Vampirdetektiv Jack Fleming

  • Festa
  • Erschienen: Januar 2002
  • 1
Vampirdetektiv Jack Fleming
Vampirdetektiv Jack Fleming
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Michael Drewniok
80°1001

Phantastik-Couch Rezension vonSep 2006

Vampir als Detektiv in eigener Mordsache

Obwohl in diesem Jahr 1936 der große Al Capone hinter Gittern sitzt, ist Chicago weiterhin eine Stadt fest im Griff des organisierten Verbrechens. Die Frank Paco-Bande treibt ihr besonderes Unwesen. Für die Presse ein gefundenes Fressen, das dem Reporter Jack Fleming aus seiner derzeitigen Verlegenheit helfen könnte. In New York hat ihn die Wirtschaftskrise der Arbeit beraubt. Daher versucht er in Chicago einen Neuanfang. Ein echter Knüller würde ihm den Weg ebnen.

Tatsächlich kommt er Paco auf die Schliche und entdeckt sogar eine Liste hochrangiger Persönlichkeiten aus Politik und Justiz, die von den Gangstern geschmiert werden. Dann verlässt Fleming das Glück, er wird von Pacos Schergen gefasst und grausam gefoltert. Als er sich weigert, die Liste herauszugeben, bringt man ihn um.

Doch Fleming hütet ein Geheimnis: Vor Jahren hat er eine Vampirfrau kennen gelernt. Das mit ihr getauschte Blut beschert ihm nun eine Wiederaufstehung. Fleming erwacht am Ufer des Michigan-Sees ohne Gedächtnis an seinen Tod, aber mit mächtigem Blutdurst. Die neue Existenz stellt ihn vor große Anfangsschwierigkeiten, die jedoch mit beachtlichen neuen Fähigkeiten und übermenschlichen Kräften einher gehen.

Fleming beschließt seinen eigenen Mord aufzuklären. Unverhofft bekommt er Schützenhilfe: Der exzentrische Privatermittler und ehemalige Schauspieler Charles Escott, der ebenfalls gegen die Paco-Bande kämpft, schließt sich ihm an. Aus dem Hintergrund hilft der schwarze Nachtclub-Besitzer ";Shoe” Coldfield. Gemeinsam wollen Vampir und Mensch das Hauptquartier von Frank Paco ausheben. Freilich bleibt ihnen fast zu lang verborgen, dass die eigentliche Lebensgefahr nicht von diesem Gangster ausgeht…

Nicht wirklich gut aber originell

Mit einer Mischung aus (historischem) Krimi und Horror, dargeboten im Gewand der zeitgenössischen ";Pulp”-Magazine, versucht Patricia N. Elrod erfolgreich den Start einer neuen Reihe. Eigentlich geschah dies bereits 1990, aber erst jetzt haben die ";Vampire Files” ihren Weg über den Großen Teich in dieses unser Land gefunden.

Endlich, denn hier findet der Freund des Phantastischen lesenswerte Unterhaltung. Elrods Rechnung geht auf: In der stimmungsvollen Kulisse des Jahres 1936 spielt sich eine turbulente und spannungsreiche Handlung ab.

Dabei füllt die Autorin im Grunde nur alten Wein in neue Schläuche. Der Mann ohne Gedächtnis, der von denen gejagt wird, die ihn fürchten, und nun gleichzeitig versuchen muss zu flüchten und sich zu erinnern, ist ein uraltes Klischee, das freilich noch immer seinen Zweck erfüllt. Hier ersetzt es weitgehend den Plot, denn seien wir ehrlich: Eine verschwundene und wieder auftauchende Liste ist ein bisschen wenig Anlass für das blutige Geschehen. Eigentlich geht es – auch das wieder ganz klassisch – um Gerechtigkeit und Rache, wobei die Grenzen nach US-Ansicht wie immer fließend sind.

Auch Chicago als Gangsterstadt ist uns aus Literatur und Film längst bekannt. Sie muss für Elrods Zwecke daher nicht bis ins Detail rekonstruiert werden oder gar mit der historischen Realität übereinstimmen, wie z. B. Max Allan Collins es mit seiner Nathan Heller-Reihe versucht hat.

Vampirdetektiv zu werden ist recht schwer…

";Vampirdetektiv Jack Fleming” – der deutsche Titel ist ausgesprochen dämlich und lässt das Werk wie einen billigen Heftroman wirken – profitiert von seinem sympathischen Helden, der – so gehört es sich – eigentlich gar keiner ist, sondern ein ganz normaler Mann, der in der Krise über sich hinauswächst und das Böse in seine Schranken weist.

Mindestens ebenso interessant wie Jacks Auseinandersetzungen mit diversen Gangstern sind seine ";Lehr- und Wanderjahre” als Vampir. Zwar ist er theoretisch mit den Bedürfnissen und Fähigkeiten dieser Spezies vertraut (";Dracula”, der berühmte Film mit Bela Lugosi, wurde 1930 uraufgeführt, und Jack hat ihn gesehen), aber die Realität sieht doch anders aus.

Geschickt modifiziert Elrod den Vampir-Mythos, um ihn für ihre Geschichte tauglicher zu machen. Als ";guter” Blutsauger darf Jack Fleming natürlich keine Menschen überfallen, sondern begnügt sich mit Ochsenblut. Schwierigkeiten erwachsen ihm aus der Notwendigkeit, sich für den Tag eine lichtdichte Bleibe zu verschaffen. In einer Großstadt sollte das kein Sarg sein. Aus Gründen der Unauffälligkeit entscheidet sich Jack für einen Schrankkoffer.

Mit trockenem Humor werden diese und viele andere Besonder- und Misslichkeiten eines modernen Vampirlebens geschildert. Notgedrungen müssen die übrigen Figuren demgegenüber abfallen. Charles Escott vertritt die ";menschliche” Komponente, die Fleming freundlicher wirken lässt. Bobbie Smythe existiert hauptsächlich deshalb, weil ein Nosferatu nur ein halber Vampir ist, wenn er seinen Liebeszauber nicht einsetzen kann.

Elrods Gangster sind tumb und hässlich; man wundert sich, wie sie eine ganze Stadt unter ihre Knute zwingen konnten. Übertrieben politisch korrekt ist der schwarze Engel Coldfield, der sich offenbar nur deshalb einen Nachtclub leitet, um mit dem Erlös guten Freunden und armen Straßenkindern zu helfen.

Miss Elrod denkt an die Zukunft

P. N. Elrod hat Plot und Figuren nicht grundlos recht einfach gezeichnet: Was recht vage bleibt, bietet Möglichkeiten für eine zukünftige Ausgestaltung. Wer eine Serie plant, darf sich nicht zu früh festlegen; Jacks Story braucht ihre Lücken und Sprünge, die in den nächsten Bänden gefüllt werden – so jedenfalls die Hoffnung der Leserschaft, die zu genau diesen greifen sollen. Für Elrod ging die Rechnung auf. Jack Flemings Abenteuer liegen inzwischen in zweistelliger Zahl vor und liefern der Verfasserin bis heute und wohl noch zukünftig, was sie statt Blut zum Leben benötigt!

Vampirdetektiv Jack Fleming

P. N. Elrod, Festa

Vampirdetektiv Jack Fleming

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