Es währt für immer und dann ist es vorbei

  • Suhrkamp
  • Erschienen: März 2025
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Es währt für immer und dann ist es vorbei
Es währt für immer und dann ist es vorbei
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Andrea Betschart
88°1001

Phantastik-Couch Rezension vonMai 2025

Ein Zombieroman, der seinesgleichen sucht

Poesie, Herzschmerz oder Trauer sind Begriffe, die mir nicht unbedingt in den Sinn kommen, wenn ich an Zombies denke. Eher sehe ich vor meinem inneren Auge halb verweste Untote, die mehr oder weniger trittsicher durch die Welt torkeln. Immer getrieben durch den unstillbaren Hunger nach frischem Menschenfleisch. Dass ein Zombieroman wunderbar funktioniert, wenn man gängige Genre-Stereotypen weglässt, zeigt Anne de Marcken.

Habe ich gern Erdbeereis gegessen? Hatte ich einen grünen Spielzeuglaster?

Wir befinden uns in einer post-apokalyptisch angehauchten Welt, in der nach der "grossen Katastrophe" nichts mehr ist, wie es einmal war. Städte sind verlassen, Gebäude verwaist und die Natur erobert sich langsam ihr Territorium zurück. Hier begegnet uns gleich zu Beginn der Geschichte eine Zombiedame, die den Verlust ihres linken Armes verkraften muss. Aktuell lebt sie mit anderen Untoten in einem Hotel und versucht, sich an ihr früheres Leben zu erinnern. Bis auf einige Bruchstücke hat sie nämlich alles vergessen. Inklusive ihrem Namen. Dieses Schicksal teilt sie mit den anderen "Hotelgästen". Aus diesem Grund schreiben die Zombies beispielsweise unzählige Namen an die Wände und auf den Boden und hoffen darauf, so plötzlich auf den ihren zu stossen.

Was die Protagonistin jedoch nicht vergessen hat, ist eine ganz bestimmte Person. Und die damit verbundenen Gefühle wie Sehnsucht oder Liebe. Sie erinnert sich daran, wie sie zusammen in den Dünen gelegen haben, um das Meer zu betrachten. Wie gerne würde sie wieder so empfinden! Da sie als Untote Zeit im Überfluss hat, beschliesst sie, sich auf den Weg zu machen, um diesen magischen Ort wieder zu finden. Als Begleitung dient ihr eine tote Krähe, die nur in einzelnen Wörter kommuniziert. Was sie wohl am Ende ihrer Reise erwartet?

Zombies mit Tiefgang

Die Zombies, welche Anne de Marcken's Roman bevölkern, haben so gar nichts mit den Untoten zu tun, mit denen ich bisher Bekanntschaft gemacht habe. Weder sind sie hirnlose Verwesung auf zwei Beinen, noch ist ihr Denken nur durch Fleischgier beherrscht. Vielmehr sind sie getrieben davon, sich die Erinnerungen an ihr altes Leben zurückzuholen. Sie führen Gespräche miteinander, helfen sich gegenseitig und versuchen ihren Platz in dieser neuen Welt zu finden. An der Seite der namenlose Zombie-Lady lernen wir die verschiedensten Charaktere kennen und reisen mit ihr durch das Land.

Die Autorin schafft es, der untoten Hauptfigur auf bemerkenswerte Weise Leben einzuhauchen. Ihre zum Teil fast schon philosophisch anmutenden Gedankengänge haben mich sehr berührt. Ich habe mit ihr gelitten, mitgefiebert und so sehr gehofft, dass sie am Ende findet, was sie sucht. Anne de Marcken gelingt das Kunststück, Zombies zu Sympathieträgern zu machen.

Eine tolle Reise in schöner Sprache

Die Sprache im vorliegenden Buch ist schön, treffend und poetisch. Etwas, das man auf den ersten Blick eher in der Hochliteratur, denn in einem Zombieroman erwarten würde. Doch es gelingt de Marcken wunderbar und glaubhaft, in dieser Sprache eine Welt zu schaffen, in der Untote und Lebende nebeneinander existieren. Beide Spezies sind mit ihren eigenen Problemen konfrontiert, weisen jedoch trotz aller Unterschiede auch Gemeinsamkeiten auf. Zusammen mit der Hauptfigur begeben wir uns auf die Reise durch diese Welt, was sich als unglaublicher Trip entpuppt, der einfach Spass macht, ernsteren Themen wie Trauer, Verlust oder Resignation jedoch ebenfalls ihren Platz zugesteht.

Fazit:

Der Roman von Anne de Marcken lässt sich schwerlich in ein Korsett pressen. Und genau das macht die Einzigartigkeit dieser Lektüre aus. Ein Buch, das überrascht, begeistert und mit Genre-Klischees bricht. Eine Geschichte, die Untote lebendig macht. Ein Roman, der zeigt, dass man auch für Zombies ein Herz haben kann.

Es währt für immer und dann ist es vorbei

Anne de Marcken, Suhrkamp

Es währt für immer und dann ist es vorbei

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