Kopflos

  • Piper
  • Erschienen: Januar 2008
  • 1
Kopflos
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Nils Klute
72°1001

Phantastik-Couch Rezension vonMär 2008

Herz und Hirn

Wie weit darf die moderne Wissenschaft gehen? Ist das, was machbar ist, auch vertretbar? Vor allen Dingen: Wo bleibt der Mensch dabei, wo das, was die Wissenschaft nicht erfassen kann - seine Seele?

Der Roman ";Kopflos" von Charlotte Kerner setzt da an, wo die medizinischen Möglichkeiten von heute noch aufhören: bei der Transplantation eines kompletten menschlichen Kopfes. Die Geschichte spielt in der nächsten Zukunft und erzählt auf rund 260 Seiten von der Ärztin Lena Maria Kraft. Als Transplantationsexpertin beschäftigt sie sich seit längerem mit der Möglichkeit, das Haupt eines lebenden Menschen von einem Körper auf einen anderen zu verpflanzen. Als der hirntote Student Josef Metzig und der fast vollständig verbrannte und bewegungsunfähige Maler Gero von Hutten in die Klinik eingeliefert werden, sieht sie ihre Chance gekommen. Josef wird seinen kerngesunden Körper niemals mehr benutzen können. Maler Gero ist zwar bei vollem Bewusstsein, kann mit seinen verstümmelten Armen aber wohl nie mehr arbeiten. Die Lösung scheint so simpel wie banal: Geros Kopf soll auf Josefs Körper verpflanzt werden.

Die Transplantation ist ein voller Erfolg - doch die Rehabilitation des Patienten gestaltet sich schwierig. Gero kämpft mit seinem inneren Ich. Der neue Körper gehört ihm nicht. Oder ist es doch Josef, der sich ihm entgegenstellt? Eine verzwickte Situation, die sich mehr und mehr der Frage näher: Ist der Mensch tatsächlich mehr, als die Summe seiner organischen Körperteile?

Bitte mit Gefühl

Charlotte Kerner bejaht die Frage. Das Ich - also das Bewusstsein des Individuums - ist hier deutlich und untrennbar mit dem eigenen Körper verbunden. Daher stürzt Gero mehr und mehr in ein tiefes seelisches Dilemma, aus der er nur als Sieger hervorgehen kann, wenn er sich selbst vollkommen neu definiert. Bei Charlotte Kerner gelingt ihm das über die Liebe. Sie macht aus dem modernen Frankenstein einen neuen Menschen, auch wenn das tiefe Gefühl hier allzu sachlich beschrieben wird, quasi zu wissenschaftlich.

Der Roman blickt weit in die Zukunft der Medizin, versäumt dabei aber nicht zahlreiche historische Anspielungen auf sein wohl bekanntes Vorbild von Mary Shelley. Charlotte Kerner durchspielt in ";kopflos" ein ähnliches Szenario wie im weltberühmten ";Frankenstein", transportiert Stoffe und Motive dabei aber in unsere Zeit. Sie erfüllt ein bislang rein theoretisches Szenario anschaulich mit Leben und stößt nicht nur zu Fragen der medizinischen Ethik hervor, sondern auch zu den ältesten Fragen der Menschheit.

Kerners ";Kopflos" macht in der Tat nachdenklich: Nachdenklich über Sinn und Unsinn von Tierversuchen, nachdenklich über die Notwendigkeit einer Medizin, die um ihrer selbst Willen vor nichts zurückschreckt, nachdenklich über den Sitz des eigenen Bewusstseins - losgelöst von Herz und Verstand. Während das Gedankenspiel um wissenschaftliche Ethik und Machbarkeit fasziniert, gelingt es Kerner jedoch nicht das erlösende Moment greifbar, fühlbar zu machen. Die Liebe beschreibt sie ebenso sachlich wie die empirisch ermittelten Ergebnisse einer Forschungsreihe.

Kopflos

Charlotte Kerner, Piper

Kopflos

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