Kinder des Judas

  • Droemer-Knaur
  • Erschienen: Januar 2007
  • 30
Kinder des Judas
Kinder des Judas
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Amandara M. Schulzke
95°1001

Phantastik-Couch Rezension vonOkt 2007

Der außergewöhnliche Vampir-Bestseller

Ein kleines Mädchen stirbt 2007 an Krebs. Sia hat es davor mit Scylla-Geschichten im Krankenhaus getröstet, ohne ihm die Wahrheit über Scylla zu eröffnen. Sia trauert um viele Tode und macht sich daran, ihre Lebensgeschichte in einsamen Nächten zu Papier zu bringen. Ihre alten Freunde sind alle tot, doch sie darf nicht sterben. Warum nicht, lässt uns Heitz auf 700 Seiten gefühlvoll miterleben. Jitka verliert 1670 ihre Mutter, umgebracht von den Osmanen im besetzten Serbien. Da erscheinen geheimnisvolle Fremde. Einer, Karol, gibt sich als ihr Vater zu erkennen und nimmt sie mit in seine abgelegene Mühle, die zu allem anderen da ist, nur nicht zum Korn mahlen. Er bildet sie zur Wissenschaftlerin aus, doch was sie wirklich erforschen, bleibt lange im Dunklen. Und während wir Jitka, Scylla, Sia ins 17. Jahrhundert gefolgt sind, drängt sich ein alter Bekannter ins 3. Jahrtausend und ihr jetziges untotes Leben.. Er stellt Sia vor ihr größtes Problem, das sie schon lange gelöst zu haben glaubte.

Rausch des Lesens

Heitz wird als mehrmaliger Gewinner des deutschen Phantastik-Preises auch mit „Kinder des Judas" seinem guten Ruf gerecht. Wer „Ulldart", die „Zwerge", seine Werwolfromane mochte, wird sich von Scyllas Lebensgeschichte überhaupt nicht mehr los reißen können. Sie ist genial! Erstmalig erzählt er aus der Sicht einer Frau, die anfangs nichts anderes ist als ein kleines trauriges, aber zugleich wahnsinnig neugieriges, fleißiges und lernfreudiges Mädchen. Naturgemäß findet sie die erste Liebe und gerät ihrer anderen Natur gemäß in die Zwänge und Regeln der auserwählten Gemeinschaft. Heitz jagt den Leser von einem Ereignis zum anderen und schafft es dabei, kurzweilig Räume und Charaktere zu beschreiben. Nur Vorsicht, wer keinen kleinen Einbruch in der Spannung riskieren möchte, sollte „VAMPIRE! VAMPIRE! Alles über Blutsauger" sein Sachbuch über die Geschichte der unheimlichen Geschöpfe erst nach „Kinder des Judas" lesen.

Größe, Macht und Leidenschaft

Einige sehr blutige und gewaltsame Szenen warten auf den Leser, doch empathisch aus der Sicht Scyllas erzählt, wirken sie weniger brutal, sondern bringen uns eher dazu, Mitgefühl für die Vampirin oder einige Opfer der Gräueltaten zu entwickeln. Ist es poltisch-psychologische Absicht? Kleinkindliche Verhaltensweisen wie „Wenn du nicht mit mir spielst, mache ich dein Spielzeug kaputt!" eskalieren gnadenlos, wenn Erwachsene und gar Vampire immer noch so handeln. Massaker im Buch erinnern an Blutbäder, die heutzutage immer wieder die Welt erschüttern wie im Frühjahr 2009 im Südosten der Türkei mit 44 Toten einer feiernden Hochzeitsgesellschaft, nur weil die Braut einen anderen heiratete. Danach kommt der Katzenjammer. Wir „Menschen" haben es immer noch nicht gelernt. Nicht nur Soldaten werden mit Waffen ausgerüstet, die sie moralisch nie beherrschen lernten.

Gleiches gilt für das Aussteigen aus einer geschlossenen fanatischen Sekte, niemand hat Scylla gefragt, ob sie überhaupt dabei sein will. Scylla kämpft gegen ihre Sucht des Tötens. Sie hat Entscheidungen zu treffen. Heitz lässt sie mit sich selbst hadern: „Mir ist nicht einmal bewusst, wer der Böse und der Gute im Kampf von Wissen und Gewissen ist."
Denn auch ihre Mit- und Gegenspieler haben durchaus nachvollziehbare Gründe für ihr Handeln.

Noch kurz, warum „Kinder des Judas" nur 95 Grad in der Wertung bekommen hat. Es gibt ein Gespräch, in dem Heitz auf knapp drei Seiten ihre Geschichte von 1732 bis 2007 erzählt. Schade, aus dem Buch hätten auch 1000 Seiten werden können oder zwei Bücher. Das Zwischenspiel fehlte, es scheint, als hätte er schnell fertig werden müssen oder der Verlag hätte ihm nicht mehr Seiten erlaubt. Doch wir dürfen auf eine Fortsetzung hoffen. Zur Buchlesung auf der Role Play Convention in Köln im März 2009 kündigte Heitz einen Nachfolger an.

Kinder des Judas

Markus Heitz, Droemer-Knaur

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