Dämon - Trau' keiner Seele

  • Heyne
  • Erschienen: Januar 1998
  • 0
Dämon - Trau' keiner Seele
Dämon - Trau' keiner Seele
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Michael Drewniok
75°1001

Phantastik-Couch Rezension vonMär 2023

Einst gegen Gott, nun gegen Cop

Wieder einmal hat Detective John Hobbes von der Kriminalpolizei in Philadelphia einen Fall gelöst. Edgar Reese ist ein besonders infamer Mörder, der für seine zahlreichen Gräueltaten zum Tod in der Gaskammer verurteilt wird. Bevor er seinen letzten Gang antritt, will er noch einmal mit Hobbes sprechen. Der tut ihm diesen Gefallen - und wird vom reuelosen Reese scheinbar verspottet und beschimpft. Tatsächlich hat der Unhold vergeblich versucht, den Detective in seinen Bann zu ziehen.

In der Folgezeit wird Hobbes von anonymen Telefonanrufen belästigt. Davon zunächst unbeeindruckt ermittelt er gegen weiteren Serienmörder. An den Tatorten finden sich vom Täter zurückgelassene Botschaften, die Hobbes zum Ort eines nie geklärten Selbstmordes bringt: Drei Jahrzehnte zuvor hat sich ein unter Mordverdacht stehender Polizist in einer einsamen Waldhütte erschossen.

Als Hobbes dort nach Spuren sucht, ist sein Leben bereits auf den Kopf gestellt. Er fühlt sich beobachtet und bedroht, leidet unter Visionen. Die Kollegen werden aufmerksam - und misstrauisch, denn es mehren sich Indizien dafür, dass Hobbes in die Mordserie verwickelt ist. In der alten Hütte findet Hobbes gut versteckt Bücher des verstorbenen Cops. In ihnen geht es um den im Alten Testament beschriebenen Kampf Gottes mit den abtrünnigen Engeln, die in den höllischen Abgrund gestürzt wurden. Von dort dringen sie als Dämonen in die Menschenwelt vor, wo sie für Leid und Tod sorgen sowie eine neue Revolte gegen den Himmel vorbereiten.

Einer der schlimmsten dieser Ex-Engel ist Azazel. Er verfügt über die Gabe, als Geist in Menschenhirne zu schlüpfen, seine Opfer zu kontrollieren und als Mordinstrumente zu missbrauchen. Zu den wenigen Menschen, die ihm (s. o.) widerstehen, gehört Hobbes, was Azazels Ärger weckt. Während Hobbes nur widerwillig akzeptiert, wer bzw. was ihm im Nacken sitzt, stellt der Dämon seine Fallen auf. Niemandem kann Hobbes mehr trauen, denn sein Gegenüber könnte Azazel in einer neuen Gestalt sein …

Das absolute Böse auf Sparflamme

Der Teufel muss kleine Brötchen backen, seit er mit seinen aufrührerischen Engels-Kumpanen aus dem Himmel vertrieben wurde. Dieser Roman bestätigt es, denn obwohl im Text aufgeregt von einem uralten Komplott gemunkelt wird, das diese Niederlage wettmachen soll, überwiegt der Eindruck eines nur behauptet übermächtigen Dämons, der von Menschenhirn zu Menschenhirn hüpft, sich vom großen Plan durch sadistisch unterfütterte Wutanfälle ablenken lässt und insgesamt wenig substanziell Böses vorzuweisen hat.

Anders ausgedrückt: Azazel ist alles andere als ein charismatischer Finsterling. Mit Pazuzu aus „The Exorzist“/„Der Exorzist“ (Buch 1971, Film 1973) kann er sich nicht ansatzweise messen. Wo dieser sich Infos über seine Absichten spannungsförderlich aus der Nase ziehen lässt, wird Azazel von einem Mitteilungsdrang beseelt, der ihn erst recht als eindimensionalen Plagegeist outet. Er redet wie ein Wasserfall, selbst wenn man ihn nicht fragt, und mischt sich sogar in dieses Buch ein, indem er in Kursivschrift gesetzte Kommentare einfließen lässt: Kein Wunder, dass ihn sogar ein nicht gerade von Intelligenz geprägter oder mit der übernatürlichen Materie vertrauter US-Cop aufs Kreuz legen kann!

„Der Exorzist“ findet selbstverständlich Erwähnung, wenn dieser Roman im Klappentext verortet wird. Dies sollte man dem Verfasser nicht zum Vorwurf machen, denn er leistet überraschend gute Arbeit - dies erst recht, wenn man weiß, dass er eigentlich nur ein Drehbuch nacherzählt, „Dämon“ also ein Buch zu einem Film ist.

Das Buch als nackte Ware

Dewey Gram kam Ende der 1970er Jahre als Reporter nach Los Angeles. Obwohl er kein Schriftsteller war, übernahm er den Auftrag, einen Roman zum Film „Boulevard Nights“ zu schreiben. Damit hatte Gram seine Nische gefunden. In den nächsten 25 Jahren verfasste er 15 weitere „tie-ins“, wofür er jeweils einen bis zwei Monate Zeit veranschlagte.

„Bücher zum Film“ sind keine literarischen Werke, sondern Bausteine des Merchandisings. In möglichst kurzer Zeit setzen (moderat entlohnte) Autoren ein Drehbuch in einen Roman um. Nur selten können oder sollen sie Ehrgeiz an den Tag legen, indem sie offenkundige Script-Lücken füllen oder korrigieren; ihr ‚Produkt‘ ist für den raschen Verbrauch konzipiert.

2003 schrieb Gram das Buch zum Film „The Last Samurai“. Die Hauptrolle spielte Tom Cruise, doch das Studio verlor das Vertrauen und beschnitt die Kosten für Werbung und Merchandising. Dem fiel auch Grams Roman zum Opfer, der nicht veröffentlicht wurde - eine Erfahrung, die den Verfasser so ernüchterte und erzürnte, dass er nie wieder ein Buch zum Film schrieb.

Handwerk kann zufriedenstellen

Das ist schade, denn mit „Dämon“ leistet Gram erfreulich solide Handwerksarbeit. Er beschränkt sich nicht darauf, das Drehbuch durch verbindende Passagen in einen lesbaren Text zu verwandeln, sondern ergänzt diesen durch eigene Ideen, die dem Geschehen und den Figuren mehr Tiefe verleihen. Vor allem in den Anfangskapiteln kommen recht deutliche und ironische Anmerkungen zur US-Justiz hinzu, die auf einen liberalen Geist hindeuten.

Natürlich konnte bzw. durfte Gram keine Wunder wirken. Handlung und Figurenzeichnungen waren vorgegeben. Vor allem letztere künden von ihrem Geburtsort - dem Hollywood-Reißbrett, obwohl stets darauf hingewiesen wird, dass Drehbuchautor Nicholas Kazan der Sohn des legendären Regisseurs Elia Kazan (1909-2003) ist, der Meisterwerke wie „A Streetcar Named Desire“ (1951; dt. „Endstation Sehnsucht“ oder „On the Waterfront“ (1954; „Die Faust im Nacken“) inszenierte (und vor dem „Komitee für unamerikanische Umtriebe“ Kollegen denunzierte).

Gram gelingt es, eine recht schlichte Story so spannend aufzubereiten, dass die in einem Roman offensichtlicheren Schwächen zum Teil ausgebügelt werden. Im Film sorgen Bilder und rasche Schnitte für die Ablenkung jenes Hirnteils, der für die Logik zuständig ist. Der lässt sich durch gedruckte Worte nicht so leicht in die Irre führen. Gram muss einschreiten - und er gibt sich Mühe, weshalb sich „Dämon“ unabhängig vom Film als einfache, aber taugliche Gruselgeschichte lesen lässt.

„Dämon“ im Kino

1998 inszenierte Gregory Hoblit - einer jener Regisseure/Produzenten, deren Namen kaum jemand kennt, obwohl sie die Film- und Fernsehgeschichte über viele Jahre prägen - den Spielfilm „Fallen“. Für die Hauptrolle war ursprüngliche Arnold Schwarzenegger vorgesehen (der ein Jahr später im thematisch ähnlichen „End of Days - Nacht ohne Morgen“ spielte). Letztlich übernahm Denzel Washington, der (wie von der Kritik bestätigt) abermals eine überzeugende Darstellung lieferte.

In prominenten Nebenrollen glänzten hochkaratige Schauspieler wie John Goodman, Donald Sutherland, James Gandolfini und Elias Koteas, der furchterregend den Edgar Reese gab. „Fallen“ - hierzulande eher lahm als „Dämon“ betitelt - war an den Kinokassen kein Erfolg, gilt aber inzwischen als moderner Klassiker das Horrorkinos.

Fazit:

Die simple, aber effektvolle Story wird vom Verfasser mit zusätzlichen Informationen gestützt sowie mit dezenten, jedoch wirkungsvollen Gruseleffekten aufgeladen: Als „Buch zum Film“ besser als die üblichen Drehbuch-Zweitverwertungen.

Dämon - Trau' keiner Seele

Dewey Gram, Heyne

Dämon - Trau' keiner Seele

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