Die Schatten des Krieges

  • Heyne
  • Erschienen: Januar 2008
  • 1
Die Schatten des Krieges
Die Schatten des Krieges
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Carsten Kuhr
10°1001

Phantastik-Couch Rezension vonApr 2008

Sand im Getriebe des allmächtigen Zeitreisekonzerns

Kage Bakers Zeitreise-Saga ist auf insgesamt acht Bände ausgelegt, von denen bislang sechs Bücher erschienen sind. Baker geht von einer einfachen Prämisse aus. Die Menschheit in Form des fast allmächtigen Konzerns Dr. Zeus Inc. hat im 24. Jahrhundert zwei Menschheitsträume wahr werden lassen. Man hat eine Möglichkeit entwickelt, mittels einer Maschine in die Vergangenheit zu reisen, und eine körperliche Unsterblichkeit ist, wenn man nur früh genug mit dem gentechnischen Aufrüsten des Körpers beginnt, im Bereich des Möglichen.

Statt nun aber teure Spezialisten auf gefährliche Expeditionen in die Geschichte zu entsenden, hat sich Zaus Inc. etwas einfallen lassen. Man nehme Waisen, ausgestoßene Kinder ihrer jeweiligen Gesellschaft aus der tiefsten Vergangenheit, die niemand je vermissen wird, lasse diesen die technischen Wunderwerke der lebensverlängernden Prozeduren angedeihen, und schon hat man eine allzeit bereite, motivierte und unschlagbar billige Agententruppe.

Deren Ziel schreibt der Aktienkurs vor. Möchten Sie ein Kind von Elvis oder vielleicht eher einen Sprössling Platons, eine Tochter der schönen Helena vielleicht lieber ein Originalmanuskript Goethes, einen Brief Luthers oder ein Portrait aus Da Vicis Werkstatt - Dr. Zeus macht es möglich - gegen klingende Münze versteht sich. Ihre Agenten sind bereits in den entsprechenden Epochen platziert, so dass der Auftrag auch kurzfristig ausgeführt werden kann.

Dennoch, derartige Wünsche sind - das Salär ist doch gar zu hoch - eher selten. Statt dessen suchen die Beauftragten nach ausgestorbenen Tier- und Pflanzenarten, deren Ausbeutung in der Zukunft einen reichen Profit verspricht.

Mendoza ist eine dieser Agentinnen im Auftrag von Dr. Zeus. Nachdem sie bislang im England der Bloody Mary - Maria I. - nach seltenen Pflanzen gesucht hat, und später bei der Rettung eines Indianerstammes helfen durfte, wird sie dieses Mal im Auftrag der allmächtigen Company ins Jahr 1862 entsandt.

Los Angeles, der Moloch der Konsums, der Schönen und Reichen ist noch ein abgelegenes Kuhdorf, in dem sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen. Während im Osten der Sezessionskrieg tobt, geht es an der Westküste geruhsam zu. In einer Postkutschenstation am Rande der späteren Metropole haben sich eine ganze Anzahl von Agenten versammelt. Einige haben den Auftrag, die ausgestorbenen Californischen Braunbären und Kojoten zu retten, andere wie Medoza sind auf der Suche nach seltenen Pflanzen und wieder andere betreiben anthropologische Studien. Im Gewand einer ortansässigen Hure sucht eine Agentin nach Augenzeugenberichten von historischer Bedeutung.

Des Abends, wenn die Kojoten heulen, veranstalten unsere Agenten dann ihre ganz eigene Hollywood-Hommage. Was in ihrer Zeit nur mehr staubige Täler und spärlich bewachsene Hügel sind, das wird einmal das Mekka der Filmwelt - und so lassen sie auf Zelluloid die großen der Leinwand lang vor deren Geburt auferstehen. Medoza aber wird von anderen Visionen heimgesucht - Visionen, die ihr ihre einzig wahre Liebe, einen Sterblichen aus ihrem Englandeinsatz zeigen ...

Und weiter? - werden Sie fragen - immerhin gilt es gut 500 Seiten zu füllen. Weiter?

Nun, es gibt ein paar Verwicklungen, einige Geheimnisse und - man wundert sich - sogar ein paar ganz lustige Szenen, aber dem Roman fehlt eines ganz eindeutig - Spannung.

Es passiert wenig. Nein, das ist geschmeichelt, es passiert zu wenig, es passiert schlicht nichts, mal abgesehen von den letzten gut 100 Seiten des Buches. Gähnende Langeweile macht sich breit, wenn die Figuren angesichts staubiger Felder und karger Täler davon schwadronieren, welche Nobelvillen dieser oder jener Star in ein paar hundert Jahren an dieser Stelle errichten wird. Das mag für Cineasten leidlich interessant sein, wird durch seine permanente Wiederholung aber auch nicht unterhaltsamer.

Dabei würde gerade diese Ära mit dem Sezessionskrieg, der versuchten Einflussnahme der Europäischen Großmächte und den Rassenproblemen mehr als genügend Anknüpfungspunkte für eine spannende, dramatische Handlung bieten. Statt dessen aber langweilt Baker mit seitenlange Ortsbeschreibungen und uninteressanten Personen.

Das ist zäh und zieht sich unerträglich in die Länge, da kommt weder Spannung noch Flair auf. Auch wenn die Autorin es versteht, interessante Figuren zu kreieren, langt dies beileibe nicht, um einen solch umfangreichen Roman mit Leben zu erfüllen. Das nervt auf Dauer, wenn sie ein ums andere Mal dem ausgestorbenen Artenreichtum nachweint und wenn sie uns immer wieder verklärt berichtet, wie viel schöner es doch damals war.

Zu lang, zu uninspiriert, schlicht langweilig und vertane Zeit, so mein leider vernichtendes Urteil.

Die Schatten des Krieges

Kage Baker, Heyne

Die Schatten des Krieges

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