Die erste Wahrheit

  • Blanvalet
  • Erschienen: Januar 2008
  • 13
Die erste Wahrheit
Die erste Wahrheit
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Carsten Kuhr
65°1001

Phantastik-Couch Rezension vonMai 2008

Bestsellermaterial - stromlinienförmig, voller bekannter Versatzstücke, aber auch mit überzeugenden Charakterzeichnungen

Alissa ist ein echten Wildfang. Als Mischlingskind ist sie weder bei den eingebildeten Tiefländerhändlern noch bei den urwüchsigen Hochländern willkommen. Ihr Vater, der seit Jahren vermisst wird, hat eine einsame, abgelegene Region als Heimat für die kleine Familie ausgesucht. Hier, abseits der großen Handelspfade, wächst sie frei und ungebunden auf.

Doch mit einem Mal ist es vorbei mit ihrer Freiheit. Ihre eigene Mutter wirft sie aus dem Haus. Sie sei jetzt alt genug, in die Fußtapfen ihres Vaters zu treten. Kurz bevor die Pässe unpassierbaren werden, soll sie zur legendären Feste aufbrechen. Gerüchte wollen wissen, dass talentierte Hüter von Meistern dort in den Geheimnissen der Magie ausgebildet werden. Dabei weiß doch nun wirklich jedes Kind, dass es so etwas wie Magie gar nicht gibt. So macht sie sich voller Zorn ob der Ungerechtigkeit ihrer Mutter auf, vor den ersten Schneefällen das Gebirge zu überqueren. Nur ihr kleiner Greifvogel, ein Buntfalke begleitet sie.

Unterwegs trifft sie auf Strell. Als reinrassiger Tiefländer aus einer verbrieften Familie, die ob ihrer Tonerzeugnisse bekannt und berühmt ist, sollte sein Leben eigentlich vorbestimmt sein. Doch eine Wahrsagerin hat seinem Großvater prophezeit, dass der Familienname nur überdauern wird, wenn Strell seinen eigenen Weg gehen wird. So durchstreift er seit vier Jahren als Barde die Lande, von der Küstenregion bis ins Gebirge führen ihn die Pfade. Nun will er endlich einmal wieder heim nach Hause. Doch dann muss er erfahren, dass eine Flut sein Heim zerstört und die gesamte Familie ausgelöscht hat. Verzweifelt und voll unterdrückter Aggression macht er sich ohne Ziel auf, vor seinen Sorgen und der Realität zu fliehen.

Als er auf die Bauerntochter trifft, fliegen zunächst die Fetzen. Voller Vorurteile geraten die beiden dominanten Charaktere aneinander. Alissa, die Zeit ihres Lebens ob der Ungerechtigkeit, mit der sie als Halbblut abgestempelt wird, rot sieht, sieht ihre schlimmsten Befürchtungen über die arroganten Tiefländer bestätigt. Trotz aller Animositäten zwingen sie die Umstände, gemeinsam zu reisen.

Auf dem Weg fällt Alissa immer wieder in ein Wachkoma. Ein fremdes Bewusstsein. Niemand, wie er sich selbst nennt, versucht sie zu warnen. Er schickt ihr Versionen, die ihr zeigen, wie ihr Vater auf der Feste ermordet wird. Bailic, ein Bewahrer, hat vor fünfzehn Jahren schon die Meister und deren Schüler ermordet, um sich zum despotischen Herrscher aufzuschwingen. Seitdem sucht er nach dem einzigen, das ihm zur Machtübernahme noch fehlt - Die erste Wahrheit, das Buch, das der letzte, von Bailic eingekerkerte Meister damals Alissas Vater zur Aufbewahrung übergeben hat. Auf der Suche nach ihrem Erbe, dem Buch, das Alissa anlockt, begeben sich unsere beiden Abenteurer in die Höhle des Löwen - in der von Bailic bewohnten Feste suchen sie nach dem Buch und versuchen den gefangen gehaltenen Meister zu befreien ...

Vertrauensselige Magier und finstere Lehrlinge, oder Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser

Was ist das für eine Trilogie, die Trudi Canavans Erfolge für Blanvalet wiederholen soll? Die äußere Aufmachung zumindest erinnert doch sehr an die Bestseller aus Down Under. Klappbroschuren mit einer sehr ansprechenden Titelbildgestaltung machen auf den Inhalt neugierig. Dieser aber präsentiert uns zunächst einmal wenig Innovatives. Ein zerstrittenes Abenteuerpaar, das sich mühsam zusammenrauft, erste Zuneigung zueinander findet und auf der Suche nach einem alten Rätsel oder magischen Gegenstand ist, das kennen wir leidlich.

Auch, dass die so mächtigen Meister sich von einem Lehrling haben übertölpeln lassen, dass ein zwar verschlagener, aber nicht unbedingt überragender Mensch sie hat ausschalten können, klingt nicht eben sonderlich glaubwürdig. Die Zeichnung der Welt bleibt relativ diffus, eine fruchtbare Tiefebene, eine Küstenregion und ein hohes, karges Gebirge, damit erschöpfen sich denn aber auch schon die entsprechenden Beschreibungen.

Was den Roman aber dann letztlich doch lesbar macht, das ist neben einem netten, flüssigen, allerdings auch dialoglastigen Stil die Charakterisierung der wenigen auftretenden Personen. Auch wenn sich die Autorin nur auf zunächst drei, zum Finale hin dann vier Gestalten konzentriert, bestimmen die Figuren den Roman. Mit viel Liebe hat sie ihre Helden gezeichnet.

Der Wildfang Alissa mit ihrem unbeherrschtem Wesen, ihrem aufbrausendem Gemüt und ihrem Sinn für Gerechtigkeit, nimmt uns gefangen. Das ist eine Person, bei der es dem Leser leicht fällt, in sie hineinzuschlupfen, ihre Gefühle und so manches mal unbedachten Aktionen nachzuvollziehen. Aber auch Strell, der zu Beginn voller Vorurteile ist, sich dann aber im Verlauf der Ereignisse eines Besseren besinnt, seine Haltung überdenkt und schlussendlich ändert, weiß zu überzeugen. Dass sich die beiden zueinander orientieren, das alte Spiel aus Necken und Streiten beginnt, konnte man erwarten.

Die Auseinandersetzung mit dem doch allzu einseitig charakterisierten Bailic und die überraschende Offenbarung um die Gestalt des Niemand treiben die anfänglich etwas zögerlich vorankommende Handlung im letzten Drittel dann rasant voran. Natürlich erwartet den Leser der unabdingbare Cliffhanger, der schon in zwei Monaten seiner Auflösung harrt.

Insgesamt ein Buch, das zwar keine neuen Pfade einschlägt, das sich aber in wohlgeordneten Bahnen bewegt, das dem Leser viel Vertrautes anbietet und dabei mit erstaunlich wenig Gewaltbeschreibungen auskommt. Keine große Weltenschöpfung, mehr ein Extrakt aus erfolgreichen Vorbildern in einer stromlinienförmigen Ausarbeitung, Fantasy für die breite Masse, dabei aber nett und flüssig zu lesen.

 

Die erste Wahrheit

Kim Harrison, Blanvalet

Die erste Wahrheit

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