Weltensturm

  • Heyne
  • Erschienen: Januar 2006
  • 3
Weltensturm
Weltensturm
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S.B. Tenz
85°1001

Phantastik-Couch Rezension vonJan 2007

Das Privileg der Unsterblichkeit

In  ferner  Zukunft: Die Menschheit hat sich weit in die Galaxis ausgebreitet und verteilt sich dabei auf achtzig Planeten. Die ";Alte Erde";, wie wir sie kennen, existiert nicht mehr. Seit 1600 Jahren herrscht der Auferstandene Kaiser über die Achtzig Welten. Die mehr oder weniger absolute Macht über diese Planeten verdankt der Kaiser einem besonderen Umstand. Es war ihm gelungen, den ";Alten Feind";, den Tod zu besiegen. Man könnte auch sagen: Er hatte die Unsterblichkeit erfunden und das Auferstandene Reich gegründet.

Fast alle Gruppen der verstreuten Menschheit haben seitdem eine Form von Fast-Unsterblichkeit entwickelt. Aber es gibt auch Oppositionelle, die nicht nach der Unsterblichkeit streben und die Macht des Kaisers in Frage stellen. Fürchten muss das Auferstandene Reich jedoch nur einen Gegner: Den "Rix-Kult". Diese Minderheit hat sich dafür entschieden, ihr Leben durch den Tod zu beenden. Dabei bevorzugen die Angehörigen des Rix-Kults den langsamen Übergang von Biologie zu Maschine. Zwar sind die Rix nicht sehr zahlreich, dafür aber außerordentlich gefährlich. Die seltsamen Technologien, die sie von ihren KI-Göttern bekommen, machen sie zu absolut unberechenbaren Kämpfern. Die Rix unterscheiden nicht zwischen Krieg und Frieden. Ihre Gesellschaft befindet sich in einem permanenten Dschihad.

Alexander, eine Künstliche Intelligenz (das Verbundbewusstsein) von planetarem Ausmaß, führt die Rix an. Ständig bemüht, missionarisch das Verbundbewusstsein zu verbreiten, schrecken die Rix auch vor einem interstellaren Krieg nicht zurück. Es gelingt ihnen den Planeten Legis XV zu infiltrieren und die Schwester des Kaisers gefangen zu nehmen. Dabei stoßen sie auf ein ungeheuerliches Geheimnis, dass das Auferstandene Reich und seine Geschichte in den Grundfesten zu erschüttern droht.

Rasanter Einstieg

Scott Westerfeld fackelt nicht lange. Ohne Umschweife schickt er den Leser mitten ins Gefecht. Die Kaiserliche Flotte vs. Rix.

Raumschiffe mit einer Länge von mehr als 2000 Kilometern und einer Spannweite von 200 Metern stehen im Kampf Microschiffe gegenüber, die eine Spannweite von einem einzelnen Millimeter aufweisen und kaum größer als ein Staubkorn sind. Klingt verrückt. Ist es auch. Aber das macht nichts. Kein Zweifel, dass hier eine mehr als außergewöhnliche Story auf den Leser wartet, die sich auf über 800 Seiten erstreckt.

Faktor Zeit

Zeit ist ein grundlegender Faktor des Romans. Stasis, relativistische Zeit, Unsterblichkeit. Schlagwörter, die alle technischen Möglichkeiten beschreiben, absolute Zeit schnell verstreichen zu lassen. Eine faszinierende und zugleich beklemmende Vorstellung. Wer mit diesem Thema noch nie in Berührung gekommen ist, mag sich zu Anfang vielleicht etwas überfordert fühlen. Im weiteren Verlauf des Romans erschließt sich dem Leser aber eine Logik, die bald schon zu einer selbstverständlichen Klarsicht führt. Scott Westerfeld gelingt es auf beeindruckende Weise ein Szenario zu erzeugen, das stets vorstellbar bleibt.

Er lässt den Spannungsbogen langsam, aber kontinuierlich ansteigen und stellt dabei die Geduld des Lesers auf eine harte Probe. Schlagartig wechseln die Schauplätze oder er führt den Leser in entscheidenden Momenten zehn Jahre in die Vergangenheit zurück. Das zerrt an den Nerven, bietet aber gleichzeitig die Möglichkeit, uns mit den Hauptcharakteren besser zu identifizieren.

Leider bleiben die Nebenfiguren dabei ziemlich farblos und oberflächlich. Sie wirken oft wie Lückenbüßer, die man einige Seiten später schon fast wieder vergessen hat. Ein ständiger Wechsel zwischen den Schauplätzen macht diesen Umstand nicht leichter. Die Kapitel sind durch diese häufigen Szenenwechsel außerdem sehr kurz gehalten, haben fast schon etwas Drehbuchartiges. Ob dies einem jeden gefällt, wage ich zu bezweifeln. Bleibt zu hoffen, dass sich daraus kein neuer Trend entwickelt. Detailliertere Charaktere und ein wenig mehr Emotionen hätten dem Roman sicher nicht geschadet. Schade, denn dadurch geht einiges an Atmosphäre verloren. Dazu im Widerspruch mag zwar eine sich langsam entwickelnde Romanze zwischen den beiden wichtigsten Protagonisten stehen, die aber letztendlich auch nur kühl und sachlich bleibt.

Kollektives Bewusstsein

Freunde und Kenner des Star Trek-Universums werden vermutlich den Rix-Kult mit dem Borg-Kollektiv assoziieren. Modifizierte Humanoide, die als Drohnen innerhalb eines Kollektiven Bewusstseins agieren und dabei jede Form der Individualität einbüßen. Jedoch stellt sich relativ schnell heraus, dass die Rix sich nicht so einfach definieren lassen. Sie sind weitaus mehr als nur der böse Part, den es mit allen zur Verfügung stehenden Mittel aufzuhalten gilt. Auf ein simples Borg-Niveau lassen sie sich somit nicht reduzieren.

Leider bleiben tiefere Einblicke in die Welt der Rix dem Leser verwehrt. Ihre echten Motive erfährt dieser nicht wirklich. Das gilt auch für alle übrigen Welten und ihre Bewohner bzw. Gruppierungen. Die Strukturen des Auferstandenen Reichs bleiben im Verborgenen, werden bestenfalls angedeutet. Zu viele Fragen bleiben offen. Ein großes Manko.

Zwischen Isaac Asimov und Frank Herbert

Weltensturm ist irgendwo zwischen Isaac Asimovs Foundation-Zyklus und Frank Herberts Wüstenplanet-Epos angesiedelt. Wer diese Romane kennt, wird unschwer die vielen Parallelen erkennen. Der Auferstandene Kaiser und der Gottkaiser des Wüstenplaneten  verfolgen ganz ähnliche Ziele. Uneingeschränkte Macht und ein totalitäres Reich, aufgebaut auf Furcht und Bestechung, Einschüchterung und Treuekonditionierung. Die kleinste Untreue gegenüber dem Souverän bedeutet  Blasphemie, was wiederum als Konsequenz entsetzliche und blutige Strafen nach sich zieht. Einer Nanotechnologie, die ungeahnte Möglichkeiten eröffnet, stehen längst überholte Rituale gegenüber. Blutschwüre, die gebrochen werden, verlangen nach einem Harakiri-ähnlichen Ritual. Ein Blutzoll, den der Auferstandene Kaiser von seinen Loyalisten fordert.

Einer der absoluten Höhepunkte des Romans sind zweifellos die actiongeladenen Raumschiffschlachten. Man könnte meinen, Scott Westerfeld hätte mit auf der Brücke gestanden. Sozusagen als embedded journalist.

Fazit

Politische Intrigen und spannende Action-Szenen sind brillant beschrieben. Ohne Frage eine der großen Stärken des Autors. Unsterblichkeit wird zum vordergründigen  Thema seiner Erzählung. Er verleiht diesem ewigen Traum der Menschheit einen bitteren und makaberen Beigeschmack. In einer von lebenden Toten regierten Welt, werden die Lebenden durch das Gewicht der Toten erdrückt. Genial. Wären da nicht die etwas ausdruckslosen Protagonisten oder die stilistisch schwache Aufteilung der Kapitel, dann könnte man Scott Westerfelds Roman als durchgehend brillant bezeichnen.

Was bleibt, ist kein Meilenstein, aber eine spannende Space Opera auf hohem Niveau, die auch Fans von Alastair Reynolds (Unendlichkeit, Chasm City) gefallen dürfte. Die ganze Klasse eines Alastair Reynolds oder Ken MacLeod erreicht Westerfeld jedoch nicht. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Potenzial jedenfalls ist bei Scott Westerfeld eine Menge vorhanden.

Weltensturm

Scott Westerfeld, Heyne

Weltensturm

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