Relictum

  • Droemer-Knaur
  • Erschienen: Januar 2007
  • 5
Relictum
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Anna Hild
70°1001

Phantastik-Couch Rezension vonMai 2007

Der Jesus-Faktor

Das Thema ‚Jesus und moderne Archäologie‘ erlebt seit einigen Jahren einen enormen Beliebtheitsschub. Der Konflikt von Glauben und Wissenschaft in einer modernen Gesellschaft wurde schon mehrfach anhand ähnlicher Themenstellungen wie in Michael Byrnes ";Relictum"; abgehandelt. Titel wie ";Das Jesus Video"; von Andreas Eschbach oder ";Der Da Vinci Code"; von Dan Brown verbinden auf ähnliche Weise moderne Technik mit Mythologie, kriminalistische Arbeitsweise mit archäologischen Mitteln, um die eine oder andere erstaunliche ‚Wahrheit‘ über Jesus von Nazareth oder den heiligen Gral zu Tage zu fördern.

Das unheilige ‚Heilige Land‘

Michael Byrnes lädt seinem Roman zusätzlich noch die aktuelle politische Konfliktsituation Israels, bzw. Palästinas auf. Von Anfang an wird seine Romanwelt in drei Teile aufgeteilt: die Juden, die Moslems, die Christen. Die Fortsetzung der historischen Konfliktparteien ins 21. Jahrhundert. Alles beginnt mit den Templern, wieder einmal. Jacques de Molay, dem letzten Großkomtur des Templerordens wird von seinem Vorgänger, Thibaud Gaudin auf dessen Sterbebett ein Geheimnis anvertraut, dass die Grundfesten des christlichen Glaubens und vor allem der Kirche erschüttern könnte...

Zeitsprung in die Gegenwart: eine bis an die Zähne bewaffnete Söldnertruppe verschafft sich in einer einmalig dreisten Aktion Zugang zu unterirdischen Räumen des Tempelbergs in Jerusalem. Sie wissen genau, wohin sie gehen müssen. Vor einer seit Jahrhunderten unberührt aussehenden Wand bleibt die Truppe stehen und sprengt sich den Weg zu einem verborgenen Raum frei. Der Raum ist schlicht und leer, bis auf 10 seltsame Kisten. Genau eine davon ist ihr Ziel.

Der Diebstahl kostet 13 Israelis das Leben und die heilige Marwani-Moschee der Moslems wurde geschändet. Die Stimmung in Jerusalem droht sich drastisch zu verschlechtern und das brüchige Gleichgewicht zwischen Israelis und Palästinensern ist in Gefahr. Der Rat der Moslems sieht nur die Möglichkeit, einen eigenen Ermittler einzusetzen, welcher von der israelischen Polizei als Mann der Diplomatie anerkannt werden wird. Die Aufgabe wird Razak bin Ahmed bin al-Tahini übertragen.

Nun ein Ortswechsel: die amerikanische Genforscherin Charlotte Hennesey trifft im Vatikanstaat ein, um an einem geheimen Projekt zu arbeiten. Zusammen mit ihrer Kontaktperson im Vatikan, Pater Donovan, und einem italienischen Anthropologen, Dr. Bersei, sieht sie sich ihrem Forschungsobjekt gegenüber: einer merkwürdigen steinernen Kiste. Darin befinden sich wertvolle Reliquien, so wird ihr vermittelt, welche sie auf Alter und Herkunft anhand des Genoms überprüfen soll. Die Knochen sind für Dr. Hennesey eine makabre Erinnerung an ihren eigenen Zustand, sie leidet unter Knochenkrebs - eine Wendung, die im Verlauf des Romans nocheinmal wichtig werden wird.

Von nun an geht die Geschichte rasant voran, Byrnes gönnt seinen Lesern keine Pause. Die verschiedenen Orte und Zeiten greifen ineinander, und das Schicksal aller Protagonisten ist miteinander verknüpft, auch wenn sie sich teilweise nie begegnen werden. Wer war der Mann, dessen perfektes Skelett mit einem perfekten Genom in dem Ossuar, jener geheimnisvollen Kiste, bestattet wurde? War es tatsächlich Jesus? Während die Wissenschaftler und Ermittler noch rätseln, spielt die Politik ihr ganz eigenes Spiel, alle Seiten versuchen auf skrupellose Weise, ihre Interessen zu wahren.

Habeas Corpus

Der Körper von Jesus steht im Mittelpunkt dieser Geschichte. Was wäre, wenn wir ihn ‚befragen‘ könnten, mit modernsten wissenschaftlichen Mitteln, darüber, wer er war und ob er tatsächlich ein göttliches Wesen war. Könnte man ihn überhaupt erkennen mit wissenschaftlichen Untersuchungsmethoden? Michael Byrnes scheint sich seiner Interpretation hier sehr sicher. Ohne etwas verraten zu wollen, sein Fazit ist relativ simpel und eindimensional gehalten, mit einer erstaunlichen Parteinahme für eine Fraktion im Roman, welche als solche eigentlich erst in einem der letzten Kapitel klar wird.
";Relictum"; ist durchaus spannende Lektüre, der Autor versteht etwas davon, einer Geschichte Tempo zu geben und dieses aufrechtzuerhalten. Dennoch, einige Mankos im Schreib- und Erzählstil kann man nicht leugnen. Byrnes gelingt es manchmal gar zu sehr, das Offensichtliche zu konstatieren: ";Die Situation war viel ernster, als Razak sich vorgestellt hatte. Zwischen Israelis und Palästinensern herrschten sowieso schon beträchtliche Spannungen."; (S.36) Die Naivität, die man hier beim Ermittler der moslemischen Seite feststellen kann, findet sich auch in anderen Charakteren des Romans wieder. Viel zu oft stolpern die Protagonisten bequemerweise in offensichtliche Fallen oder tun genau das, was der Fortgang der Geschichte verlangt, ohne Rücksicht auf psychologische Glaubwürdigkeit. Die etwas zu offensichtlich geölten Rädchen dieser Geschichte passen zu gut aufeinander, um wirklich glaubwürdig zu wirken. Die Motive der Akteure passen derart genau zusammen, dass sie unübersehbar konstruiert wirken.

Die politischen Beweggründe der Geschichte entgleiten dem Autoren und diese Ebene des Romans wirkt schnell aufgesetzt. Den Leser beschleicht das Gefühl, dass das Interesse des Autors mehr der mystischen / wissenschaftlichen Seite seiner Erzählung galt. Eine legitime Herangehensweise, wenn er sich denn tatsächlich mehr darauf konzentriert hätte und sich kunstvoller aus der Affäre hätte ziehen können.

Insgesamt ist ";Relictum"; unterhaltsamer Lesestoff, dem ein wenig der herausfordernde Anspruch anderer Titel aus dem gleichen Genre fehlt.

Relictum

Michael Byrnes, Droemer-Knaur

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