Galaxis Science Fiction 1

  • Moewig
  • Erschienen: März 1958
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Galaxis Science Fiction 1
Galaxis Science Fiction 1
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Michael Drewniok
85°1001

Phantastik-Couch Rezension vonMär 2024

Wunder, Schrecken und Bagatellen der Zukunft

Die deutschsprachige Ausgabe eines US-Magazins präsentiert sieben kurze und längere SF-Storys sowie einen populärwissenschaftlichen Artikel:

- Lothar Heinecke: Zum Geleit, S. 2/3

- Edward W. Ludwig: Die Abtrünnigen (A Coffin for Jacob; 1956), S. 4-34: In einem Wutanfall hat Ben Curtis einen Mann erschlagen. Auf der Flucht bietet sich ihm ein gefährlicher Fluchtweg in den Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter, wo die Ausgestoßenen der Erde eine neue Heimat suchen.

- Lothar Heinecke: Der literarische Test, S. 35

- Robert Sheckley: Hände weg! (Hands Off; 1954), S. 36-62: Drei Gauner stehlen einem Außerirdischen das Raumschiff, doch die für den Fremden normalen Bordroutinen sind für die Erdlinge so unheimlich, dass sie ihre Tat rasch bereuen.

- Fredric Brown: Das Experiment (The Experiment; 1954), S. 63: Ist es möglich, eine in der Zukunft bereits begangene Tat in der Vergangenheit zu unterlassen - und was geschieht dann?

- Daniel F. Galouye: Satans Tempel (Satan's Shrine; 1954), S. 64-90: Seit Jahrhunderten bedroht ein unsterblicher Diktator die Menschheit aus seiner uneinnehmbaren Festung, in die nun ein weiteres Team vordringt, um den Tyrannen endlich auszuschalten.

- James E. Gunn: Die Höhle der Nacht (The Cave of Night; 1955), S. 91-107: Er kreist in seinem wracken Raumschiff um die Erde, wo man fieberhaft versucht, ihn vor dem sicheren Tod zu retten.

- James H. Schmitz: Wir wollen keinen Streit (We Don't Want Any Trouble; 1953), S. 108-113: Die übermächtigen Wesen aus dem All planen keine Invasion, doch was sie stattdessen mit der Erde und den Menschen vorhaben, lassen sie offen.

- Willy Ley: Wissenswertes - Die andere Seite des Mondes (For Your Information: The Other Side of the Moon; 1956), S. 114-124

- Fredric Brown: Der Posten (Sentry; 1954), S. 125: Auf dem einsamen Planeten ist er bereit, als einer der schrecklichen Feinde sich nähert.

- Lothar Heinecke: Im nächsten Heft, S. 126

Morgendämmerung einer gescheiterten Idee

Die Geschichte der Science Fiction in Deutschland nach 1945 - Thema ist nicht die deutsche, d. h. hierzulande geschriebene SF - wurde lange durch jene Jahre geprägt, in denen die Nationalsozialisten ihre lesenden Bürger von der in den ‚feindlichen‘ Ausländern boomenden Unterhaltungsliteratur abschnitten. Der Anschluss fiel schwer und wurde von einer Veröffentlichungspolitik bestimmt, die auf die hausbackene SF der Ära vor dem Zweiten Weltkrieg, also auf ‚Technik‘ und Weltraum-Abenteuer des Schemas F setzte.

Immerhin gab es Bemühungen, dem inzwischen ‚erwachsen‘ werdenden Genre auch hierzulande ein adäquates Forum zu geben. 1958 versuchte es ausgerechnet der Moewig-Verlag, der quasi exemplarisch für erfolgreich auf den Markt geworfene Knall-Bumm-‚Phantastik‘ stand, mit Anspruch. Mit dem 1925 geborenen Lothar Heinecke heuerte man den richtigen Mann an.

Das US-Magazin „Galaxy Science Fiction“ veröffentlichte seit 1950 SF-Erzählungen. Horace L. Gold (1914-1996) und Frederik Pohl (1919-2013), der selbst als Schriftsteller aktiv war, suchten und fanden Autoren, die inhaltlich frischen Wind in das Genre brachten. Der Moewig-Verlag schloss einen Vertrag mit „Galaxy“, der es Lothar Heinecke ermöglichte, auf den Story-Bestand des Magazins zurückzugreifen; eine wahre Schatztruhe, die u. a. absolute Meister der SF gefüllt hatten, konnte für die deutschen SF-Leser geöffnet werden.

Heinecke wusste, welche Chance sich bot. Gleich im ersten Band der ‚deutschen‘ „Galaxy“-Sammelbände wurden die deutschen Leser mit Autoren wie Robert Sheckley, Fredric Brown, Daniel F. Galouye und James Gunn konfrontiert. Dies geschah in einem 128-seitigen und klebstoffgebundenen, d. h. mit einem Rücken versehenen Heftroman. Die Cover orientierten sich an der US-Ausgabe des Magazins, was großartige, oft hintergründig-witzige Abbildungen garantierte.

Die Zukunft - ein Ort ‚klassischer‘ Probleme und Verfehlungen

Der Zweite Weltkrieg hatte der Hightech-Euphorie der frühen SF-Ära einen Dämpfer verpasst. Wer sich nicht von einem ‚Fortschritt‘ blenden ließ, der beispielsweise die Raketen der Gegenwart primär als Transportmittel für Atomsprengköpfe definierte, ahnte zumindest, dass auch die Zukunft keineswegs frei von bekannten und ‚irdischen‘ Problemen sein würde.

Ausgerechnet der Mensch wird zum Bremsklotz. Edward William Ludwig (1920-1990), der keine tiefen Spuren in der Science Fiction hinterließ, greift auf die ‚Ideale‘ der US-Pionierzeit zurück, als Außenseiter und in der ‚normalen‘ Gesellschaft gescheiterte Existenz dazu beitrugen, die „frontier“ immer weiter in den „wilden Westen“ voranzutreiben. Ludwig erklärt den Weltraum zur „neuen Grenze“, die wie einst außerhalb von Gesetzen und Regeln gemeistert werden muss und zu einem Ort wird, an dem böse Taten im lebensgefährlichen Dienst an der später nachrückenden ‚Normal-Gemeinschaft‘ gesühnt werden können.

Ein wenig didaktisch, aber deutlich pessimistischer blickt Daniel Francis Galouye (1920-1976) in ferne Zeiten. Er geht davon aus, dass ausgerechnet die Angst vor einem neuen, dieses Mal die Erde endgültig zerstörenden Krieg die wankelmütige Menschheit einen könnte. Dies war in letzter Konsequenz die Agenda der westlichen und östlichen Großmächte, die sich im „Kalten Krieg“ gegenüberstanden; ein ‚Ausweg‘, den Galouye ebenso (melo-) dramatisch wie düster in Szene setzt. Ebenfalls symbolisch verfremdet bedient sich James Henry Schmitz (1911-1981) der zeitgenössischen Ängste, die durch den Konflikt mit dem „Ostblock“ entfacht wurden. James Edwin Gunn (1923-2020) konstruiert einen Betrug im Dienst der „guten Sache“: Der nur angeblich moderne Mensch will kein Geld in eine Raumfahrt investieren, was eine ‚demokratische‘ Regierung scheinbar akzeptiert, aber im Bund mit dem Militär tatsächlich unterläuft: Manchmal muss der dumme Bürger halt obrigkeitlich zu seinem ‚Glück‘ gezwungen werden ...

Murphy’s Law ist ewig

Die Blicke in mögliche Zukünfte waren mehrheitlich ernsthaft. Allerdings gab es auch Autoren, die nicht nur wussten, dass Humor in der Krise einen beachtlichen Unterhaltungswert entwickeln kann. Man muss wissen, dass „lächerlich“ nicht gleich „komisch“ ist und der Witz eigenen Regeln folgt, um sich zum einen auch mit der Science Fiction in Einklang bringen zu lassen, während er andererseits den Ernst einer Lage erst recht verdeutlichen kann.

Ganz klassisch, d. h. als Reihung slapstickhafter Episoden, lässt Robert Sheckley (1928-2005) eine Gruppe tumber Raumschiffdiebe in groteske Nöte geraten, deren eigentliche Quelle Unwissen ist. Die daraus resultierende Komik erhält eine zweite Ebene, indem der Autor den bestohlenen Eigentümer kommentieren lässt, was wirklich an Bord seines Schiffes geschieht: Was die Diebe zunehmend in Todesangst versetzt, sind für ihn alltägliche Instrumente, die vor allem seiner außerirdischen Körperhygiene dienen.

Gleich zweimal stellt Fredric Brown (1906-1972) grundsätzlich tiefgründige Fragen, die er nicht ‚wissenschaftlich‘ ernst oder unter Berücksichtigung philosophischer Aspekte, sondern knapp und mit ironischer Schärfe beantwortet. Er war ein seltener Meister dieser Form; dies auch deshalb, weil in Gedankenschwere getränkte Kürze sich nicht auszahlte in einer Zeit, als SF-Magazine ihre Autoren nach Worten bezahlten.

Pädagogischer Wink mit dem Zeigefinger

Um dem Projekt „Galaxis“ ein ‚literarisches‘ Deckmäntelchen zu verleihen, ließ Herausgeber Heinecke auch ‚echte‘ Wissenschaftler zu Wort kommen. Zumindest in der angelsächsischen Astrophysik hatte man begriffen, dass Popularität den Zuspruch bis dato ausgegrenzter, weil für zu dumm gehaltener Steuerzahler wecken konnte. Wernher von Braun bereitete in den 1950er Jahren die bemannte Raumfahrt und den Flug zum Mond vor, indem er u. a. mit Walt Disney zusammenarbeitete und im Fernsehen die Trommel für seine Visionen schlug.

Auch Willy Ley (1906-1969) schlug Pfade außerhalb der üblichen, rein wissenschaftlichen Veröffentlichungswege ein. Sein Blick auf die „andere Seite des Mondes“ war 1958 noch völlig hypothetisch, aber keineswegs falsch; er belegt, was auch heute gilt: Schlussfolgerungen, die auf fachkundiger Indizien-Auswertung beruhen, kommen der Realität in der Regel sehr nah.

Das Experiment „Galaxy“ scheiterte schon nach 15 Ausgaben. Der Verlag warb nur zurückhaltend, den Lesern waren die Erzählungen womöglich nicht trivial genug; hinzu kam der Preis von 1,50 DM, während ein ‚normaler‘ 64-seitiger Heftroman nur die Hälfte kostete. 1959 war Schluss. Lothar Heinecke engagierte wandte sich enttäuscht von der Science Fiction ab und ging in die Werbung. 1964 starb er nur 38-jährig an den Folgen eines Verkehrsunfalls. 1965 griff der Heyne-Verlag das Konzept wieder auf. Dieses Mal waren Walter Ernsting und Thomas Schlück für die Auswahl der „Galaxy“-Storys zuständig. Nach 14 Taschenbuch-Ausgaben lief 1970 auch diese Reihe aus.

Fazit:

Erstausgabe eines frühen Science-Fiction-Magazins, das seiner Zeit zumindest in Deutschland voraus war. Inhaltlich wird ausgezeichnete Genre-Kost geboten, die ihren Unterhaltungswert ungeachtet (oder gerade wegen) ihrer Verknüpfung mit einer zeitgenössischen, heute vergangenen Realität nicht eingebüßt hat.

Galaxis Science Fiction 1

Lothar Heinecke, Moewig

Galaxis Science Fiction 1

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