Assistant to the Villain

Hannah Nicole Maehrer begeisterte auf ihrem TikTok-Kanal so viele Fans mit Clips über einen Schurken und dessen Assistentin, dass sie ihnen gleich ein ganzes Buch widmete. Es landete umgehend auf der BookTok-Bestsellerliste. Ich wusste weder von der Existenz einer solchen Liste, noch habe ich je ein BookTok-Titel gelesen. Mit vorliegendem Roman kann ich nun gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.

Jugend schützt vor Sorgen nicht

Auf den jungen Schultern von Evangelina "Evie" Sage lastet bereits viel Verantwortung. Als Alleinverdienerin sorgt sie dafür, dass ihre Familie stets genug zu essen auf dem Tisch hat. Ihre Mutter ist spurlos verschwunden, der ältere Bruder tot, der Vater schwer krank... da bleibt es an Evie hängen, sich um ihre jüngere Schwester Lyssa und den Vater zu kümmern. Nebenbei schmeisst sie den Haushalt und erledigt auch sonst alles, was anfällt.

Ungünstigerweise hat Evie ihren Job verloren und somit kein Einkommen. Um ihre Familie ernähren zu können, muss also dringen eine neue Arbeit her. So fackelt Evie dann auch nicht lange, als ihr ein Job als Assistentin angeboten wird. Zwar ist ihr neuer Chef niemand geringeres als der meistgesuchte Schurke im ganzen Königreich, doch wie heisst es so schön: Sie war jung und brauchte das Geld.

Entgegen allen Erwartungen findet Evie schnell gefallen an ihrem neuen Job. Obwohl ihr Chef eine Folterkammer unterhält und ab und zu abgehackte Köpfe von der Decke hängen, überwiegen die Vorzüge. Dazu kommt, dass der Schurke ungemein attraktiv ist. Seine Nähe beschert Evie jedes Mal unglaubliches Herzflattern. Leider ist diese Anziehung sehr einseitig, davon ist zumindest Evie überzeugt. Das hindert sie jedoch nicht daran, alle Hebel in Bewegung zu setzen als sie herausfindet, dass jemand ihrem Boss schaden will. Wer steckt hinter den fiesen Anschlägen? Warum hegt der Schurke so einen Hass auf den König? Ist vielleicht jemand aus den eigenen Reihen ein Verräter? So viele Fragen! Evie bleibt sehr wenig Zeit, auf alle die passende Antwort zu finden.

Tollpatsch trifft auf attraktiven Bösewicht

Die Geschichte wird abwechselnd aus der Perspektive von Evie und dem Schurken erzählt. Wir lernen Evie als junge Frau kennen, die zur Tollpatschigkeit neigt, sich für ihre Familie aufopfert sowie die eigenen Bedürfnisse stets zuhinterst anstellt. Ausserdem ist sie schlagfertig und hart im Nehmen. Klingt eigentlich nach einem sympathischen Charakter. Jedoch hat mich beim Lesen gestört, dass sie in vielen Situationen gar naiv daher kommt und kaum mal was hinterfragt. Zudem nehmen die Schwärmereien ihrem schurkischen Vorgesetzten gegenüber mit fortwährender Lektüre immer mehr zu. Gefühlt ist sie dauernd damit beschäftigt, seine strammen Oberschenkel in engen Lederhosen zu bestaunen oder den Glanz seiner Haare zu bewundern.

Schauen wir uns besagten Schurken, welcher eigentlich Trystan heisst, auch mal etwas genauer an. Wie wir durch Evie ja bereits wissen, sieht er unverschämt gut aus. Er verfügt über dunkle Magie und will um jeden Preis seine persönliche Vendetta gegen König Benedikt vollenden, koste es was es wolle. Trystan soll uns zwar als der "Böse" verkauft werden, seine Robin Hood-mässigen Züge machen es jedoch schwer, ihn als den finsteren Schurken zu sehen. Es ist zudem lange unklar, warum er eigentlich so einen Hass gegen den König hegt.

Dies ist ein generelles Problem des vorliegenden Buches. Vieles wird nicht oder nur sehr dürftig erklärt. Magie ist vorhanden, es wird jedoch nicht darauf eingegangen, wie sie genau funktioniert und warum manche Menschen sie besitzen und andere nicht. Oder die Fabelwesen, welche in der Geschichte vorkommen. So gibt es etwa Drachen sowie ein Geschöpf namens Guivre. Woher kommen sie? Wie lange gibt es sie schon? Schade schenkt die Autorin ihnen nicht mehr Aufmerksamkeit. Gerade dem Guivre, welcher eine sehr interessante Spezies ist, der ich so noch nie in einem Fantasy-Roman begegnet bin.

Grundidee gut, Umsetzung mässig

Als Assistentin in den Arbeitsalltag eines Bösewichts einzutauchen, finde ich einen äusserst gelungenen Ansatz. Dabei eine Figur zu wählen, die mit Wortwitz und Schlagfertigkeit ihrem schurkischen Chef Paroli bietet, klingt ebenfalls toll. Natürlich gibt es humorvolle Situationen, wenn Evie mit ihrer unverblümten Art die sorgfältig errichtete Schutzmauer des Schurken ein fürs andere Mal durchbricht. Aber irgendwann stellte sich bei mir eine Art Gewöhnungseffekt ein und ich fand vieles nur noch "bemüht lustig".

Viele Passagen plätschern einfach so vor sich hin, ohne dass wirklich etwas passiert. Das sorgt für einige Längen in der Geschichte. Diese muss man durchstehen, da gegen Schluss doch noch ein gewisses Spektakel in Form eines gelungenen Plottwists auf einem wartet. Dazu werden endlich ein paar Fragen beantwortet, die man sich während der Lektüre schon die ganze Zeit gestellt hat.

Fazit:

"Assistant to the Villain" bietet eine äusserst interessante Grundidee. Leider hat die Autorin daraus wenig gemacht. Das Worldbuilding ist eher schwach, vieles muss man als gegeben hinnehmen, da Hintergründe und Erklärungen fehlen. Dazu weist die Story oft Längen auf. Erst gegen Schluss wird die Geschichte richtig spannend und überrascht mit einem gelungenen Plottwist.