Das wahre Kreuz

  • Droemer-Knaur
  • Erschienen: Januar 2007
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Das wahre Kreuz
Das wahre Kreuz
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Carsten Kuhr
20°1001

Phantastik-Couch Rezension vonApr 2007

Napoleonische Archäologen treffen auf Temeplritter

Ägypten im Jahre 1799. Napoleon hat der Herrschaft der Mamelucken ein Ende bereitet. Seine Armee hat Kairo besetzt und der französische Savoir Vivre setzt sich zunehmend durch. Strassenkaffees schiessen aus dem Boden, die moslemischen Frauen entdecken die französische Mode, Bibliotheken und Hospitäler werden eröffnet. Die Einrichtung eines Diwans aus Einheimischen, die die Verwaltung der Städte übernehmen, sorgte zunächst für Ruhe in den nunmehr beleuchteten und gefegten Strassen.

Mit Napoleon Bonaparte aber kamen nicht nur Soldaten, sondern auch eine Vielzahl Gelehrter aller Fachdisziplinen. Einer von ihnen, Bürger Bastien Topard mit Namen, ist ein begnadeter Zeichner. Zusammen mit seinem Onkel, einem ehemaligen Abt und Klostervorsteher, der seit Ausrufung der Republik als gefeierter Archäologe Meriten verdient hat, ist er in der Wüste auf Ausgrabung. Kaum haben sie den Eingang zur alten Wüstenfestung freigelegt, da hören sie den Hilfeschrei einer Frau - aus dem Inneren.

Als sie durch die dunklen, niedrigen Gänge zu Hilfe eilen, glauben sie zunächst ihren Augen nicht zu trauen. Eine bezaubernde Beduinin ist auf einem Altar gefesselt, Männer in Ritterrüstungen umringen sie. Abendländer wie unsere Forscher, mehr noch, die Unbekannten sprechen ein archaisches Französisch. Und sie gehen zum Angriff über - Schwerter und Streitaxt gegen Musketen, Bajonette und Säbel.

Die Templer sind nur allzu lebendig

Unser Held und sein Onkel bringen die Gerettete, Ourida - Rose - mit Namen in ihr Haus nach Kairo. Doch nur zu bald beginnen sich auch hier in der vermeintlich sicheren Stadt die Ereignisse zu überschlagen. Ein Meuchelmörder greift sie an, ein Mann, dem die Zunge herausgeschnitten wurde. Sein Messer ziert ein weisses und ein rotes Kreuz, wie es die Templer und die Johanniter zu Zeiten der Kreuzritter im Heiligen Land als Erkennungszeichen nutzten.

Visionen überkommen Bastien, Erinnerungen an ein Leben vor 600 Jahren, als er scheinbar als Tempelritter Roland im Heiligen Land weilte. Schon damals traf er auf Ourida, doch wie kann das sein?

In der Folgezeit macht sich Unruhe in den Gassen Kairos breit. Geschürt von den Rittern des geheimen Ordens vom Wahren Kreuz bricht in Kairo ein Aufstand aus. Während der Niederschlagung gelingt es den Rittern, Ourida in ihre Gewalt zu bringen. Die Spur führt mitten hinein in die Wüste zu einer vergessenen Befestigung. Doch was steckt hinter dem militanten Orden und wie hängt dies alles mit Bastien zusammen?

Erst bei den Beduinen, die Bastien vor einem Sandsturm retten, erhält Bastien die Erinnerungen an sein erstes Leben wieder. Zusammen mit fünf anderen Kreuzrittern wurde ihm vor 600 Jahren eine Reliquie anvertraut - ein heiliger Gegenstand, der bis heute verschollen ist - und die Rose der Wüste scheint das Versteck zu kennen ...

Ein Autor zwischen Phantastik und Geschichte

Jörg Kastner ist sowohl dem Freund des historischen als auch des phantastischen Romans ein Begriff. Zwischenzeitlich erscheinen alternierend ein phantastischer Thriller, dann wieder ein historischer Roman mit phantastischen Einschüben in seinem Hausverlag bei Knaur.

Vorliegendes Werk zählt zu den historischen Romanen. Auch wenn Napoleon letztlich sein Ziel, den Handel des verhassten Grossbritanniens mit dessen Kolonie Indien zu unterbinden, nicht erreicht hat und seine von ihm zurückgelassene Armee von den Türken besiegt wurde, stellte der Feldzug einen weiteren Trittstein der Karriere des kleinen Korsen dar.

Gleichzeitig aber enthält auch dieser Roman wieder ein phantastisches Gerüst. Menschen mit übernatürlichen Gaben, Seelenwanderung werden mit historisch belegten Fakten vermischt, hinzu kommt eine ergreifende, die Jahrhunderte, ja den Tod selbst überdauernde Liebesgeschichte, et voila, fertig ist der Bestseller. Wenn es so einfach wäre, die Buchhandlungen wären übervoll von entsprechenden Büchern.

Ich begleite Kastner und dessen Bücher nun seit mehreren Jahren. Neben seinen packenden, exzellent recherchierten Vatikan-Thrillern zeichneten sich seine historischen Werke immer durch eine geschichtliche Akkuratesse aus, machten vergangene Zeiten lebendig und erlebbar. Diesmal aber gelang es dem Autor nicht, mich wirklich in seinen Bann zu ziehen.

Irrungen und Wirrungen

Napoleon Bonaparte tritt, obzwar er eine gewisse, nicht eben schmeichelhafte Rolle einnimmt, eher in den Hintergrund. Kastner konzentriert sich ganz auf die beiden französischen Gelehrten und die bezaubernde Beduinin. Diese Drei dominieren den Roman, alle anderen Figuren sind allenfalls schmückendes Beiwerk. Und hier liegt die Krux verborgen.

Durch die Anlage des Romans kann der Autor das zugrunde liegende Geheimnis naturgemäss erst im Finale enthüllen. Insofern weiss weder der Leser noch die Beteiligten, warum sich der junge Franzose und die Beduinen-Schöne zueinander hingezogen fühlen. So irren die beiden zunächst verwirrt durch die Handlung, während der Platz für eine dezidiertere Darstellung interessanter Figuren fehlt. Und diese gibt es durchaus. Der angesehene Ägypter Maruf Ibn Saad, ein Gelehrter, der seine Tochter dem Koran zum Trotz zu einer aufgeklärten und emanzipierten Frau erzieht, nur um mit ansehen zu müssen, wie sich diese den Extremisten zuwendet, ist eine solche, von der Anlage her vielschichtige Gestalt, die weit hinter ihrem Potential zurückbleibt, da wir wenig, zu wenig über sie erfahren.

Wo bleibt der Flair des Orients?

Die Darstellung der Lebensumstände der damaligen Zeit, der Besonderheiten, die das Klima den Menschen aufzwingt, sucht man vergebens. Auch die Darstellung Ägyptens und dabei insbesondere Kairos bleibt weit hinter den Möglichkeiten zurück. Die Wüste ist heiss, trocken und gefährlich, Kairo reduziert sich auf ein paar wenige Herrenhäuser und Paläste, das typisch Orientalische, das Gewimmel in den engen, verwinkelten Gassen, der Souk mit den umtriebigen Händlern, die orientalischen Kaffeehäuser mit ihren Wasserpfeife rauchenden Männern, nichts davon taucht auf. Hier hat Kastner, ob bewusst oder unbewusst, auf den Flair einer anderen und damit faszinierenden Welt verzichtet. Die zugrunde liegende Geschichte um das Rätsel der modernen Kreuzritter und ihre Suche nach dem verschollenen Geheimnis ist zwar durchaus spannend und kurzweilig aufbereitet, letztlich aber zu oberflächlich ausgestaltet.

So bleibt eine etwas rührselige Geschichte um eine Liebe, die die Zeiten überdauert, über Hingabe an eine Mission, die sowohl Christen wie Mohammedaner über Jahrhunderte bestimmt, über das Rätsel einer verschollenen Reliquie, die es nicht vermag, uns eine uns fremde Welt wirklich nahe zu bringen.

Das wahre Kreuz

Jörg Kastner, Droemer-Knaur

Das wahre Kreuz

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