Schöne Scheine

  • Manhattan
  • Erschienen: Januar 2007
  • 3
Schöne Scheine
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Carsten Kuhr
85°1001

Phantastik-Couch Rezension vonAug 2007

Ein neuer Auftrag für den Generalsanierer

Das schlägt doch nun wirklich dem Fass den Boden aus. Nicht genug damit, dass unser Trickbetrüger und schlitzohriger Gauner Feucht von Lipwig, der auf Anweisung des Gerichts für seine Untaten gehängt wurde, nur um als dienstverpflichteter Postminister die im Dornröschenschlaf liegende Ankh-Morpork'sche Post wach küssen durfte, nein, jetzt hat Lord Vetinari ihn auch noch zum Geschäftsführer einer maroden Bank gemacht!

Dass eine Promenadenmischung von einem Hund die Mehrheit der Anteile an der Bank besitzt, dass die gierig-dekadente Familie der Üppigs versucht, die Kontrolle der Bank an sich zu reißen, das ginge ja noch, doch dann muss unser redegewandter Generalsanierer feststellen, dass das Gold im Tresor fehlt. Da ist guter Rat zunächst teuer. Wie gut nur, dass Feucht aufgrund seiner Erfindung der Briefmarken beste Beziehungen zu den örtlichen Druckereien unterhält. Jetzt gilt es nur noch, den Bewohnern von Ankh-Morpork die neue Papierwährung schmackhaft zu machen - und mal ehrlich, wer wäre dazu besser geeignet als ein sympathischer Großschwätzer und Hochstapler?

Statt Wiederholungen neue Ideen zuhauf

Als alles seinen gewünschten Gang zu gehen scheint, als die Sparstrümpfe geleert und die Sparbücher gefüllt werden, marschiert im wahrsten Sinne des Wortes ein neues Unheil auf unsere Metropole zu. Eine ganze Armee massiv-goldener Golems stellt sich in die Dienste der Stadt. Willige, fähige Arbeitskräfte, die nie ermüden, die nie essen müssen, die aber auch nie konsumieren. Was droht, ist eine Massenarbeitslosigkeit und Armut, gar nicht zu reden davon, dass die unbezwingbare Armee jedes Nachbarreich überrennen könnte. Da muss unser Schlitzohr sich etwas einfallen lassen.

Während andere, selbst versierte und renommierte Autoren verzweifelt nach Themen suchen, scheinen die Ideen Terry Pratchett nur so zuzufliegen. Dieses Mal, wen wundert es, bekommt die Welt der Hochfinanz und Wirtschaftspolitik ihr Fett ab. Das liest sich dann, bedenkt man die momentan grassierende Bankenkrise aufgrund Übernahme maroder Kredite und persönlicher Bereicherungswut, fast ein wenig wie ein Tatsachenbericht, der im Gewand eines Fantasy-Romans daherkommt. Mit spitzer Feder und Gespür legt Pratchett seine Finger immer gerade dahin, wo es weh tut. Amüsant und kurzweilig erklärt er uns marktpolitische Regularien, merkantile Wellenbewegungen und die Auswirkung von Angebot und Nachfrage auf die internationalen Arbeits- und Finanzmärkte. Das wirkt fast wie eine sehr amüsante Vorlesung in Wirtschaftswissenschaften, verblüfft ob seiner zugrundliegenden Einfachheit und hat mich zumindest so manches Mal zu einem »A-Ha« und »ach so« animiert. Andere, weniger mit Einfällen gesegnete Autoren hätten aus dem Stoff gleich mehrere Bücher gemacht, Pratchett packt alles zu einem großen Ganzen, das aber auch in Details ein faszinierend reales Bild unserer Marktwirtschaft widerspiegelt.

Fitness für den Kopf und für den Bauch - Lachen ist gesund

Doch Terry Pratchett wäre nicht einer der beliebtesten und beständigsten - und das ist wirklich, ein Phänomen - Autoren, wenn er nicht neben all dem verborgenen Wissen, das er seinen Lesern zukommen lässt auch für eine herzhafte Stärkung der Bauch- und Brustmuskulatur sorgen würde. Bekannte und liebgewonnene Gestalten treten auf - ein gewisser Würstchenverkäufer möchte ein Darlehen zum Ankauf eines fahrbaren Bauchladens, Feucht hat sogleich die Idee einer Fast-Food Franchise-Kette - eine veritable Romanze zeichnet sich ab und auch die Attentätergilde kann sich über Mangel an Aufträgen nicht beklagen.

Alles in allem also wieder ein echter Scheibenwelt-Roman voll hintergründigen, intelligenten Humors, wenn auch nicht ganz so spritzig wie »Ab die Post«, dem ersten Abenteuer mit Feucht. Bemerkenswert noch, dass der bisherige Übersetzer Andreas Brandhorst dieses Mal von Bernhard Kempen abgelöst wurde, der seine Sache bravourös erledigte.

Schöne Scheine

Terry Pratchett, Manhattan

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