Burnt Offerings - Haus der toten Seelen

  • Festa
  • Erschienen: März 2023
  • 1
Burnt Offerings - Haus der toten Seelen
Burnt Offerings - Haus der toten Seelen
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Michael Drewniok
80°1001

Phantastik-Couch Rezension vonNov 2023

Dein Heim ist/will dein Leben

Der Hochsommer in New York City wird aufgrund hoher Temperaturen zur Qual. Im Stadtteil Bronx, wo Ben und Marian Rolfe zusammen mit dem achtjährigen Sohn David in einer eher heruntergekommenen als alten Wohnung leben, ist es zudem laut und Privatsphäre ein kostbares, meist vergeblich gesuchtes Gut.

Normalerweise würde ein wochenlanger Urlaub die finanziellen Möglichkeiten der kleinen Familie übersteigen. Doch Marian scheint einen Glückstreffer gelandet zu haben: Per Zeitungsannonce wird ein einsam gelegenes Haus auf dem Land angeboten. Die Miete ist erfreulich - bzw. verdächtig - niedrig, denn es gibt einen Pferdefuß: Im besagten Haus bewohnt die betagte Mrs. Allardyce ein Zimmer. Marian müsste für sie kochen. Andererseits gäbe es keine weiteren Pflichten.

Die Freude überwiegt das Misstrauen, und die Rolfes - plus Bens Tante Elizabeth - verlassen die Stadt. Marian fühlt sich sofort heimisch in dem riesigen Haus, beginnt aufzuräumen und zu putzen. Ben ist weniger erfreut; er schläft schlecht und leidet unter Stimmungsschwankungen, die sich verstärken, als Marian sich vor ihm zurückzieht. Als Ben Sohn David beinahe im hauseigenen Swimmingpool ertränkt, beginnt er zu ahnen, dass etwas in bzw. mit diesem Haus nicht stimmt.

Marian verfällt dagegen dem Bann des Anwesens. Sie will nicht an den Auszug denken, fühlt sich mehr und mehr als Hüterin des Anwesens, zumal Mrs. Allardyce durch völlige Abwesenheit glänzt. Dass sie merkwürdig rasch zu altern beginnt, während das verfallende Haus wie durch Zauberhand seinen Glanz zurückerhält, verdrängt Marian, bis auch sie schließlich erkennt, dass es einen Zusammenhang gibt und dieser ‚Urlaub‘ sie und ihre Familie das Leben kosten könnte - und soll ...

Haus mit Geist oder Haus als Geist?

Das Spukhaus gehört zu den beliebtesten Stätten übernatürlichen Wirkens. Daheim legt man alle Schutzschirme ab, die man der Außenwelt präsentiert, will sich entspannen und sicher fühlen. Stellt sich heraus, dass genau hier etwas Unerfreuliches lauert, ist der Schrecken groß, zumal umgehende Flucht schwer möglich ist - schließlich befindet sich alles, was man mit dem Heim verbindet, an dem nun unheimlich gewordenen Ort.

Robert Marasco schlägt mit „Burnt Offerings“ zielsicher in diese Kerbe. Seine Leser taucht er quasi Zentimeter für Zentimeter in das Spukhaus-Szenario ein. Mit einer heutzutage manchmal irritierenden ‚Langsamkeit‘, die hier (noch) als sorgfältiger Spannungsaufbau gilt, stellt uns der Autor die beiden Protagonisten Ben und Marian vor. (Sohn David ist ein stereotyper Charakter und soll als ‚typisches Kind in Gefahr‘ für Zusatz-Entsetzen sorgen, Tante Elizabeth übernimmt die Rolle des Sandsacks, den der erste richtig harte Schlag des Hausgeistes trifft: eine Warnung, die selbstverständlich unerkannt verhallt, die Falle ist längst zugeschnappt.)

Auf ‚echte‘ Gespenster oder blutgierige Monster wartet man diesem Garn vergeblich. Hier stehen Atmosphäre und Emotionen bzw. deren Manipulation im Mittelpunkt. Das alte, verrottete, aber trügerisch wunderschöne und edel ausgestattete Haus ist ein Netz, in dem die angelockte Menschenbeute unentrinnbar zappelt. Dabei ist der Einsatz von Zwang nicht notwendig: Das Haus sucht und findet Schwachstellen. Mit Marian hat es der Geist leicht: Sie sehnt sich nach Luxus, liebt schöne und teure Dinge. Sie könnte aus dem Haus flüchten; es gibt bis auf manchmal handgreifliches Unterholz keine Hindernisse. Doch Marian will gar nicht mehr fort, selbst als sie endlich erkennt, was oder wer dieses Haus ist und welche Rolle sie nun darin übernehmen wird.

Familie unter Druck

„Burnt Offerings“ blieb als Titel unübersetzt, was eine gute Entscheidung ist. Der 1976 nach dem Roman entstandene Film (s. u.) hieß hierzulande „Landhaus der toten Seelen“. Während wir nie eine dieser toten Seelen treffen, fasst besagter O-Titel das Geschehen treffend zusammen: Um in ihrem Traumhaus leben zu können, muss Marian ein Blutopfer bringen. Ob es ihr das ersehnte Aufgehen in ‚ihrem‘ Haus ermöglicht, lässt Marasco offen. Womöglich ist Marian dort nicht die neue Spinne, sondern sitzt nur näher am Zentrum des Netzes fest.

Als Kontrast zur rasch entflammten Marian bleibt Gatte Ben skeptisch. Er gibt um des Ehefriedens nach; Marasco lässt einfließen, dass es mit der Beziehung der beiden unter der krampfhaft polierten Oberfläche nicht zum Besten steht. Ben leidet unter Albträumen und Visionen; möglicherweise ist er latent empfänglich für übernatürliche ‚Schwingungen‘. Er erkennt erst Marians Besessenheit und dann die Bosheit des Hauses, das ihn und Sohn David bereits als Opfer markiert hat.

Die Familienbindung der Rolfes hält der Belastung nicht stand. Geschickt lockt das Haus Marian immer weiter dorthin, wo „Mrs. Allerdyce“ auf ihre Ablösung wartet. Ben kann mit David sogar einmal flüchten, doch sie kehren zurück, weil sie die Ehefrau und Mutter nicht aufgeben wollen. So legen sie ihre Köpfe auf den Richtblock. Für die nächsten zwei Jahre ist das Haus ‚satt‘. Dann werden seine Kräfte erneut erlahmen, und die Geschwister Allerdyce - die selbst Teil des geisterhaften Lügengewebes sind - werden in einer neuen Anzeige ein sensationell günstiges Ferienheim anbieten. (1979 drehte Don Coscarelli hier seinen Gruselthriller „Phantasm“/„Das Böse“ ...)

Diese deutsche Ausgabe enthält ein Nachwort von Stephen King, der 1988 seiner Begeisterung Ausdruck verlieh. Seit 1973 sind viele Jahre vergangen. „Burnt Offerings“ besitzt weiterhin seine inhaltlichen und formalen Qualitäten. Allerdings haben sich viele Spannungs- und Konfliktelemente in Klischees verwandelt. Dass Marasco zu denen gehört, die diese Effekte erfunden oder entwickelt haben, gerät nach einem Jahrzehnte währenden Trommelfeuer ähnlich gelagerter Spukgeschichten leicht in Vergessenheit. Wir haben uns an sie gewöhnt, und oft sind wir ihrer überdrüssig. Dies sollten wir nicht diesem Buch zum Vorwurf machen, denn das hat es nicht verdient!

„Burnt Offerings“ - der Film

Der 1936 (wie die Rolfes) in der Bronx geborene (und bereits 1998 an Lungenkrebs gestorbene) Robert Marasco war (wie Ben Rolfe) zunächst als Lehrer tätig. 1970 verfasste er das Theaterstück „Child's Play“, ein Drama mit übernatürlichen Elementen, das an einer katholischen Jungenschule spielt. Der unerwartete Erfolg veranlasste Marasco hauptberuflich zu schreiben. „Burnt Offerings“ entstand 1973 und wurde ebenfalls ein Publikumserfolg.

Bereits drei Jahre später griff Hollywood den Roman auf. Seit „Der Exorzist“ und „Das Omen“ brachten gewaltreiche Horrorstreifen, die von den etablierten Studios hochprofessionell mit großen Budgets und Stareinsatz produziert wurden, viel Geld ein. Die Regie ging an Dan Curtis (1928-2006), der sich u. a. durch die TV-Grusel-Soap „House of Dark Shadows“ einen Genre-Namen erarbeitet hatte.

Für die Titelrollen verpflichtete man Schauspieler des ‚neuen‘ Hollywood - Oliver Reed und Karen Black als Ben und Marian Rolfe -, die man mit Altstars - Bette Davis (Tante Elizabeth), Burgess Meredith (Arnold Allerdyce), Eileen Heckart (Roz Allerdyce) -  ‚mischte‘, deren Namen immer noch klangvoll genug waren, um womöglich auch ältere Zuschauer ins Kino zu locken.

„Burnt Offerings“ besticht durch die sichtlich hochwertige Produktion, bleibt aber der Vorlage (zu sehr) verhaftet, verzichtet also (bis zum dramatisch veränderten Finale) auf spektakuläre Effekte. Aus heutiger Sicht fallen das gemächliche Tempo und schon damals allzu ausgiebig eingesetzte Routinen negativ ins Gewicht. Außerdem wirken Reed und Black nicht wirklich überzeugend als US-amerikanische Durchschnittseltern. (So dachte auch Bette Davis, die Reed zudem verabscheute und Black für unprofessionell hielt.) Nichtsdestotrotz erlangte „Burnt Offerings“, der Film, so wie das Buch Klassikerstatus.

Fazit:

Nach vielen Jahren endlich auch hierzulande erschienener Spukhaus-Klassiker, der durch sorgfältiges Timing, ausgearbeitete Figuren und einen konsequent auf die Spitze getriebenen Höhepunkt weiterhin fesselt, aber nicht (mehr) erschreckt: Dennoch erfreulich, dass der deutsche Fan diese Grusel-Lücke schließen kann!

Burnt Offerings - Haus der toten Seelen

Robert Marasco, Festa

Burnt Offerings - Haus der toten Seelen

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