Mephisto und die drei Wunder
- Edition Dornbrunnen
- Erschienen: Oktober 2024
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Wenn es das will, holt es dich ein
16 Geschichten erzählen von rätselhaften Ereignissen, die meist ebenso unerklärlich wie tragisch ausgehen:
- Lars Dangel: Vorwort, S. 7-9
- Die Uhr des Marquis Saint-Remy (1928), S. 11-38: Eine Frau zwischen zwei Männern - und ein ‚Talisman‘, der alles andere als ein Glücksbringer ist.
- Folterung in Wu-Hu (1928), S. 39-45: Er empfindet den Schmerz anderer Menschen - oder ist er nur verrückt?
- Schofar-Ruf im Kisil-kum (1928), S. 46-51: Obwohl man es nicht hören dürfte, bringt der Klang des Widderhorns den in der Wüste Gestrandeten die Rettung.
- Der Reiter auf der Düne (1928), S. 52-56: Wer ihn dort oben stehen sieht, wird den Tag nicht überleben.
- Der Zauberbaum (1928), S. 57-65: Uralte Magie bedeutet die Rettung, doch dafür ist ein Preis zu zahlen.
- Die Gespenster des Illampu (1928), S. 66-69: Wer auf dem Gipfel dieses Berges lauert, bleibt buchstäblich unsichtbar, schießt aber mit Giftpfeilen.
- Der Becher des Cocijopi (1931), S. 70-74: Was die Archäologen fanden, holt sich der erboste Eigentümer zurück.
- Mephisto und die drei Wunder (1928), S. 75-80: Schon dreimal hat ihn das Phantom gerettet, was es aber nicht weniger unheimlich macht.
- Tyc (1929), S. 81-87: Ein Fachmann ist nötig, um den Fall einer Hirnmanipulation zu klären und zu beenden.
- Segen des Cherub (1929), S. 88-102: Der uralte Fluch, der über dem zerstörten Karthago liegt, ist bis in die Gegenwart wirksam.
- Der Kopf von San (1929), S. 103-106: Unheimliche Ereignisse deuten an, dass dieser Steinkopf tatsächlich den biblischen Moses abbildet.
- Wunder und Geschäft (1930), S. 107-114: Weil finanzieller Gewinn in Gefahr gerät, bleibt dieser Fluch weiterhin aktiv.
- Die Seelenschmetterlinge (1930), S. 115-121: Sie müssen unbedingt geschützt werden, selbst wenn dadurch das eigene Leben in Gefahr gerät.
- Die Rauchwurstplantage (1930), S. 122-128: Der Genuss einer wohl zu lange gelagerten Wurst beschert dem Geschäftsmann einen ganz besonderen Albtraum.
- Die Höhle Laut (1931), S. 129-135: Ein Kapitel aus dem Alten Testament erfährt in der Gegenwart eine unerwartete Aufklärung.
- Exklusiver Bonus: Duell an Bord (1929), S. 136-140: Immer wieder muss er sich selbst gegenübertreten - und sich schließlich zum Kampf stellen.
- Bibliographische Angaben, S. 141/42
Tausend Geschichten, aber kein Gesicht
Zum zweiten Mal präsentiert Herausgeber Lars Dangel Geschichten von Leo am Bruhl, einem Schriftsteller der seit Jahrzehnten vom literarischen Radar verschwunden ist. Dabei belegen seine Werke eine deutsche Populär-Phantastik, die auch deshalb in Vergessenheit geriet, weil zwölf Jahre Nazi-Terror auch der Unterhaltungskultur ein Ende machten. Am Bruhl stand dabei offenbar in der ersten Reihe. Obwohl es kaum biografische Angaben über ihn gibt, geht nicht nur Dangel davon aus, dass er Jude gewesen ist. So ließe sich das abrupte Verstummen eines Verfassers erklären, der bis zur „Machtübernahme“ 1933 zahlreiche Publikationen mit abenteuerlichen Geschichten versorgte.
Dass es schwierig ist, am Bruhls Spur wieder aufzunehmen, liegt auch daran, dass er wohl ausschließlich in Zeitschriften und Zeitungen bzw. deren Beilagen veröffentlichte. Diese wurden gelesen und anschließend entsorgt. Will man am Bruhls Werk fassen, muss man sich durch selten und oft unvollständig erhaltene Publikationsreihen wühlen. Dann allerdings stößt man so oft auf weitere Geschichten des Verfassers, dass Herausgeber Dangel vorsichtshalber nächste Sammlungen ankündigt.
In dieser Sammlung finden sich fünf Erzählungen, die speziell für ein jüdisches Publikum geschrieben wurden („Schofar-Ruf im Kisil-kum“, „Der Zauberbaum“, „Der Kopf von San“, „Segen des Cherub“, „Die Höhle Laut“). Sie greifen vor allem religiöse Themen und Motive auf, wobei am Bruhl offensichtliche Kenntnisse beweist, und wurden im „Israelitischen Familienblatt“ abgedruckt, einer zwischen 1898 und 1938 deutschlandweit erscheinenden Zeitschrift, die kostenlos an jüdische Gemeinden verteilt und von Zeit zu Zeit durch eine „Illustrierte Beilage“ ergänzt wurde.
Es geschieht auch ohne Erklärung
Leo am Bruhl kann auch heute (meist) noch überzeugen, weil seine Geschichten ‚frisch‘ wirken. Zwar gab er sich stilistisch oft große Mühe und glich sich mit jenen Epochen ab, in die er seine Garne versetzte, übertrieb es damit jedoch nicht. Seine Stimmungsbilder mögen demgegenüber heute veraltet bzw. sentimental oder gar schwülstig wirken (vgl. besonders „Die Uhr des Marquis Saint-Remy“). Doch dies wird durch die Qualität des Plots in der Regel ausgeglichen.
‚Einfache‘ Phantastik beherrscht am Bruhl meisterhaft. „Die Gespenster des Illampu“, „Der Becher des Cocijopi“ und „Duell an Bord“ sind geradlinig erzählte Spuk- und Rätselgeschichten, die dem Zahn der Zeit gerade deshalb besonders gut widerstanden und sich problemlos mit dem messen können, was zeitgleich im angelsächsischen Ausland und vor allem in England, dem Zentrum umtriebiger Geister, entstand. In diesen Storys riskiert es am Bruhl, seinen Lesern eine umfassende Aufklärung der rätselhaften Ereignisse vorzuenthalten. Was tatsächlich geschieht, muss und soll man sich selbst zusammenreimen; so hielt er es gern.
Am Bruhl schätzt aber auch das Geschehen auf mehreren Verständnisebenen. Schon „Die Uhr des Marquis Saint-Remy“ ist mehr als eine ‚normale‘ Spukgeschichte. Besagte Uhr treibt nur einen Konflikt, der ohnehin in Form einer fatalen Dreiecksbeziehung zwischen zwei besten Freunden und einer von beiden geliebten Frau schwelt, verhängnisvoll auf die Spitze. „Der Reiter auf der Düne“ ist ein böses Omen, das der „aufgeklärte“ Erzähler leugnet bzw. ‚logisch‘ deutet. Das Schicksal trifft ihn trotzdem, wie überhaupt Naturwissenschaft und Technik keinesfalls das Seltsame oder Böse aus der Welt vertreiben konnten, wie am Bruhl vor allem (aber nicht nur) in „Segen des Cherub“ verdeutlicht.
Nirgendwo bist du in Sicherheit
Selbstverständlich bedient sich am Bruhl auch der Quelle des absoluten Schreckens: Wenn das eigene Hirn zu versagen beginnt und dem Betroffenen die Realität vorenthält, um ihm stattdessen Ereignisse und Emotionen vorzugaukeln, ist der Untergang nahe („Folterung in Wu-Hu“, „Die Höhle Laut“). Allerdings können auch böse, quasi magisch oder wenigstens medizinisch bewanderte Bösewichte hinter solchem Wahnsinn stecken. Findet sich dann ein Spezialist, kann der fremde Zwang gebrochen werden („Tyc“).
Generell ist der Kontakt mit dem Übernatürlichen riskant, selbst wenn sich dieses (scheinbar) freundlich und hilfreich zeigt. („Mephisto und die drei Wunder“). Nur ausnahmsweise ist das Jenseits ausschließlich gnädig („Schofar-Ruf im Kisil-kum“). Normalerweise muss ein hoher Preis für solche Gunst bezahlt werden („Der Zauberbaum“, „Die Seelenschmetterlinge“), der den Seelenfrieden oder gar das Leben selbst einschließt.
Weniger gut gehalten haben sich jene Storys, die auf einen finalen ‚Knalleffekt‘ hinauslaufen oder sich in einer Humoreske erschöpfen. „Die Rauchwurstplantage“ bietet zwar zahlreiche groteske Momente, doch das an- und abschließende Erwachen aus einem Traum ist ein schon damals (zu) abgegriffener Effekt. Deutlich besser, weil sachlich-zynisch im Ton, funktioniert der Humor in „Wunder und Geschäft“, auch wenn abermals ein Klischee - hier die aus Gier geborene Bereitschaft, das Übernatürliche zu akzeptieren, weil sonst finanzieller Gewinn geschmälert wird - bedient wird.
Fazit:
Der zweite Band einer kleinen, aber feinen Sammlung phantastischer Geschichten des Schriftstellers Leo am Bruhl beinhaltet 16 weitere Belege eines lange in Vergessenheit geratenen Gesamtwerks: Hier schreibt ein Vollblut-Erzähler, dessen Storys ungeachtet ihres Alters mehrheitlich erstaunlich gut unterhalten und Vorfreude auf den dritten Band wecken.

Leo am Bruhl, Edition Dornbrunnen
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