Meine Freundin Helen

Molly und ihr Bruder Michael sind mit den Lebensumständen nicht glücklich. Seit die siebenjährige Stiefschwester Heather mit ihrem Vater bei ihnen und ihrer Mutter lebt, ist alles nicht mehr so harmonisch wie früher. Eines Tages beschließen die Eltern aufs Land zu ziehen - weit weg von Freunden und vertrauter Umgebung. Und die Sorgen werden zunehmen.

Viel Konflikt, wenig Spannung

Anfangs versprüht das gerade einmal 170 Seiten fassende Büchlein - in schöner Ausstattung mit Lesebändchen - beinahe abenteuerlichen Enid Blyton Charme. Das verwundert nicht, denn die 1986 erstmals erschienene Geschichte stammt von der amerikanischen Autorin Mary Downing Hahn. Und die ist im englischsprachigen Raum vor allem mit ihren Jugendbüchern bekannt geworden. Nur bedächtig wird Spannung aufgebaut. Dabei ist eine ehemalige Kirche als neue Familien-Unterkunft mit nah gelegenem Friedhof und die Ruine eines Hauses eigentlich ein prädestiniertes Setting für eine Geistergeschichte. Doch darüber allein entfacht sich nur sehr dezentes Grusel-Flair.

Im Vordergrund stehen die angespannten familiären Verhältnisse. Diese werden nicht nur durch den Umzug weiter verschärft, sondern vor allem durch Heathers Verhalten. Sie scheint es geradezu darauf abgesehen zu haben, einen Keil zwischen die Familie zu treiben, Heather und Molly dabei zusehends Probleme zu bereiten. Da Heathers Mutter bei einem tragischen Unglück ums Leben gekommen ist, möchte ihr Vater Dave seiner Tochter jeden Wunsch ermöglichen. So fällt es auch der Mutter von Molly und Michael nicht leicht für ausgeglichene Verhältnisse zu sorgen. Molly wird eines Tages Zeugin, wie Heather auf dem Friedhof mit jemand scheinbar unsichtbaren spricht. Offenbar hat der Geist eines Mädchens Kontakt zu Heather aufgenommen. Für Molly und Michael soll das bald bedrohlichere Ausmaße annehmen.

Die Geschichte kommt lange Zeit kaum von der Stelle. Heather wird uns immer unsympathischer, die Eltern möchte man gerne schütteln, den bedauernswerten Geschwistern Molly und Michael irgendwie helfen. Erst im letzten Drittel, wenn die Intensität der Begegnungen mit dem Geist des Mädchens zunehmen, die Auswirkungen auf Heather und die Familie an Dramatik gewinnen und sich dann auch mehr Hintergründe zu Ereignissen aus der Vergangenheit offenbaren, wird die Atmosphäre deutlich dichter und auch packender.

„Meine Freundin Helen“ als allzu seichten Jugendroman abzustempeln, wird aber sowohl dem Verlauf der Dramaturgie nicht gerecht, als auch vor allem den verflochtenen psychologischen Themen, wie Trauma und Verlust, die eine wesentliche Basis in Mary Downing Hahns Erzählung darstellen und betont in die Handlung eingeflochten sind. Für Molly und Michael wird es ein beschwerlicher Weg. Sie müssen sich gegen den Geist und Heather behaupten, können dabei (noch) nicht auf die Unterstützung der Eltern hoffen.

Fazit:

Für die erwachsene Leserschaft ist „Meine Freundin Helen“ sicher nur ein kleines nostalgisches und kurzweiliges Gruselhäppchen mit viel Familien-Drama. Den Jüngeren unter uns bietet Mary Downing Hahn eine stimmungsvolle Geistergeschichte um eine Patchwork-Familie, die zusammenfinden muss, um die Geister der Vergangenheit zu vertreiben.