Das Haus des Exorzisten
- Festa
- Erschienen: Januar 2025
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Dämon fordert Familienanschluss
1994 verlassen Daniel und Nora Hill ihre Heimatstadt und ziehen mit Tochter Alice in ein ehemaliges Farmhaus. Es steht abgeschieden in der südlichen Weite des US-Staates West Virginia und war nicht nur deshalb günstig: Ein Feuer hatte das Gebäude teilweise zerstört; der Schaden ließ sich aber problemlos beheben.
Was man den Hills verschwieg, war der Tod des Vorbesitzers, der in dem Feuer starb. Den alten Merle Blatty kannte man in der Region als Teufelsaustreiber. Auch sonst kam er ins Haus, wenn sich dort das Böse eingenistet hatte. Sein Ende ereilte ihn berufsbedingt: Merles Gattin erregte die Aufmerksamkeit eines Dämons, der ausgerechnet unter dem genannten Farmhaus hauste, durch einen Brunnenbau geweckt und mit einer unvorsichtigen Séance an die Oberfläche gelockt wurde. Dort widerstand ihm Merle, so lange er konnte. Als er starb, blieb der Spuk zurück und lauert seither auf neue Opfer.
Dass es in ihrem Haus nicht mit rechten Dingen zugeht, bleibt den Hills keineswegs verborgen. Gleich wieder flüchten will man nicht; schließlich denkt man modern, ist aufgeklärt und glaubt nicht an Spuk. Außerdem ist Nora hochschwanger und lehnt einen Auszug ab - zunächst, denn was sich im Keller rührt und allmählich an Präsenz zulegt, ist feindselig und will den neuen Bewohnern ans Leben. Verzweifelt wehrt sich die Familie, aber es kommt der Moment der Erkenntnis: Wir müssen hier weg! Fatalerweise gedenkt der Dämon nicht wieder allein zurückzubleiben und will mit den Hills umziehen ...
Der Teufel tanzt klassisch mit dem Tod
Es ist durchaus erfrischend, wenn sich ein Autor dazu entschließt, das gewählte Genre nicht neu zu erfinden, sondern einen bereits von (vielen) Vorgängern eingeschlagenen sowie bewährten Pfad einschlägt. Zwar gibt es das Risiko, dass die Variation des Bekannten in einer Ansammlung ausgelaugter Klischees verebbt. Dennoch eröffnet sich gerade für Autoren, die eher (oder ausschließlich) im Handwerk als in der ‚Kunst‘ anzusiedeln sind, die Chance, (trotzdem) eine spannende Geschichte zu erzählen.
Zu dieser Runde gesellt sich Nick Roberts, denn „Das Haus des Exorzisten“ ist ein Horrorroman ohne eine einzige (neue) Idee. Originalität wird man ebenfalls vergeblich suchen. Aber das erwähnte Handwerk beherrscht er, und das ist wie gesagt ein Weg, uns Leser zu fangen und bei der Stange zu halten. Also erzählt uns Roberts ganz klassisch die Geschichte einer modernen Besessenheit, was bedeutet, dass er einerseits berücksichtigt, wie Dämonen ins Horror-Genre eingegangen sind, während er andererseits für drastische Effekte sorgt, die uns signalisieren, dass dieses Garn zwar in der Vergangenheit spielt, aber in der Gegenwart geschrieben wurde.
Allerdings bleibt ungeklärt, wieso Roberts die Handlung überhaupt ins Jahr 1994 verlegt. Normalerweise geschieht so etwas, um GPS, Handyempfang und Internet als lästige, weil von Geistern u. a. Schauergestalten schwierig zu störende Faktoren, auszuschalten. Dagegen sind die Hills bereits online, und auch die drahtlose Telefonie ist für sie eine Selbstverständlichkeit. Es steckt wohl eine noch unbekannte Backgroundstory dahinter; Roberts scheint eine Serie vorzuschweben. Zumindest hat er dem „Haus des Exorzisten“ 2024 ein Prequel namens „The Exorcist’s House: Genesis“ folgen lassen, das in das Jahr 1967 zurückblendet, als Merle Blatty noch exorzistisch unterwegs war. Zugleich springt Roberts ins Jahr 1997 und schildert die weiteren Leiden der Familie Hill: Dämonen sind hartnäckig!
Pazuzu war ein Weichei ...
Über allem schwebt selbstverständlich der Geist von William Peter Blatty (1928-2017), der 1971 mit seinem Roman „The Exorzist“ („Der Exorzist“) das Genre quasi neu erfand. Blatty verknüpfte uralte Mythen und realreligiöses Halbdunkel mit moderner Darstellungsdrastik und erreichte mit diesem Buch (und der weniger bekannten Fortsetzung „Legion“/„Das Zeichen“ von 1983) ein Niveau, von dem seine unzähligen Epigonen - Roberts eingeschlossen - nur träumen können. Gemeint ist damit Blattys Talent, eine anachronistische Bedrohung - den Dämonen Pazuzu - konsequent in die moderne Gegenwart zu versetzen, ohne dass dieser seinen Schrecken einbüßt.
Weiter als er geht Roberts höchstens, wenn er die Brutalitäten beschreibt, die der Dämon unter dem Blatty-Haus - mit dem Namen erweist der Autor dem Meister seine Reverenz - den Menschen der Umgebung antut. Er röstet sie, reißt sie in Stücke, lässt sie verwesen, was uns Roberts detailfreudig vor Augen führt. Das kann für Verwirrung sorgen, denn während der Dämon zerstörerisch in die Körper seiner Opfer fährt, können diese zeitgleich aus dem Jenseits schlüpfen und sich ratgebend an die Hills wenden. Verwechslungen kommen vor, aber glücklicherweise gibt es im Haus einen schlappohrigen Hund, der den Dämon in jeder Inkarnation erkennt.
Als Erzähler hält sich Roberts an die Konventionen. Also ziehen die Hills als die üblichen, d. h. ahnungslosen Auswärtigen aufs Land. Mit der Umgebung und den Nachbarn fremdeln sie und sind mit der Lokalhistorie und ihren düsteren Episoden nicht vertraut, denn Familie Hill kommt aus der Stadt und fühlt sich auf dem (in West Virginia besonders) platten Land erst einmal gestrandet. (Wieso sie überhaupt dorthin ziehen, wird von Roberts eher ungeschickt begründet.) Sie richten sich ein, während das Böse im Keller wartet, dass die Eingewöhnung fortschreitet.
Die Hölle: bunt, aber einfallsarm
Dann geht’s los, wobei die für Dämonen offenbar typische Ungeduld dafür sorgt, dass es mit jener sorgfältig gesteigerten Heimsuchung, wie sie normale Hausgespenster pflegen, nicht weit her ist. Faktisch sind Dämonen recht primitive Kreaturen, die sich in der Hölle langweilen, weil sie dort niemand so piesacken können, wie es ihnen im Blut liegt. (Angesichts dieser Tatsache wundert es natürlich, wieso diese Kreaturen vor dem Brunnen, der ihnen den Weg in diese Welt ermöglicht, nicht Schlange stehen. Womöglich konnte dieser Dämon wenigstens in der Hölle den Mund halten und nutzt den Durchgang deshalb exklusiv.)
Mit Volldampf überfährt das Grauen die Hills. Daniel, Nora und Alice müssen jeweils private Dämonenattacken über sich ergehen lassen, wobei das Wesen sich gern an (mehr oder weniger) beiseite gedrängten Familiengeheimnissen orientiert: Daniel ist von seinem Job - er ist Psychologe - gelangweilt, Nora hat ihn mit einem Lehrerkollegen betrogen, beide fühlen sich von der anstehenden Geburt des Nesthäkchens überfordert, und erwartungsgemäß steht das Baby besonders weit oben auf der Gelüste-Liste des Dämons. Alice ist 15 und pubertiert mächtig, weshalb sie sich umgehend in den vor dem Blatty-Haus auftauchenden, schmucken-schnuckeligen Luke verguckt, der natürlich seinerseits etwas zu verbergen hat.
Als die Fronten geklärt sind, fallen die Masken: Der Dämon arbeitet sich an den Hills ab (und muss deshalb zwischenzeitlich völlig abgekämpft in seinem Brunnen ausruhen), während diese seine Attacken abwehren. Dies allein ist schon eine Herausforderung, aber parallel dazu gilt es Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Zum Glück hat Merle Tagebuch geführt und später sogar Videokassetten aufgenommen, sodass die Vorgeschichte enthüllt werden kann, bevor die (noch) Lebenden und die Toten darangehen, dem Dämon (scheinbar) das Handwerk zu legen!
Fazit:
Eine US-Durchschnittsfamilie gerät in die Gewalt eines Dämons, der seine Opfer töten und in die Hölle verschleppen will. Dies sowie die Gegenwehr besagter Familie sorgt für die Handlung eines genrekonformen und überraschungsarmen, aber solide über die Gesamtdistanz gebrachten Routine-Horrorromans: Lesefutter in seiner schmackhaften Fastfood-Version.

Nick Roberts, Festa
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