Dunkle Legenden: Fakten, Mythen, Hintergründe - 50 Jahre Geisterjäger John Sinclair

  • Lübbe
  • Erschienen: April 2023
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Marcel Scharrenbroich
85°1001

Phantastik-Couch Rezension vonAug 2023

Wie ein unheilvoll drohender Schatten…

Happy Birthday, John!

50 Jahre… In dieser Zeit drehte sich das Besetzungskarussell von James Bond gleich mehrfach, George Lucas UND Disney durften gleich zwei „Star Wars“-Trilogien vor die Wand fahren und Tolkiens als unverfilmbar geltende Welt wurde in zwei Film-Reihen (und einer kläglichen Serie) Realität. Jaja, in der bunten Welt der Phantastik war und ist schon eine Menge los. Sucht man aber nach einer Konstante, der der Lauf der Zeit überraschend wenig anhaben konnte, wird man irgendwann auf John Sinclair stoßen, der seiner Profession als mit allen Weihwassern gewaschener Geisterjäger auch nach Jahrzehnten noch ungebrochen nachgeht. Verpönt als Trivialliteratur für das schnelle Lesestündchen zwischendurch, ist der Scotland-Yard-Ermittler mit schottischen Wurzeln längst eine Kultfigur der phantastischen Literatur, seit er sein Debüt in den Heftromanen der „Gespenster-Krimi“-Reihe aus dem BASTEI Verlag gab.

Das war im Juli 1973, als Band 1 der neuen Serie unter dem Titel „Die Nacht des Hexers“ erschien. Bis April 1985 erschienen im zweiwöchigen Rhythmus insgesamt 597 Ausgaben. Doch schon nach 50 Heften machte John Sinclair sich selbstständig (was dem Privatdetektiv Tony Ballard 1982 ebenfalls gelang). Im Januar 1978 startete „Geisterjäger John Sinclair“ mit „Im Nachtclub der Vampire“, der Startschuss einer bis heute nicht endenden Solo-Karriere. Während ich diese Zeilen schreibe, ist gerade „Im Wald des Verderbens“ erhältlich… das sage und schreibe 2351. Romanheft!

Und, und, und…

Keine Frage, dass John Sinclair sich im Laufe der Jahr(zehnt)e weiterentwickelt hat. Altern er und seine Weggefährten lediglich alle paar Jährchen, gingen die erzählten Geschichten immer mit der Zeit. Ein (pop)kulturelles Spiegelbild. Seien es aufgegriffene Horror-Trends ihrer jeweiligen Epoche oder die einkehrende Abstinenz, die John zum Nichtraucher und sporadischen Bier-Trinker werden ließ. Der 1945 geborene und in Dortmund aufgewachsene Helmut Rellergerd hatte stets die Hände an der Schreibmaschine, während ein Auge auf das aktuelle Geschehen lugte. Das tut er heute noch, denn unter dem Pseudonym Jason Dark ist der Vielschreiber noch immer aktiv. Aus seiner Feder stammen aktuelle Geschichten der Heft-Reihe, Taschenbücher und Sonder-Edition.

Zum großen Erfolg haben auch die „John Sinclair“-Hörspiele beigetragen. So wurden, produziert vom Tonstudio Braun, zwischen 1981 und 1991 insgesamt 107 Hörspiel-Folgen veröffentlicht. Pünktlich zum Jahrtausendwechsel ging dann die von LÜBBE AUDIO veröffentlichte Neuproduktion an den Start. Aktuell erschien mit „Jenseits-Melodie“ Folge 161. Die 50 Folgen der „Sinclair Classics“, in denen Johns Abenteuer aus der „Gespenster-Krimi“-Serie vertont wurden, endeten im Mai 2023. Zwischenzeitlich stehen immer wieder mal „Sondereditionen“ auf dem Programm. Darunter auch „Brandmal“, von und mit dem wohl prominentesten Kriminalbiologen Mark Benecke, und „Oculus“ vom Fantasy-Urgestein Wolfgang Hohlbein.

Über die Verfilmung „Geisterjäger John Sinclair: Die Dämonenhochzeit“ (1997) und eine extrem kurzlebige und vorzeitig abgebrochene TV-Serie (2000) hüllen wir lieber den Mantel des Schweigens, da wir sonst womöglich den Fluch des Schwarzen Tods auf uns ziehen. Schließlich zeigte sich Rellergerd selbst höchst unzufrieden mit den Ergebnissen. Manche Kreationen sollte man einfach nicht aus ihrer gewohnten Umgebung reißen.

Dass uns „John Sinclair“ auch nach seinem großen Jubiläum noch erhalten bleibt, ist nicht nur Jason Dark zu verdanken, sondern auch den kreativen Autorinnen und Autoren, die sich immer neue Geschichten einfallen lassen, um das mittlerweile sehr, sehr weit ausgeartete Sinclair-Universum in alle Richtungen auszudehnen. Dazu gehören (unter anderem) Michael Breuer, Uwe Voehl, Alfred Bekker, Eric Wolfe, Christian Schwarz, Daniel Stulgies, Timothy Stahl, Logan Dee, Marc Freund, Rafael Marques, Madeleine Puljic, Stefan Albertsen, Marlene Klein, Oliver Müller und… Ian Rolf Hill.

Das Who is Who

Und damit wären wir auch beim Thema, denn hinter dem Pseudonym Ian Rolf Hill steckt Florian Hilleberg. Hilleberg wurde bereits 1989, im zarten Alter von neun Jahren, mit dem Sinclair-Virus infiziert, von welchem er bis heute nicht kuriert werden konnte. Ein Glück, möchte man da fast sagen, denn er scheint den Ermittler des Übernatürlichen sowie seine Gefährten und Gegner wie kaum ein Anderer zu kennen und hat sich erfreulicherweise die Mühe gemacht, sein umfängliches Wissen mit uns zu teilen. „Dunkle Legenden: Fakten, Mythen, Hintergründe - 50 Jahre Geisterjäger John Sinclair“ ist ein hervorragender Wegweiser durch die fünfzigjährige Geschichte des Roman-Helden. Hilleberg richtet sich dabei sowohl an Kenner als auch an Neulinge. Interessierte Leserinnen und Leser kommen dank detaillierter Portraits der Hauptfiguren und einem schönen Querschnitt bisheriger Ereignisse auf den Geschmack. So bald Hilleberg in die Materie eintaucht, gibt er gleichzeitig die Nummer der beschriebenen Hefte an, sodass man bei Bedarf nicht lange suchen muss. Nicht selten umfasst ein Handlungsbogen nämlich mehrere Romanhefte. Ebenso werden bestimmte Elemente immer mal wieder aufgegriffen, was trotz abgeschlossener Storys verdeutlicht, dass wir hier ein zusammenhängendes Universum haben.

In einzelnen Kapiteln widmet der Autor sich - nach einer schönen Einführung - umfassend dem Phänomen „John Sinclair“ an sich, John und seinen zahlreichen Weggefährten, der illustren Gegnerschar des Geisterjägers, den Waffen und ihren Herkünften, den Fantasy-Einflüssen der Reihe und den religiösen und mythologischen Hintergründen, die bei „John Sinclair“ nicht unerhebliche Rollen spielen. Das alles ist sehr unterhaltsam verpackt und führt spielerisch durch die abenteuerlichen Windungen der Sinclair’schen Grusel-Welt.

Wer nach der informativen Lektüre von Sinclair-Koryphäe Hilleberg Blut geleckt hat, sollte sich vielleicht mal auf dem offiziellen YouTube-Kanal von „John Sinclair“ umschauen. Neben kompletten Hörbuch-Lesungen, verschiedenen Hörspielen, dem Podcast mit Amy Zayed und den Personalakten über die einzelnen Charaktere findet sich dort auch der Night Talk mit Hennes Bender, seines Zeichens Comedian, Asterix-Ruhrdeutsch-Übersetzer, Drittel des „Sträter Bender Streberg“-Podcasts und ausgewiesener „John Sinclair“-Fan. Unter seinen prominenten Gästen und Autoren findet sich auch mehrfach Florian Hilleberg (alias Ian Rolf Hill).

Fazit:

Ein handliches wie umfangreiches Buch, welches definitiv Lust macht, in den engen Kreis der „John Sinclair“-Familie zu treten. Wenn man lediglich die aufwändigen Cover (unter anderem vom genialen Timo Wuerz gestaltet) vom gelegentlichen Blick am Kiosk kennt, kann man sich nur schwer ausmalen, welch phantastische Abenteuer in den dünnen Schmökern stecken. Es gibt wohl keinen Kreis der Hölle, den der Geisterjäger dies- und jenseits unseres Universums noch nicht betreten hätte.

Dunkle Legenden: Fakten, Mythen, Hintergründe - 50 Jahre Geisterjäger John Sinclair

Florian Hilleberg, Lübbe

Dunkle Legenden: Fakten, Mythen, Hintergründe - 50 Jahre Geisterjäger John Sinclair

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