Der einsame Roboter

  • Goldmann
  • Erschienen: Januar 1964
  • 3
Der einsame Roboter
Der einsame Roboter
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Michael Drewniok
80°1001

Phantastik-Couch Rezension vonAug 2019

Das Universum als Ort (manchmal bitterer) Wunder

Sechs Storys von Clifford D. Simak:

- Der einsame Roboter (All the Traps of Earth, 1960), S. 5-48: Als Roboter Richard Daniel neu programmiert und dadurch seiner Erinnerungen beraubt werden soll, flieht er von der Erde ins Weltall, wo er nach einer Reise durch den Hyperraum erstaunliche Fähigkeiten an sich feststellt.

- Der Doppelgänger (Good Night, Mr. James, 1951), S. 49-68: In dieser Zukunft können lebensgefährliche Aufgaben Klon-Doppelgängern übertragen werden, die anschließend sterben müssen - ein Ende, das Mr. James II. unbedingt vermeiden will.

- Der Sorgenbrecher (Crying Jag, 1960), S. 69-93: Die US-Kleinstadt Milville wird von einem Außerirdischen besucht, der sich an den Klagen der Menschen buchstäblich berauscht - eine Tatsache, die Dorf-Saufbold Sam zu seinen finanziellen Gunsten auszunutzen gedenkt.

- Der verschuldete Planet (Condition of Employment, 1960), S. 94-148: Vor Jahren hatte die mächtige Erd-Gesellschaft den Bewohnern des Planeten Garson IV lohnende Geschäfte versprochen. Als den Verträgen nun endlich Taten folgen sollen, stellt sich heraus, dass jemand schneller, schlauer und skrupelloser als die Erdlinge war.

- Der letzte Raumflug (Installment Plan, 1959), S. 149-160: Dem (angeblich) letzten Flug des heimwehkranken Raumfahrers liegt ein überlebenswichtiger Betrug zu Grunde.

- Projekt Mastodon (Project Mastodon, 1955), S. 161-195: Die Gründung eines neuen Staates 150000 Jahre in der Vergangenheit bringt drei Abenteurer in gänzlich unerwartete Schwierigkeiten.

In der Ruhe liegt die Kraft

Wer zu einem SF-Roman oder - wie in unserem Fall - zu einer Sammlung von SF-Kurzgeschichten des Autors Clifford D. Simak greift, sollte sich darüber im Klaren sein, dass über diese Buch- (bzw. E-Book) Seiten keine Sternenkriege toben werden. Simak hat auch dieses Genre bedient, schloss aber spätestens nach dem Zweiten Weltkrieg damit ab. Fortan klammerte er den (bewaffneten) Konflikt keineswegs aus, wenn er mögliche Zukünfte beschrieb („Der verschuldete Planet“), machte sich aber primär Gedanken darüber, wie man Gewalt vermeiden konnte.

Gleichzeitig verabschiedete sich Simak vom allzeit bereiten, stets einfallsstarken Helden, der im Alleingang löste, woran der Mensch in der Realität unweigerlich scheitern würde. Simak ersetzte ihn durch „Mr. Jedermann“, der unvorbereitet, aber keineswegs dumm in eine ungewöhnliche, sogar krisenhafte Lage gerät, die sich in der Regel durch Nachdenken und Toleranz meistern lässt. Die ‚Gefahr‘ - wenn sie denn besteht und sich nicht als Missverständnis entpuppt - ist stets geringer als die Faszination, die das Fremde und Unbekannte, aber eben nicht automatisch Feindliche ausübt („Der Sorgenbrecher“).

In „Der einsame Roboter“ präsentiert uns Simak sechs Storys, die dieses Konzept mit einem Leben erfüllen, dem der Verfasser das nicht zwangsläufig positive Kritiker-Prädikat „pastoral“ verdankt. Simak spielt durchaus mit Zeit und Raum, beschränkt sich dabei jedoch auf eine Nische, die seine Figuren mit ihm teilen. Dabei schreckt der Autor nicht vor Gefühlen zurück, die gern übertrieben, ins Lächerliche gezogen oder missbraucht werden. So ist „Heimat“ für die typische Simak-Hauptfigur ein Ort, für den es lohnt, das Leben zu riskieren („Der letzte Raumflug“), oder eine Vision, für die ein Roboter (!) den Kosmos durchquert („Der einsame Roboter“). Als Richard Daniel dies gelingt, ist diese Heimat das Ebenbild jener (US-) ländlichen Idylle, die für innere Ruhe, Mitmenschlichkeit und eine ‚Erdung‘ steht, bei Simak aber nicht zwangsläufig auf der Erde verortet ist.

Was ist der/ein Mensch?

Immer wieder bevölkert Simak seine Zukunftswelten mit ‚Robotern‘; eine Bezeichnung, die in Anführungsstriche gesetzt werden muss, da sich diese Roboter keineswegs auf ihre Funktion als Maschinenhelfer des Menschen beschränken. Richard Daniel hat nicht nur einen Namen, sondern ein Bewusstsein, das er bewahren will - und einen freien Willen. Simak-typisch denkt er keinen Augenblick über gewaltsamen Widerstand nach, sondern sucht nach der schon genannten Nische. In „Der verschuldete Planet“ ist ein Mensch nur nominelles Oberhaupt einer planetaren Expedition, die ansonsten aus Robotern besteht. Diese meckern, reißen faule Witze, lieben Glücksspiele und versuchen sich als Schauspieler. Für Simak ist dies eine Selbstverständlichkeit, die sich den Lesern problemfrei mitteilt, obwohl sie um die Absurdität einer solchen Vorstellung wissen.

Mit „Der Doppelgänger“ geht Simak das Problem von einer anderen Seite an. In der Science Fiction wimmelt es von Klonen und Kopien, die sich mit ihrer ‚geliehenen‘ Existenz auseinandersetzen sowie nicht selten erkennen müssen, dass man sie, die ebenfalls Menschen mit Lebensplänen und -träumen sind, aus dem Weg schaffen will. Simak beginnt seine Story mit der Jagd auf ein bösartiges Alien. Was man zunächst als gut geschilderte, aber überflüssige Zusatzhandlung betrachtet, wird zum Auslöser der Erkenntnis: Der Klon erkennt die Wahrheit. Nunmehr spielt er die Möglichkeiten durch, die ihm bleiben. Dass Simak dieses Geschehen durch eine finale Überraschung konterkariert, ist wohl eher der Erwartungshaltung eines zeitgenössischen Publikums geschuldet, das in seiner Mehrheit den ‚Bösewicht‘ abschließend gerichtet sehen wollte.

Typisch für Simak ist die Beiläufigkeit, mit der sich Mensch und Außerirdischer begegnen. In den 1950er Jahren wurde den US-Bürgern eingebläut, den Himmel (besonders in Ostrichtung) im Auge zu behalten. Man wähnte sich von Feinden umgeben, weshalb Abweichungen von der Norm als Warnzeichen galten, denen misstrauische Beobachtung und Freiheitsberaubung folgen konnten. Simaks ETs sind nicht immer („Der verschuldete Planet“), aber überdurchschnittlich oft harmlos. Sie können sich problemlos mit einem Taugenichts zusammentun, um die Erde nicht zu erobern, sondern dort eigenen Süchten zu frönen („Der Sorgenbrecher“).

Die Tücke des Objekts

Wenn sich Grandioses anzubahnen scheint, wird es in der Regel durch banale Profanitäten seines Glanzes - oder besser: seiner pompösen Hohlheit - beraubt. Die Zeitreise wird nicht zum Startpunkt galaktischer Abenteuer, sondern löst eine Kette jener unerwarteten und absurden Ereignisse aus, die typisch für die Realität sind: Nichts funktioniert auf Anhieb, Rückschläge sind garantiert, wobei Simak es in „Projekt Mastodon“ auf die Spitze treibt. Der Scherzfaktor mag in unserer schnellen, zynischen Gegenwart angestaubt sein, aber es bleibt eine Story, die sich dem Phänomen Zeitreise auf unkonventionelle Weise widmet. (Auf die Idee einer ‚kommerziellen‘ Nutzung der Vergangenheit kam Simak übrigens 1979 in seinem Roman „Mastodonia“ zurück.)

Heute könnte Simak mit seinen Storys nur ein übersichtliches Publikum finden oder gar begeistern. Zu drastisch ist die Zeit über sie hinweggegangen. ‚Menschlichkeit‘ wird nicht grundsätzlich anders definiert, doch sie muss anders ausgedrückt werden, um nicht der Lächerlichkeit anheimzufallen. Simak genießt Nostalgie-Schutz. Dies ermöglicht es, die Prise bitterer Wahrheit, die er seinen Werken beimischt, doch zu erkennen. Simak mag altmodisch sein, aber ein rührseliger Narr ist er nicht!

Wie so oft musste die US-Originalausgabe dieser Sammlung hierzulande Federn lassen. Zwar wurde die übliche Seitennormierung leicht überschritten, um zumindest sechs Erzählungen vollständig eingedeutscht zu präsentieren. Nichtsdestotrotz ‚mussten‘ drei Storys unter den Tisch fallen: „Drop Dead” (1956), „No Life of Their Own” (1959) und „The Sitters” (1958).

Fazit:

In sechs Kurzgeschichten entwickelt der Verfasser originelle Ideen zu faszinierenden Gedankenspielen, wobei er Einfallsreichtum und Atmosphäre vor Klischee und Action stellt. „Fiction“ geht vor „Science“, wobei der menschliche Faktor im Vordergrund steht. Nostalgie verleiht den altmodischen aber weiterhin lesenswerten Storys eine solide Patina.

Der einsame Roboter

Clifford D. Simak, Goldmann

Der einsame Roboter

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