Sprungbrett ins Weltall

  • Ullstein
  • Erschienen: März 1972
  • 0
Sprungbrett ins Weltall
Sprungbrett ins Weltall
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Michael Drewniok
70°1001

Phantastik-Couch Rezension vonMai 2025

Als Tontaube in der Erdumlaufbahn

In diesem Zukunftsjahr 1975 hat die Geschichte einen leicht veränderten Verlauf genommen. Weiterhin ist die Erde in zwei heftig miteinander konkurrierende Machtblöcke geteilt. Im Westen halten die USA und ihre Verbündeten die Fackel der Freiheit hoch, im Osten lauern in der Sowjetunion und China die Kommunisten-Teufel. Sie würden schrecklich gern die ganze Welt unterjochen, trauen sich aber nicht, da die USA ebenso atomar aufgerüstet sind wie sie. Jeder Konflikt würde unweigerlich in einem dritten und endgültigen Weltkrieg gipfeln.

Während man auf der Oberfläche notgedrungen friedlich bleibt, wird im Weltall mit härteren Bandagen gekämpft. Noch immer haben die Sowjets im Kosmos die Nase vorn. Sie waren früher auf dem Mond, wo sie inzwischen auf der Rückseite eine zweite Station errichtet haben (und garantiert an tückischen Eroberungsplänen feilen). Stalins und Maos Knechte gieren nach den Planeten Mars und Venus, auf denen deshalb unbedingt das Sternenbanner flattern muss!

Dies könnte an Bord eines neuartigen Raumschiffs geschehen, das die Kommunisten-Technik endlich in den Schatten stellt! Auf der Erde gebaut, muss es in Einzelteilen in den Erdorbit geschafft und dort montiert werden. Da die USA eine Weltraumstation besitzt, existiert dafür eine Basis. Nach und nach sollen Teile, Treibstoff und natürlich eine Mannschaft ausgebildeter Ingenieure und Mechaniker hinaufgeflogen werden.

Damit wurden Ben Gore und sein Kamerad Alex Jastro von der US Air Force beauftragt. Auf sie wartet ein heikler Job: Binnen eines Monats soll sich das Teilepuzzle in ein funktionstüchtiges Raumschiff verwandeln! Leider hat im All nicht das Militär das alleinige Sagen. Zivilisten pochen immer wieder auf ‚Rechte‘, statt sich konstruktiv unterzuordnen. Dabei ist der Tod ganz nah: Alle neunzig Minuten überqueren Station und Raumschiffbaustelle den Himmel über der Sowjetunion und China. Da die roten Schurken den Start verhindern wollen, nutzen sie dieses Fenster und schießen mit Raketen. Die Station kann auf ihrer Umlaufbahn nicht ausweichen. Immer neue Geschosse werden abgefeuert, und schließlich tauchen bewaffnete Rotarmisten persönlich und mit mörderischen Absichten auf ...

Kanonen statt Reagenzgläser

1959 und nicht zum ersten Mal hatte Jeff Sutton (1913-1979) seine Leser mit einer eigenen, zeitgenössisch keineswegs ungewöhnlichen Weltsicht konfrontiert. In „Bombs in Orbit“ (noch titelmartialischer die deutsche Übersetzung: „Männer - Bomben - Satelliten“) schilderte er eine US-amerikanisch zentrierte Weltraumfahrt, die sich ihren Weg hinauf zu den Sternen buchstäblich erkämpfen musste.

Nicht die Technik ist das Problem, sondern die Politik. Im eigenen Land stemmen sich Sparschweine, Feiglinge und skrupellose Karrieristen, die auf die Medienwirksamkeit des Widerstands gegen die Raumfahrt setzen, gegen die aus Suttons Sicht unbedingt notwendige Präsenz im Weltall. Statt Forschungsneugier treibt Sorge den Verfasser um: Sutton schreibt in einer frühen Hochzeit des Kalten Kriegs zwischen den Supermächten USA und UdSSR sowie ihren Verbündeten bzw. Gefolgsknechten. Seit auch die Sowjets über Atom- und Wasserstoffbomben verfügen und Raketen über Kontinente und Ozeane auf Fernziele richten können, beherrschen Angst und Misstrauen die Weltpolitik. Soll man sich arrangieren oder weiter aufrüsten, um den entmenschten Feind durch Furcht - die einzige Sprache, die er anscheinend versteht - in die Schranken zu weisen?

Sutton gehört eindeutig zu den „Falken“. Militärische Stärke ist - verbunden mit der Erst-Anwesenheit an neuralgischen Orten - aus seiner Sicht die Lösung. In „Sprungbrett ins Weltall“ haben die Sowjets nicht (wie realiter seit der Mondlandung 1969) die bemannte Weltraumfahrt aufgegeben, sondern sind weiterhin im All präsent. Auf dem Mond sitzen sie schon und treiben unkontrolliert gegen die (US-) Freiheit gerichtete Übeltaten. Venus und Mars sollen nicht in ihre Klauen fallen!

Oben behält man die Übersicht

Buchstäblich Dreh- und Angelpunkt einer US-amerikanischen Gegenwehr stellt wie in „Bombs in Orbit“ eine Raumstation dar. „Sprungbrett ins Weltall“ könnte man als inoffizielle Fortsetzung des dort gesponnenen Garns betrachten. Da die Station finanziell nur mit ziviler Unterstützung gestemmt wurde, darf man sie nicht mit Abwehrwaffen ausstatten. Selbstverständlich rächt sich das, wobei unsere Helden im All weiterhin mit einer auf den Rücken gebundenen Hand kämpfen müssen: Auf sicherem Erdboden werfen ihnen naive Gutmenschen und Politstreber Knüppel zwischen die Beine. Während Gore und seine Gefährten Gesundheit und Leben riskieren, um das Raumschiff zusammenzukleben, droht man sie einerseits abzuschießen und andererseits abzuziehen, um das (kostspielige) Projekt stillzulegen.

Weil dies den Sieg der realsozialistischen Höllenbrut bedeuten würde, üben sich Gore & Co. in einfallsreichem Widerstand. Sie arbeiten rund um die Uhr und sind stets bereit, ihr Leben für Volk und Vaterland zu riskieren. Notfalls werfen sie sich buchstäblich zwischen Raumschiff und heranrasende Feind-Raketen, um das Projekt zu schützen; so sehen für Sutton wahre Helden aus!

Am Boden werden sie von Nägel fressenden und Stahlspäne spuckenden Vorgesetzten (Colonel Bruckman, General Bryant) hart, aber herzlos unterstützt. Vor Ort im Orbit sorgen wiederum (kluge, aber) wirrköpfige Zivilisten, die sich einfach nicht ins Kollektiv der Freiheitsverteidiger einreihen wollen, sondern Mitsprache, Rückendeckung u. a. Nutzlosigkeiten fordern, die den Großen Plan behindern, für eigentlich unnötigen Stress. Sie sind immerhin arbeitswillig (und opferbereit), aber disziplinarm und oft nicht wirklich weltraumtauglich; ihr Anführer verliert irgendwann sogar den Verstand. So stellen sie das Pendant zum sprichwörtlichen Sack Flöhe dar, die der ohnehin überforderte Gore hüten muss.

Konzentriert euch auf das Wesentliche/den Feind!

Ben Gore ist ein ‚stiller‘ Held, der deshalb Folgsamkeit und Bewunderung verdient. Gern würde er zum Mond oder zu den Planeten fliegen, fügt sich aber in eine Pflicht, die ihn in den nahen Erdorbit zwingt. Gore ist ernst, natürlich ein Pfundskerl sowie Patriot. Für ein wenig Menschlichkeit in Form fauler Witze und stetiger Sehnsucht nach willigen „Mädchen“ sorgt Kamerad und Kumpel Alex Jastro, der ansonsten ebenso bereit ist, sein Leben im Kampf gegen die rote Pest zu riskieren.

Die bleibt ausnahmslos ohne Gesicht. Vom roten Erdboden schießt man immer neue Raketen auf die US-Station, die aufgrund ihrer fixen Umlaufbahn und Geschwindigkeit einer in den Himmel geklebten Tontaube gleicht. Glücklicherweise weiß ein Mann wie Gore, wie man improvisiert: Was auf der Erde gegen feindliche Panzer schützt, kann auch auf Raketen abgefeuert werden! Weitere Do-It-Yourself-Maßnahmen halten den übermächtigen Feind auf Abstand, obwohl Verluste und Sachschäden nicht zu verhindern sind. Notfalls wird der Raumanzug zur letzten Bastion, und den anrückenden Feind kann man mit einem selbstmörderischen Rammstoß ausschalten!

Schon in „Männer - Bomben - Satelliten“ hatte Sutton ein Gefecht in der Schwerelosigkeit beschrieben. Wo es kein Oben und Unten gibt, muss man dreidimensional denken (und schießen). Die tückischen, zudem bewaffneten Killer-Kosmonauten sind dem Willen ihrer aufrechten Kontrahenten nicht gewachsen. Auch das nach Frieden greinende Geiz-Pack im Kapitol wird letztlich beschämt und ausgehebelt. Bald wird es zu Venus oder Mars gehen. Dann darf Ben Gore seine Belohnung auskosten und in das gerettete Raumschiff steigen. So siegt ein Held, der nicht Ruhm anstrebt, sondern das Notwendige leistet!

Fazit:

Einmal mehr beschreibt der Autor, dass und wie man den zum Zeitpunkt der Niederschrift hinter den Pforten der Hölle (bzw. dem Eisernen Vorhang) tückenden Kommunisten den Weg ins All versperren kann. Heldenmut und Opferbereitschaft runden die dafür an den Tag gelegte Entschlossenheit ab: ein gut geschriebenes, aber militärpropagandistisch mächtig aufgeladenes Weltraumabenteuer.

Sprungbrett ins Weltall

Jeff Sutton, Ullstein

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