Wolfsrudel

  • Gerstenberg
  • Erschienen: Januar 2006
  • 4
Wolfsrudel
Wolfsrudel
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Frank A. Dudley
89°1001

Phantastik-Couch Rezension vonJan 2007

Frisches Blut für einen alten Mythos

Was den Deutschen ihr Schauerroman, das war den Engländern die Gothic Novel: Zwei Namen für dasselbe Kind, dessen Hauptcharakterzüge aus Ruinen, Übersinnlichem, Erbflüchen und Schreckmomenten bestehen. Floortje Zwigtman ist eine junge niederländische Historikerin und ihr ist das Meisterstück gelungen, aus dem Mythos um Vlad Dracul einen psychologischen Schauerroman von großer Eindringlichkeit zu machen.

Rumänien im 19. Jahrhundert. Ion, Vulpe und Alexander leben in ärmlichen Verhältnissen in einem kleinen walachischen Dorf. Ihre Lust auf Abenteuer ist größer als auf Feldarbeit, sie wollen aus der dörflichen Beschränktheit entfliehen und künftig durch Räuberei ihren Lebensunterhalt verdienen. Sie schließen sich der Bande von Vulpes Bruder Lupu an, der "Bruderschaft der Wölfe". Doch nach dem obligatorischen Aufnahmeritus beginnt für die drei Jungen keinesfalls die erhoffte Zeit der Räuberromantik. Als jüngste Mitglieder der Bande müssen sie kochen, putzen und aufräumen, außerdem fühlt sich Vulpe ständig von seinem Bruder bevormundet. Zu ersten Spannungen zwischen Vulpe und Lupu kommt es, als die Bande ihr Lager auf die Insel der unheimlichen Klosterruine Snagov verlegen will. Obwohl der jugendliche Räuberhauptmann starke Bedenken hat, beugt er sich dem Druck seiner Bande, zu deren Wortführer sich Vulpe kurzzeitig gemacht hat.

Auf der Insel entdecken sie das verschollene Grab des mystischen Vlad Tepes, landläufig bekannt als Dracula, und teilen dessen kostbare Schätze unter sich auf. Lupu beansprucht das Schwert des ehemaligen Fürsten der Walachei für sich, was Vulpe noch mehr gegen seinen Bruder aufbringt. Doch die beiden sind nicht die einzigen Streithähne auf der Insel. In den Klosterruinen hausen, bislang unentdeckt von der zänkischen Bande, ein Einsiedler, ein Schafhirt und dessen Gefährtin. Die Wolfsbrüder zerfallen immer mehr in zwei Lager. Ein Machtkampf entbrennt, zu dessen Brutalität und Grausamkeit der Einsiedler und der Schafhirte wesentlich beitragen, denn jeder von ihnen "berät" einen der beiden Brüder - bis zum bitteren Ende.

In einem zweiten Erzählstrang blendet die Autorin immer wieder in die Walachei des 15. Jahrhunderts. Sie berichtet von Vlad Tepes und seinem Bruder Radu, die als Geiseln am Osmanischen Hofe aufwachsen. Während Vlad zu einem kämpferischer jungen Mann heranwächst, hat er nur Verachtung für seinen Bruder übrig, der als Lustknabe des Sultans ein verweichlichtes Leben führt. Im Kampf um die Walachei werden Radu und Vlad schließlich Feinde, letzterer wird zum berüchtigten Pfähler und schließlich zum Vampir.

Der Dracula in uns

Es ist nicht leicht, im Labyrinth der Vampirliteratur im besten Sinne schauerliche Romane zu finden, noch dazu für Jugendliche, denn der Verlag empfiehlt "Wolfsrudel" für Leser ab 14. Diese Altersangabe ist nicht zu niedrig angesetzt, denn obwohl vom alten Sauger keine einzige Kehle durchgebissen wird, gipfelt die Handlung immer wieder in klaren Andeutungen ausgesprochener Grausamkeiten. Seien es die Kriegs- und Foltergräuel des Vlad/Radu-Handlungsstranges oder die Brutalitäten der Wolfsbrüder untereinander, die sogar in einem Mord enden. Floortje Zwigtman setzt nicht nur geschickt die klassischen Stilmittel der Schauerromane oder Gothic Novels des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts ein, sie beschreibt auch die historische Figur des Vlad Tepes, genannt Dracul oder der Pfähler. Ein umfangreicher Anhang mit Karten, Glossar und geschichtlichem Abriss beleuchtet den oftmals vernachlässigten geschichtlichen Hintergrund der mythischen Figur Draculas.

Von wahrhaft biblischer Wucht ist jedoch der doppelte Kain-und-Abel-Aspekt: Sowohl Lupu und Vulpe als auch Vlad und Radu tragen einen mörderischen Bruderkampf aus, aus Wolfsbruder Ions Sicht mit psychologische Dichte wiedergegeben. Zwigtman schildert ihre Hauptpersonen und die Gruppenkonflikte prall und intensiv, die Frage, die über allem steht, lautet: Wie viel Böses schlummert in uns? Die Antwort weiß Vlad Tepes, und sie ist wahrhaft schauerlich.

Wolfsrudel

Floortje Zwigtman, Gerstenberg

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