anknüpfen. Zu dünn blieb die Schreckensmär von der sich rächenden Natur im Vergleich zur Attacke des leibhaftigen Teufels. Es dauerte viele Jahre, bis Buch und vor allem Film objektiv betrachtet und gewertet wurden. Wie so oft fiel das Urteil nun freundlicher aus. Spott und Ablehnung wichen der Erkenntnis, dass hier in der Tat ein typisches Monster-Garn gesponnen wird - niemals originell, aber sehr routiniert sowie ansehnlich.

Statt für seinen Roman das Drehbuch notdürftig umzustricken, nahm sich Seltzer seine Geschichte noch einmal vor. Er schuf seinen Hauptfiguren Biografien, die deren Verhalten im Manatee-Wald wesentlich plausibler wirken lässt. Auf die Ursachen und Folgen moderner Umweltzerstörung ging Seltzer näher ein und sorgte für Informationen, die heute redundant wirken, nachdem wir uns im 21. Jahrhundert einschlägiges Wissen quasi aneignen mussten. 1979 dröhnten die Alarmglocken längst nicht so laut und durchdringend. Die entsprechenden Passagen wirken einerseits didaktisch, während sich an ihrer Aussagekraft erschreckend wenig bis gar nichts geändert hat.

Die Natur wehrt sich

Selbstverständlich ist die Prämisse eher filmtauglich dramatisch als überzeugend: Die allzu geknechtete Natur setzt sich nicht unbedingt gezielt zur Wehr, schlägt aber dennoch zurück. Was die (böse) Holzfabrik ins Wasser leitet, sorgt für eine wahre Mutationsorgie, die in der Geburt eines ‚Monsters‘ gipfelt, das zwar bitterböse, aber auch ein Opfer ist - eine Dualität, die in den 1970er Jahren genreübergreifend das alte Schema „Gut“-„Böse“ abzulösen begann. Obwohl das Ungeheuer auch Kinder in Stücke reißt - ein Handlungselement, das es heutzutage sicher nicht in den Film/Roman geschafft hätte -, ist es ‚unschuldig‘.

Seltzer besetzt seine Figuren klischeekonform. Da gibt es den scheinheilig-freundlichen, aber verlogenen und nur den Bilanzen verpflichteten Firmenchef auf der einen und den überarbeiteten Idealisten auf der anderen Seite. Robert Vern ist ein Gutmensch, wie ihn nur Hollywood in die Welt setzen kann. Er reibt sich auf für Mutter Erde und - auch dies ist ein üblicher dramaturgischer Kniff - vernachlässigt darüber seine Gattin, die ihn - Seltzer treibt es auf die Spitze - schwanger dorthin begleitet, wo die Gene giftbedingt in Aufruhr sind.

Obwohl man Vern in seiner humorlosen Verbissenheit nicht ernstnehmen kann, bleibt ihm wenigstens die (unfreiwillige) Parodie erspart. Ebenfalls zeittypisch setzt Seltzer einen „Indianer“ - so durfte man die „indigenen Bewohner“ Nordamerikas damals nennen - als Mahner, Warner und ‚Vermittler‘ zwischen Natur und (‚weißer‘) Zivilisation‘ ein. Der „Indianer“ wurde gerade als Ur-Amerikaner wiederentdeckt. Bei dieser Gelegenheit mutierte er zum „edlen Wilden“ mit dem Ohr am Busen von Mutter Erde - und gerann umgehend zur Witzfigur: In ihrer Plattheit immer noch schwererträglich sind jene TV-Spots, die ab 1970 zum „Tag der Erde“ ausgestrahlt wurden und einen „Indianer“ zeigen, dem angesichts im Bild gezeigter Umweltsünden eine Träne aus dem Augenwinkel rinnt …

Viel Rauch um nichts

Dass die Rolle des John Hawks mit dem italienischstämmigen US-Amerikaner Armand Assante besetzt wurde, stellte damals eine lässliche Sünde dar. Für ‚echte‘ „Indianer“ blieben wie so oft die Statistenrollen. Auch dies sollte man im Rahmen dieses Garns nicht überbewerten, zumal sich die ökologische Botschaft zusammen mit der vagen Anklage politischer Gleichgültigkeit und wirtschaftlicher Gier im Finale in Luft auflöst: Ganz klassisch gerät eine Gruppe Menschen dorthin, wo ein Monster lauert. Also flüchtet man, wobei mancher Darsteller vom (im Film noch vollständig analogen und leider nicht gerade furchterregenden) Ungetüm gepackt wird.

Wie auf Autopilot läuft das Geschehen dem Ende zu: Vern muss sich dem Monster stellen, während Maggie von hinten verzweifelt seinen Namen schreit; kurz vor dem Finalkampf erwischt es ‚überraschend‘ eine Hauptfigur - und das Ungeheuer hat eine Familie, die den Epilog bestreitet und auf eine Fortsetzung wartet, zu der es nie gekommen ist.

Fazit:

Mit ‚Botschaften‘ überfrachtete, weil nüchtern betrachtet jederzeit bekannte und schlichte Story, die aber durch recht geschickt in den Handlungsablauf eingebrachte Rückblenden und Sachinformationen aufgewertet wird. An trivialisierte Öko-Kritik hat man sich viele Jahre später gewöhnt, weshalb die Lektüre heute durchaus unterhaltsam ist.

Die Prophezeiung

David Seltzer, Goldmann

Die Prophezeiung

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