The Devils

  • Heyne
  • Erschienen: Mai 2025
  • 1
The Devils
The Devils
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Michael Drewniok
100°1001

Phantastik-Couch Rezension vonSep 2025

Die gänzlich un-glorreichen Sieben

Auf dieser alternativen Erde hat die Geschichte einen anderen Verlauf genommen. Zwar ist Rom auch hier die heilige Stadt der Christenheit, doch der Papst ist eine Frau mit Zauberkräften, denn die Magie ist ebenso alltäglich wie die Anwesenheit von Monstern, Vampiren oder Dämonen. Aktuell bietet sich die Chance, den abtrünnigen Osten der Christenheit wieder auf Westkurs zu bringen, denn in der Metropole Troja ist die Hexen-Kaiserin Eudoxia verstorben. Ihre verschollene Nichte und legitime Nachfolgerin taucht in Rom auf. Prinzessin Alexa soll in Troja den Thron besteigen - ein Plan, der von Rom unterstützt wird.

Allerdings hat die verstorbene Kaiserin vier Söhne, die ebenfalls nach der Macht greifen. Ihre Cousine ist eine lästige Rivalin, die sie deshalb aus dem Weg räumen wollen. Dies ist bekannt, weshalb eine sehr gemischte Gruppe mit von Rom nach Troja reisen und Alexa beschützen soll: Nur nominell übernimmt im Namen der Kirche Bruder Eduardo Diaz den Oberbefehl. Tatsächlich bestimmen Jakob von Thorn, ein fluchbedingt unsterblicher Ritter, und die Glücksritterin Baptiste, wo es langgeht. Um die Kampfkraft der Gruppe zu erhöhen, wurden durch kirchlichen Bann zusätzlich die Werwölfin Vigga, der Vampir Baron Vikard, der Nekromant Balthazar Sham Ivam Draxi und die Elfin Sunny als ‚Leibwächter‘ gepresst.

Der Feind ist wachsam, ein erster, magisch verstärkter Angriff erfolgt schon kurz nach der Abreise aus Rom. Aus der Situation heraus muss eine neue Route gefunden werden. Doch der Weg nach Troja ist weit, und nicht nur Eudoxias Söhne und ihre bizarren Schergen sind den Reisenden stets auf den Fersen ...

Schattenseiten der heroischen Fantasy

Nicht Schlamm und Schmutz sind gemeint, denn es gehört zu den Pflichten jedes tapferen Helden, sich durch Unrat zu kämpfen. Entbehrungen aller Art unterstreichen besagtes Heldentum, denn in ihnen spiegelt sich die Entschlossenheit wider, einer übernommenen Mission bis zum erfolgreichen Ende zu folgen. Dem Recken mag der Dreck aus jeder Ritze seiner Rüstung sickern: Sein Charakter bleibt blütenweiß!

In der „heroischen“ Fantasy (und in den deutlich älteren Heldensagen) werden solche und andere Prüfungen überhöht. Sie lassen den Sieg - aber auch eine Niederlage - glanzvoller - oder tragischer - wirken. Wer als Zuhörer, Leser oder Zuschauer solchen Geschichten folgt, ist in der Lage, diese Symbolhaftigkeit zu erkennen und in die Rezeption einzubinden. Die nackte Wahrheit ist weder erforderlich noch gefragt. Tolkiens Ringkrieger drücken weder Blase noch Darm, und ihr Zug durch die Wildnis scheint auch ohne Dusche und Kleiderbad mief- und läusefrei zu bleiben. Demonstrative Ablehnung von Hygiene kennzeichnet höchsten den Bösewicht.

Ein realitätsnäheres Gesamtbild verbreitete sich im Film der späten 1960er und 1970er Jahre. Im Western oder im Kriegsfilm wurde bis dato ‚sauber‘ gestorben. Das änderte sich, wie überhaupt die unschönen, aber realhistorischen Aspekte der Vergangenheit in die Handlung einflossen. So rankt sich die Story von „McCabe & Mrs. Miller“ (1971) um den Aufbau eines Bordells in einer US-Pionierstadt. Die Ferne zum idealisierten „Wilden Westen“ wird auch dadurch betont, dass dieser Ort buchstäblich im allgegenwärtigen Schlamm versinkt.

Keine Mission, sondern ein Knochenjob

1967 inszenierte Robert Aldrich den Kriegsfilm „The Dirty Dozen“ (dt. „Das dreckige Dutzend“). Eine wichtige Mission gegen Nazideutschland entpuppt sich als Mordauftrag, für den zum Tode verurteilte Killer, Vergewaltiger u. a. Strolche zwangsrekrutiert werden. Als Belohnung winkt die Freiheit, aber die Mehrheit wird den Einsatz nicht überleben. Der Film wurde zur Blaupause für unzählige Nachfolger, die im genannten Fahrwasser manövrierten: Keine Helden, sondern Söldner erledigen einen Job, der mit Heldentum in keiner Weise zu tun hat.

Dass dieses Konzept nichts von seiner Kraft verloren hat, belegt Joe Abercrombie mit dem ersten Band seiner „Devils“-Trilogie. Er folgt spurtreu der „Dirty-Dozen“-Vorlage und konfrontiert uns mit ‚Gefährten‘, die zunächst ausschließlich Zwang, Angst und Gewaltbereitschaft eint. Im Mittelpunkt steht ein nur vorgeblich hehrer Zweck. Dass Rom sich für eine Thronbesteigung der wahren Herrscherin von Troja stark macht, ist eine zweckorientierte Maßnahme im Kampf um die Wiederherstellung der Macht im Osten der Christenheit. Söldner und in den Dienst gezwungene Pechvögel übernehmen einen Auftrag ohne echte Hoffnung auf Gelingen. Selbst die zukünftige ‚Kaiserin‘ - eine ungebildete, heimatlose Diebin - ist nur eine Schachfigur.

Politik ist ein schmutziges Geschäft. Die Kirche schreckt davor nicht zurück, denn sie liebt die Macht und ist skrupellos genug, um sich auch derer zu bedienen, die sie offiziell bekämpft. Eine Werwölfin, ein Vampir, eine Elfe und ein Nekromant werden in den Dienst der ‚guten Sache‘ gezwungen, ein verfluchter Ritter und eine Glücksritterin übernehmen die Führung, ein Priester begleitet die Gruppe als Kanonenfutter. Dass Alexa denkbar ungeeignet für den Posten einer Kaiserin ist, spielt keine Rolle: Hinter den Kulissen stehen jene bereit, die im Falle ihres (sicheren) Todes handeln werden.

Helden sterben, Hinterlist siegt

Als Kreuzritter hat Jakob von Thorn auf die harte Tour gelernt, dass Frömmigkeit und Edelmut dich direkt und auf hässliche Weise ins Grab bringen. Er hat die pompösen Phrasen der Großen in Welt und Kirche durchschaut und ist jederzeit bereit, Fremden wie Freunden zu misstrauen und im Kampf auf schmutzige Tricks zurückzugreifen. Wie seine ‚Gefährten‘ dieselbe Lektion auf ebenfalls schmerzhafte Weisen verinnerlicht haben, spielt Autor Abercrombie in Rückblenden ein.

Gefühle sind zwar vorhanden, aber sie werden sorgfältig so tief wie möglich im gepanzerten Rest des Herzens verborgen. Dies ist global und wird von Freunden wie Feinden befolgt. Bündnisse bergen den Keim des Scheiterns und des Verrats stets in sich, und für ein gutes Kopfgeld vergisst auch eine Bischöfin gern christliche Grundsätze, die ohnehin nur ein vages Fernziel definieren - auf Erden wird im Dienst der „guten Sache“ gelogen, betrogen und gemordet.

Dass diese Höllenfahrt durch ein nicht datiertes Spätmittelalter - einige Hinweise weisen auf das frühe 14. Jahrhundert hin - kein Trauerspiel wird, verdanken wir einem Verfasser, der die Kunst des pseudo-historischen Vexierspiels hervorragend beherrscht und sich sehr bewusst jeglicher Heroisierung enthält, ohne deshalb ausschließlich zynisch zu sein. Sein Talent demonstrierte Abercrombie bereits in seiner überaus erfolgreichen „First-Law“-Serie (dt. „Klingen“) sowie in der „Shattered-Sea“-Trilogie, die in Deutsche übersetzt wurden.

Die Welt ist (faszinierend) schlecht

Ungeachtet ihrer ausgeprägten charakterlichen Schwächen sind unsere ‚Helden‘ überraschend sympathisch. Als wir mehr über sie erfahren, wissen wir, wieso sie so misstrauisch und gemein sind: In dieser Welt überlebt nur der Starke bzw. (Hinter-) Listige. Wer nicht mithalten kann, wird erbarmungslos niedergetrampelt. Alex ist das Paradebeispiel; noch jung und als Mensch quasi in der Ausbildung, kennt sie aufgrund ihres Überlebenskampfes in den Gassen von Rom keinerlei Regeln oder Scham. Sie ist intelligent, aber völlig ungebildet, denn die Errungenschaften der Zivilisation genießen nur jene, die sie sich leisten oder stehlen können. Auch als zukünftige Kaiserin bleibt Alex ein Spielball von Mächten, die sich zwar bekämpfen, aber darauf achten, dass stellvertretend nur Arme, Dumme und Pechvögel verheizt werden.

Damit Schmutz und Gemeinheit richtig zur Geltung kommen, erschafft Abercrombie eine alternativhistorische Welt, die durch ihren bis in die Details überbordenden Einfallsreichtum für zusätzliche Attraktionen sorgt. Reale Orte werden überzeichnet, wobei bizarre Eigenheiten und obskure Alltäglichkeiten problemlos miteinander harmonieren. Hinzu kommen zahlreiche Übernatürlichkeiten, die sich wunderbar ins Gesamtbild fügen: Tore zur (sehr regen) Hölle, das Inselreich Atlantis, ein vor allem von Trollen, Werwölfen u. a. garstigen Gesellen bevölkertes Skandinavien, (meist verwünschte) Relikte des magischen Reiches Karthago (das in dieser Geschichte den Krieg gegen Rom gewonnen hat).

Noch zwei (vermutlich ebenso umfangreiche) Bände sollen folgen. Man fragt sich, wie Abercrombie sein Horn auffüllen will, denn „The Devils“ ist eine Tour-de-Force der Non-Heroic-Fantasy, die selbst alte, müde gewordene Genre-Fans binnen weniger Seiten in ihren Bann zieht! Der Autor erreicht nicht ganz die Wucht eines Jesse Bullington („The Enterprise of Death“, 2011; dt. „Vom Tode verwest“), übertrifft aber John M. Ford („The Dragon Waiting“; 1983, dt. „Der Thron des Drachen“), die beide ebenfalls wort- und ideenmächtig das Panorama einer ‚anderen‘ Vergangenheit zwischen Nordkap und Nordafrika aufblättern. Nicht jeder (schwarze) Gag will zünden, und rasch lassen sich Handlungsmuster erkennen, doch Story und Stil tragen über die gesamte, imposante Distanz.

Fazit:

Auftaktband einer „Dark-Fantasy“-Trilogie mit markanten Horror-Akzenten vor prachtvoll-dreckig ausgemaltem alternativhistorischen Hintergrund, besetzt mit farbenfrohen Anti-Helden, die fernab jeglichen Mystik-Glanzes einer fragwürdigen Mission nachgehen: Eine frische Brise bläst den Klischeestaub davon und sorgt für eine unermüdlich voranstürmende Story.

The Devils

Joe Abercrombie, Heyne

The Devils

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