Das Marsgrab

  • Bastei-Lübbe
  • Erschienen: Januar 2008
  • 0
Das Marsgrab
Das Marsgrab
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Carsten Kuhr
75°1001

Phantastik-Couch Rezension vonFeb 2008

Mord auf dem Mars - oder die kulturellen Rituale der Disty

Tatort: Mars. Fundort: ein Teil der Disty-Niederlassung in der Saharakuppel. Objekt: Skelett eines Menschen, weiblich, orange verfärbt, ermordet. Die forensische Untersuchung der zunächst nicht identifizierbaren Leiche bringt nicht viel mehr Aufschluss, die Leichenbeschauer und Ermittler scheinen an einem toten Punkt angekommen zu sein.

Die Disty, die seit jeher eine Aversion gegen alles, was mit dem Tod zu tun hat, hegen, entsenden eine Todesschwadron, um die Kontaminierten - Menschen, Disty und den Fundort - mittels ihrer absonderlich erscheinenden Rituale zu reinigen. Als sie allerdings erkennen, an den Ort eines Kapitalverbrechens gerufen worden zu sein, nehmen sie Hals über Kopf Reißaus.

Gerade bei einem Mord ist eine Reinigung allerdings nur möglich, wenn man den Täter kennt und diesen oder einen seiner Nachfahren zum Tatort bringen kann. Dort wird dieser nach alter Überlieferung Sitte tagelang gemartert, bevor seine Innereien in einem genau vorgeschriebenen Procedere verteilt werden. Wenn dies nicht möglich ist, müssen andere Kontaminierte die Qualen der Reinigung über sich ergehen lassen, um den Ort wieder bewohnbar zu machen. Kontaminiert ist, wer die Leiche berührt, oder einen der Kontaminierten berührt hat. Kein Wunder, dass sich alle Disty fast panisch bemühen, dem Ort des Geschehens und den mit der Ermittlung beauftragten Menschen fern zu bleiben.

Erste Genanalysen bringen einen Namen - ein Name, der mit Verbrechen in der Vergangenheit auf den Randwelten in Verbindung steht. Man sucht und findet weitab des Mars auf dem Mond einen Lokalisierungsspezialisten, um über diesen vielleicht einen Nachfahren der Ermordeten ausfindig zu machen. Miles Flint macht sich auf die Suche, das Geheimnis der Toten nach über dreißig Jahren aufzudecken.

Währenddessen finden die Ermittler unter dem Fundort der Leiche ein Massengrab. Einhundertfünfzig Leichen - Männer, Frauen und Kinder - ein Massaker muss auf dem Mars stattgefunden haben. Als die Disty davon erfahren, verlieren sie ihre Contenance - ein ganzer Planet spielt verrückt, die Allianz der intelligenten Völker ist gefährdet, als die Disty-Bevölkerung panisch den Planeten zu verlassen sucht. Dem Mond droht eine Invasion ängstlicher, kontaminierter Flüchtlinge, die alle, die mit ihnen in Kontakt kommen, anzustecken drohen. DeRicci wagt es, von Miles gewarnt, Luna komplett abzuschotten. Doch damit droht den Flüchtlingen der langsame, grausame Erstickungstod an Bord ihrer Flüchtlingsschiffe. Nur das Auffinden von Überlebenden des Massakers könnte die Verseuchten retten - hier ist einmal mehr der Spürsinn und die Intelligenz von Miles gefragt ...

Gelungene Krimi - SF Synthese - mit Alienfaktor

Es ist merkwürdig, dass es in der SF kaum Beispiele für eine gelungene Synthese von einer Kriminal- mit einer SF-Handlung gibt. Ein paar Asimov-Titel, dazu gesellen sich der eine oder andere Roman um futuristische Detektive und Polizisten, doch eine wirklich reizvolle Verbindung der beiden Genres findet man selten.

Kristin Kathryn Rusch hat sich dieses Mankos angenommen und sorgt mit ihren Miles-Flint-Romanen für Abhilfe. Dabei ist das Gebotene nicht immer herausragend, oft hält sich die Autorin zu sehr an die ausgetretenen Pfade und nutzt die Chance zu wenig, Aliens in ihre Handlung einzubauen. Und gerade hier, in den unkonventionell anderen Verhaltens- und Denkweisen liegt doch der Reiz derartiger Titel.

Vorliegend aber besinnt Rusch sich auf die Optionen, die Fremdvölker ihr bieten, und nutzt diese weidlich. Interessant, dass als Auslöser der ganzen Handlung nicht etwas auf Luna angesiedelt wurde, sondern die Autorin den roten Planeten als Tatort wählt und Miles als intelligenten Ermittler erst über einen Kunstgriff und von außen mit den Geschehnissen auf dem Mars in Verbindung bringt.

Zwar wagt sich die Autorin immer noch nicht an die Beschreibung eines wahren Alienverbrechens - nach wie vor sind Täter wie Opfer menschlich - doch die Besonderheiten des Falles, das was die Geschichte ausmacht, was sie interessant macht, fußt in der so ganz ungewöhnlichen Reaktion der Disty auf den Fund der Gräber. In Verbindung mit den Besonderheiten, die mit dem Leben auf dem Mars verbunden sind, den gesellschaftspolitischen Merkwürdigkeiten der Allianz und der Herrschaft der Disty über den roten Planeten offenbart sich dem Leser das interessante und auch in Details glaubwürdig andere Bild einer Fremdrasse, die eben einmal kein simpler Abklatsch der menschlichen Kultur darstellt.

Daneben fügt sie dem Plot aber auch wieder einen relativ unabhängigen Handlungsstrang, den Bericht über die politische Auseinandersetzung auf Luna, bei. Das dreckige Geschäft im Spiel um und mit der Macht, investigativer oder auch manipulierender Journalismus, hier bewegt sie sich auf vertrautem Terrain, bedient entsprechende Klischees von machtgierigen Politikern und karrieregeilen Journalisten.

Die Suche nach Aufklärung des Verbrechens selbst ist eigentlich kaum wichtig. Im Mittelpunkt steht eindeutig das Portrait der Disty und der Folgen, die ihre für Menschen rational nicht nachvollziehbare Reaktion auf die Funde zeitigen. Stilistisch unauffällig bietet sich dem Rezipienten ein gut strukturierter Handlungsbogen, der für Spannung und Faszination sorgt.

Das Marsgrab

Kristine Kathryn Rusch, Bastei-Lübbe

Das Marsgrab

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