Die Kompanie der Oger

  • Piper
  • Erschienen: Januar 2007
  • 1
Die Kompanie der Oger
Die Kompanie der Oger
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68°1001

Phantastik-Couch Rezension vonAug 2007

Untote Oger und genüssliche Persiflage

Der Protagonist von Martinez' zweitem Roman wird Never Dead Ned genannt. Allerdings ist dies nur ein Spitzname. Denn tatsächlich kann Ned sterben. Und selbst für einen Soldaten der Legion stirbt er erstaunlich schnell. Und häufig. Der einzige Unterschied zu seinen Kameraden ist: Er kann nicht tot bleiben (auch wenn er fürchtet, dass eine Wiederauferstehung, wenn er von seinem derzeitigen Vorgesetzten, einem übellaunigen Greifen, gefressen würde, alles andere als angenehm wäre).

Diesem zweifelhaften Talent hat er schließlich seine neuesten Posten zu verdanken: Ned wird zum Kommandanten der berüchtigtsten Kompanie der Legion  befördert, der 'Kompanie der Oger'. Denn die Kupferne Zitadelle, Stützpunkt der Kompanie und Außenposten der Legion, gilt als Schandfleck der gesamten Armee und Endstation für unzählige militärische Karrieren. Im Fall der bisherigen Kommandanten der Kompanie ist die endgültige Endstation allerdings ein kleiner Flecken Friedhofserde, eine Folge von Unfällen, an denen gewisse Offiziere der Kompanie ganz bestimmt vollkommen unbeteiligt waren.

Fünfzehn Minuten nach seiner Ankunft liegt Ned bereits neben seinen Vorgängern in der Erde. Zwei Stunden später betritt er den Pub und damit das Herz der Zitadelle, womit sein denkwürdiger Alltag als Vorgesetzter einer Horde von renitenten Ogern, manisch-selbstmörderischen Goblinpiloten, menschenfressenden Rocs und undisziplinierten Orks beginnt. Seine neuen Offiziere, unter ihnen ein erstaunlich goblinähnlicher Ork , eine liebestolle Amazone und ein wahrhaft gigantischer Oger, geben sich denn auch alle Mühe, ihn schnellstmöglich los zu werden. Dass seine restliche Truppe kettenrauchende, wandelnde Bäume, eine ziemlich fischige Sirene, einen zweiköpfigen, dafür aber sehr höflichen Oger, einen gestaltwandelnden Goblin sowie einen blinden Seher, der die Zukunft hört und riecht, enthält, macht Neds Job nicht wirklich einfacher. Und bei alldem hat er nur sechs Monate, um aus der Kompanie eine schlagkräftige Truppe zu formen - oder ihn erwartet ein Schicksal, das deutlich schlimmer ist, als der Tod.

Ausgerechnet jetzt findet Ned den Grund dafür heraus, warum er immer wieder von den Toten zurückkehrt - und ausgerechnet jetzt muss er unter allen Umständen am Leben bleiben: Denn nur er und die Kompanie der Oger können den Allmächtigen Imperator Ruka und seine Dämonenhorden in der wandelnden Eisernen Festung noch aufhalten.

Nicht schnell, aber komisch

Nach seinem furiosen Erstling, dem Road-Movie-Pulp-Horror-Roman "Diner des Grauens" wendet sich der Texaner Martinez in seinem zweiten Roman der heroischen Fantasy zu - mit definitiv antiheroischem Protagonisten. Dabei gelingt es ihm durchaus, den Leser an seine atypischen Helden zu fesseln und gut zu unterhalten, auch wenn man es kaum vermeiden kann, ihn mit den wenigen anderen Autoren der humoristischen Fantasy zu vergleichen. Aber selbst wenn Martin Scott von seinem Verlag das Prädikat 'Erfinder der Pulp-Fantasy' zugeschoben wurde - es trifft doch weitaus mehr auf Martinez' zu, in dessen Oger-Kompanie äußerst lebenslustig geflucht, gemordet, betrogen und gestorben wird, wie es sonst allenfalls noch in Mary Gentle's "Grunts" der Fall ist. Im Gegensatz zu den meisten humoristischen Vertretern des Genres mag es Martinez nämlich durchaus blutig, anrüchig und oft sehr schwarzhumorig.

Martinez lässt sich deutlich Zeit, seine Figuren einzeln vorzustellen und zu charakterisieren, wobei sie genüsslich durch jedes erreichbare Klischee der Fantasy stapfen und Seitenhiebe auf das gesamte Genre verteilen, teilweise durchaus auch in dem Bewusstsein der Figuren, einem Klischee zu entsprechen. Allerdings gönnt er seinen Charakteren für gut die erste Hälfte des Buches kaum mehr als einige Wortgeplänkel, Gefühlswirrungen und einen gelegentlichen weiteren Unfalltod seines Protagonisten. Was an sich zwar sehr amüsant liest, da Martinez durchaus eine erstaunliche Menge kleiner, unterhaltsamer und oft absurder Einfälle anhäuft, aber nach einer Weile schleicht sich doch ein leicht kammerspielartiges Gefühl ein. Man kann sich zwar immer noch prächtig amüsieren, fragt sich jedoch langsam, was das Ganze eigentlich soll. Denn die meisten Dialoge, Charaktere und Szenen dienen letztendlich doch eher dem nächsten Lacher und der reinen Persiflage als dem Voranschreiten der Geschichte selbst.  Kurz: Bei allem Spaß wünscht man sich doch irgendwann ein etwas höheres Tempo.

Ein Wunsch, den Martinez nur recht langsam erfüllt. Was gut und schön wäre, wenn er bis dahin nur ein wenig mehr Spannung aufbauen würde. So aber haben es die sich allmählich um Ned entfaltenden Geheimnisse und mysteriösen Vorkommnisse unnötig schwer, das ihnen gebührende Interesse beim Leser zu erhalten, der sich stattdessen eher dabei ertappt, ab und an einige Seiten vor zu blättern, um nachzusehen, wann es endlich wirklich los geht. Erst nach gut zwei Dritteln des Romans nimmt die Geschichte Fahrt auf und dann kann man Martinez die zwischenzeitlichen Längen endlich verzeihen, wenn die schillernden Mitglieder der Kompanie schließlich ihre Zwistigkeiten beilegen und losziehen, um ihren Kommandanten Ned aus den Klauen des mächtigsten Dämonen der Hölle zu erretten.

"Das kam aber plötzlich!", ja, etwa dieses Gefühl hat man beim Lesen des Buches auch, wenn man aus dem gemächlichen Dauergrinsen unvermittelt in eine der furiosesten und kuriosesten Endschlachten der Fantasy gestürzt wird, bei der Martinez alle Register zieht, um selbst das Klischee von Weltrettung und drohendem Untergang des gesamten Multiversums genüsslich von seinen Ogern breit trampeln zu lassen.

Dann macht es auch nichts mehr aus, dass es keiner der Figuren gelingt, sich einen echten Lieblingsplatz im Herzen des Lesers zu erobern - es genügt, dass man ab jetzt den Rest der Fantasy oft genug durch die Brille von Martinez lesen wird und seine Figuren und Klischees in anderen, ernster gemeinten  Romanen wieder entdeckt. Was zu mehr als einem unfreiwilligen Grinsen führt.

Insgesamt ist "Die Kompanie der Oger" ein leichtes, wenn auch nicht unbedingt schnelles, so doch komisches und augenzwinkerndes Lesefutter für Leser, die Absurditäten, Slapstick und schwarzen Humor zu schätzen wissen und die kein Problem damit haben, wenn ihr Lieblingsgenre hemmungslos veralbert wird, ohne einen Anspruch auf Tiefgründigkeit und anmutige Sprachgewalt zu erheben. Diese Oger sind schmutzig, ordinär, geradlinig und haben eine Menge Spaß. Und der Leser, der sich darauf einlässt, mit ihnen.

Die Kompanie der Oger

A. Lee Martinez, Piper

Die Kompanie der Oger

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