Tanz der Toten

  • Bastei-Lübbe
  • Erschienen: Januar 2007
  • 5
Tanz der Toten
Tanz der Toten
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Carsten Kuhr
80°1001

Phantastik-Couch Rezension vonNov 2006

Die Scharfrichterin wird selber zur Gejagten

Anita Blake, gemeinhin unter der medienträchtigen Bezeichnung »Scharfrichter« bekannt, ist es gewohnt in brenzligen Situationen zu sein. Das Erwecken von Toten, die Bekämpfung von Zombies und das Pfählen von Vampiren beherrscht sie mit links, und auch, dass zwei Monster, der Vampirmeister der Stadt und der Anführer der Werwölfe um ihre Gunst buhlen, bringt sie kaum aus der Ruhe. Dann aber setzt ein Unbekannter ein Preisgeld von einer halben Millionen Doller auf ihren Kopf aus, wenn sie innerhalb von 48 Stunden getötet wird - und das bringt sie dann so richtig ins Schwitzen. Die ersten beiden Anschläge kann sie noch abwehren, dann zieht sie sich in den »Zirkus der Verdammten«, der Heimstatt der Vampire St. Louis´ zurück. Unter dem Schutz der Untoten sollte eigentlich kein Killer Zutritt haben, sollte sie vor Attentaten sicher sein. Dann aber zeigt sich, dass alle Vorsicht nichts nützt, wenn der Killer unter den eigenen Vertrauten lauert ...

Vampire ohne Ende - ist nicht alles schon geschrieben?

Kann man dem ausgereizten Vampir-Thema überhaupt noch neue Seiten abgewinnen, so fragte ich mich, als ich das erste Mal die Bekanntschaft von Anita Blake machte? Ist nicht alles, auf die eine oder andere Art schon ge- und beschrieben worden? Sicherlich wurden schon viele, inhaltlich sehr unterschiedliche Werke verfasst, aber die gebotenen Variationen waren meist überschaubar und nur in Nuancen unterschiedlich.

Hamilton berichtet uns über eine Welt, in der die Vampire, aber auch Werwesen und Zombies in das alltägliche Leben - soweit möglich - integriert wurden. Anita Blake ist eine ungewöhnliche Heldin, die ganz in dieser Welt aufgeht. In einem Genre, das durch männliche Hauptpersonen geprägt ist, dringt sie als Angehörige des Spuk-Kommandos der Polizei und als frei schaffender Animator, der Tote als Zombies gegen Bares wiedererweckt in eine sonst von Männern dominierte Sphäre ein. Und sie macht ihre Sache wirklich gut. Voller Drive und Gewalt, mit unterschwellig ständig mitschwingenden sexuellen Anspielungen präsentiert uns die Autorin eine Mischung von Hard-Detective Novel und Vampir-Roman. Ihre Vampire haben ähnlich wie die Wesen aus den Romanen von Anne Rice ihren eigenen Verhaltens-Kodex, sind dunkle Gestalten aus allen gesellschaftlichen Schichten und verhalten sich auch so. Hier gibt es Mitläufer und Sadisten ebenso wie scheinbar edle, höfliche Wesen, die ihren ehrbaren Geschäften nachgehen. In einem Amerika, in dem der oberste Gerichtshof den Untoten die Bürgerrechte zuerkennt hat, leben sie ihr Nichtleben im Rahmen der Gesetze - zumindest nach aussen hin.

Unterschwellig aber ist die Auseinandersetzung zwischen den Lebenden und Toten immer spürbar. Und dies zeigt sich auch im etwas unsteten, ständig auf der Überholspur befindlichen Wesen unserer Protagonistin. Voller Hass und Leidenschaft gibt sich Anita ihrer selbstgewählten Aufgabe hin. Dabei ist es letztlich einerlei, dass die geschilderten Gefahren angesichts der übermächtigen Gegner unserer Scharfrichterin letztlich ein wenig unglaubwürdig wirken. Die rasante Action übertüncht die in den ersten Bänden nicht unbedingt nachvollziehbare Gestaltung der Persönlichkeit Anitas, reisst den Leser förmlich mit sich fort.

Laurell K. Hamilton hat mit ihren Romanen um die Vampirpfählerin Anita Blake denn auch ein ganzes Subgenre geschaffen. In ihrer Nachfolge tummeln sich die Serien um Rachel Morgan, Sookie Stackhouse und Harry Dresden. Jeder der Autoren beschreibt eine Welt, die der unsrigen weitestgehend gleicht, nur dass die übernatürlichen Wesen ihr Coming Out hatten. Die Frage: was wäre, wenn Vampire, Werwesen und Zombies unter uns leben würden, wie die Gesellschaft auf diese neuen, aber machtvollen Minderheiten regieren würde, macht den grossen Reiz der Titel aus. Eines der Dinge, die die Anita Blake-Romane denn auch besonders auszeichnen, ist, dass es der Autorin gelingt, uns ihre phantastische Welt, mit einer Gesellschaft, in der das Übernatürliche Bestandteil der Gesellschaft und des Lebens ist, als glaubwürdige Grundlage zu präsentieren.

Die Queen unter den Autoren der Vampir-Slayer

Uns erschliesst sich eine Welt, in der die Diskriminierung von Gestaltwandlern gesetzlich verboten ist, nichtsdestotrotz aber ebenso alltäglich ist, wie die Verunglimpfung von Vampiren als grundsätzlich Verdächtigte für jedes Verbrechen. Dabei verwöhnt Hamilton mit markanten Charakteren gerade der übernatürlichen Wesen und Beziehungsgeflechten, die mich faszinieren.

Vorliegend widmet sie sich neben jeder Menge Gewalt, Blut und Mysterien erneut dem Zwischenmenschlichen, besser Zwischenvampirischen unserer toughen Heldin. Die morbide Anziehungskraft, die von Jean-Claude ausgeht, die Faszination des Unbekannten, des Rätselhaften gerade auch wegen der damit verbundenen Risiken und des Gefühls, eigentlich etwas Verbotenes zu tun, werden unterschwellig sehr schön herausgearbeitet. Anita ist, das kann man mit Fug und Recht behaupten, ungewöhnlich, ja psychopathisch. Im Verlauf der bisherigen fünf Romane entwickelte Anita sich von einer zwar selbstbewussten, gerade im zwischenmenschlichen Bereich jedoch zutiefst verunsicherten jungen Frau zu einer ohne Reue mordenden Totenbeschwörerin.

Gerade im vorliegenden Roman wird diese Entwicklung nochmals entscheidend vorangetrieben und deutlich gemacht. Auf der einen Seite die toughe Kämpferin, die zwischenzeitlich ohne jegliche Gewissensbisse ihre Gegner ausschaltet, die ihre Menschlichkeit, nicht aber ihr Mitgefühl für Freunde verloren hat, auf der anderen Seite eine Frau hin- und hergerissen zwischen zwei faszinierenden Männern. Jeder reizt sie auf seine Weise. Der Eine eben weil er verletzlich ist, weil er sich weigert, das Tier in sich selbst willkommen zu heissen, ohne Gewissensbisse zu Töten, der seine Moral der zivilisatorischen Werte höher stellt als persönliches Machtstreben. Auf der anderen ein Vampirmeister, der täglich über Leichen geht, der nach dem Motto existiert - nur ein Toter Gegner ist ein guter Feind - und dessen Sichtweise sie immer mehr verinnerlicht. Dieser innere Zwiespalt, die Entwicklung die Anita durchläuft beeinflusst vorliegenden Roman markant.

Während in den ersten Bänden meist eine Detektivhandlung, eine Mission thematisiert wurde, geht es diesmal nur darum am Leben zu bleiben. Daneben aber nehmen Beschreibungen von Gefühlen und Äusserlichkeiten immer breiteren Raum ein. Das erinnert mich ein wenig an die Vampir-Chroniken aus der Feder von Anne Rice. Mit zunehmender Dauer wandte diese ihr Interesse von der reinen Handlung ab und der Beschreibung von Kunstgegenständen und Gefühlen zu. Noch steht bei Hamilton deutlich der durchgängige Spannungsbogen im Zentrum der Aufmerksamkeit, doch was als Actionknaller begann, das nimmt nun doch deutlich romantisch angehauchte Züge an. Zunächst aber präsentiert sich ein abwechslungsreicher, spannender Action- und Entwicklungsroman, die eingeschobenen gefühlvoll beschriebenen Liebes-Szenen bieten Zeit zum Atemschöpfen, und verleihen der Handlung durch die behutsame Schilderung des Liebesspiels eine zusätzliche Würze. Auch für dieses Buch gilt wieder, dass es nichts für Leser mit schwachen Nerven ist. Wenn Stephen King oder Matt Reilly einen »Hannibal Lecter«-Roman verfasst hätten, es könnte kaum blutiger und spannender zugehen. Und damit beweist Hamilton erneut, dass sie - noch - die Queen unter den Autoren der Vampir-Slayer ist.

Tanz der Toten

Laurell K. Hamilton, Bastei-Lübbe

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