Die Katakombe

  • Heyne
  • Erschienen: Januar 1998
  • 0
Die Katakombe
Die Katakombe
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Michael Drewniok
75°1001

Phantastik-Couch Rezension vonOkt 2007

„Star-Trek-Abenteuer mit Horror-Elementen

Frühjahrsputz auf „Deep Space Nine", der Raumstation am Wurmloch zwischen dem Gamma- und Delta-Quadranten, einst Stolz der Cardassianer, dann nach verlorenem Krieg Stützpunkt von Starfleet und Bollwerk der Föderation gegen das Dominion, befehligt von Captain Benjamin Sisko, der mit Argusaugen das turbulente Treiben im Umfeld ‚seiner' Station beobachtet. Aber dieses Mal kommt der Feind von innen. Chef-Schrauber Miles O'Brien und der gestaltwandlungsfähige Sicherheitsoffizier Odo machen sich daran, einen der Andockmasten der Station zu begutachten. Nach dem Abzug der Cardassianer blieb nie die Zeit, alle Kriegsschäden zu beseitigen.

Einen dieser vergessenen Orte betreten O'Brien und Odo - und stolpern in eine Gruft: Zwölf mumifizierte Cardassianer liegen vor ihnen; ein heikler Fund, da er den alten Gegner mit Sicherheit interessieren und zur Station locken wird. Sisko lässt die Katakombe wieder verschließen und Stillschweigen bewahren, wird allerdings von Garak sabotiert. Den einzigen Cardassianer, der auf DS9 geduldet wird, haben misslungene Intrigen ins Exil getrieben. Als Schneider muss er sich heute seinen Lebensunterhalt verdienen, Jeder Weg ist ihm recht, die ersehnte Rehabilitierung zu erreichen. Garak kennt das Geheimnis der zwölf Mumien, die beileibe nicht tot sind, sondern in einer Art Stasis ihrer Wiedererweckung harren, was Garak sogleich heimlich in die Wege leitet.

Der rasch erwachte Hohe Gul und seine Männer haben keine Ahnung, dass man sie vor acht Jahrzehnten buchstäblich kaltgestellt hat. Sie waren und sind reine Kampfmaschinen und machen sich umgehend daran, DS9 von den feindseligen Fremdlingen zu befreien, die sich hier offensichtlich festgesetzt haben. Die wahre Gefahr lauert indes an anderer Stelle. Die Männer, die den Hohen Gul und seine Garde einst verrieten, sind noch sehr lebendig. Gul Fransu und Glin Renzo, sein Stellvertreter, sind nicht daran interessiert, für uralte Fehler verantwortlich gemacht zu werden. Also machen sich die beiden Spießgesellen, die ohnehin wegen einiger zweifelhafter Aktivitäten beim cardassianischen Zentralkommando in Ungnade gefallen sind, heimlich gen DS9 auf, bereit, um die Vergangenheit auszulöschen - und die Station gleich mit, wenn es sein muss ...

Routine mit Spannung

Wer hätte das gedacht: ein „Star-Trek"-Abenteuer, wie man es sich wünscht - geradlinig, unterhaltsam, absolut unglaubwürdig aber spannend und sogar witzig. Als geschähe das nicht schon selten genug, wurde dieses Kleinod ausgerechnet von Diane Carey verfasst, einer Routine-Schriftstellerin aus dem zweiten oder sogar dritten Glied, die sich ihr täglich Brot mit dem Spinnen von Routine-Garnen verdient.

Welcher Teufel sie nun geritten (oder ihr den längst überfälligen Fußtritt versetzt) hat, bleibt unklar, aber Die Katakombe (man könnte diesen Roman auch als „Der Zorn des Gul" betiteln) ist auf jeden Fall eine angenehme Abweichung von der Regel. Im engen, vom „Star-Trek"-Franchise vorgegebenen Rahmen bewegt sich Carey wendig und ohne ihren Lesern jene Pausen zu gönnen, die sie ohnehin nur auf dumme Gedanken bringen könnten. (Wieso wühlen sich ausgerechnet O'Brien und Odo durch Schrott und Todesfallen, statt dies Untergebenen und Spezialisten zu überlassen? Wie hoch mag die Wahrscheinlichkeit sein, dass der Hohe Gul ausgerechnet nach DS9 abgeschoben wurde? Wieso kann ein knappes Dutzend anachronistischer Krieger eine Raumstation der Zukunft so reibungslos ins Chaos stürzen? Wie ... aber besser genug davon.)

Natürlich bleiben wir trotzdem nicht von typischen Carey-Klopfern verschont. Nicht einmal die rundum zufriedenstellende Übersetzung kann beispielsweise die Unbeholfenheit kaschieren, mit der die Autorin Gruselstimmung à la Hollywood an Bord von DS9 zwingen will, als die Katakombe besichtigt wird. Meint sie das ironisch? Kennt man von ihr nicht, so dass eher auf Unvermögen zu tippen ist.

Wer soll das sein?

Ärgerlicher sind die Brüche in der Figurenzeichnung. Früher hatte Carey damit ganz erhebliche Schwierigkeiten, später wurde es besser. Trotzdem wird man den Ben Sisko aus Die Katakombe recht fremd finden: ein mürrischer „Dirty Harry"-Vigilant der fernen Zukunft, dessen Schatten allein Feinden wie Freunden Respekt & Furcht einflößt, ein galaktischer Wrestling-Raufbold, der es freudig mit drei Cardassianern gleichzeitig aufnimmt und selbst mit einer Messerklinge im Herzen weiter wacker austeilt.

Den übrigen Hauptfiguren bleiben dieses Mal kaum die üblichen Statistenrollen - besonders Quark wirkt wie ein Komparse, den Carey nur deshalb mit einigen Sätzen in die Handlung holt, weil ein DS9-Abenteuer ohne den latinumgierigen Ferengi anscheinend undenkbar ist.

Auch mit dem Humor ist es so eine Sache: Da steht lächerlicher Slapstick - Kira Nerys rennt sich ihre bajoranische Ziehharmonika-Nase an einer Aufzugtür ein und fpricht anfließend gar luftig durch gefpaltene Lippen - neben gelungenem Spott - Auch die Cardassianer müssen St. Bürokratius ihr Opfer bringen.

Schurken mit Charisma

Zudem erstaunt Carey den Leser mit einer recht unorthodoxen Charakterisierung ihrer beiden cardassianischen Bösewichte: Während der Hohe Gul den größenwahnsinnigen Schwätzer und seine Mannen die tumben Schlagetots des B- und C-Movies geben, sind Fransu und Renzo der Verfasserin wesentlich differenzierter geraten. Ihre Intrigen und der Verrat vor langer Zeit haben ihnen weder den Ruhm noch den Reichtum gebracht, den sie sich wünschten.

Schon bevor der Hohe Gul wieder aus der Versenkung auftaucht, sind sie am Ende ihres Weges angekommen - und sie wissen es. Ihr Versuch, die Sünden der Vergangenheit durch neue Untaten zu verdecken, erfolgt unüberlegt, wirkt halbherzig und ist von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Auch das ist den beiden alten Füchsen durchaus bewusst; sie handeln, wie sie glauben handeln zu müssen, aber ihre Attacken sind mehr Reflex als Reaktion.

Die Geschichte selbst funktioniert, und im Rahmen eines „Star-Trek"-Romans reicht das (s. o.) als nicht selbstverständlich erreichte Zielvorgabe. Selbstverständlich kommt einem bekannt vor, was man da liest; nach unzähligen Episoden weiß man einfach, wie der „Star-Trek"-Hase läuft. Für ein paar Hakenschläge bzw. unterhaltende Lesestunden reicht Die Katakombe allemal, und man hat nie den Eindruck, sie seien verschwendet gewesen!

Die Katakombe

Diane Carey, Heyne

Die Katakombe

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